Mit Ausbruch der Corona-Pandemie vor mehr als 14 Monaten ist das öffentliche Leben weltweit nahezu zum Erliegen gekommen. Wie viele Länder macht jetzt auch Deutschland wieder auf. Lohrer Auswanderinnen berichten, wie sie das vergangene Jahr in ihren Wahlheimatländern erlebt haben und was mittlerweile anders geworden ist.
Katja Guttmann lebt und arbeitet als Journalistin in New York. Über das zurückliegende Jahr sagt sie: "Es war deprimierend zu sehen, dass auch eine so energiegeladene Stadt wie New York einfach dichtmachen kann. Rooftop-Bars, Restaurants, Theater, Museen und alles, was eine Metropole aufregend macht, war zu, ganze Straßenzüge inklusive Times Square waren leer gefegt."
Viele New Yorker seien im Frühling 2020 aus der Stadt geflüchtet. "Auch ich ging – zuerst nach Long Island an den Strand, dann zu Freunden nach Vermont in den Wald." Im Sommer seien wenige Touristen in der Stadt gewesen. "Man konnte in den Parks spazieren gehen oder sich auf den Stufen vor der Haustür treffen. Es gibt einem ein komisches Gefühl, wenn am Times Square nur noch so viele Menschen sind wie sonst sonntagnachmittags auf dem Lohrer Marktplatz." Die meisten New Yorker hätten sich an die von Präsident Biden verordnete Maskenpflicht gehalten und selbst beim Joggen oder Fahrradfahren Mundnasenschutz getragen. "Damit fühlte auch ich mich sicher. Insgesamt habe ich den Lockdown nicht als zu hart empfunden." Biden gehe mit logischen Maßnahmen gegen die Pandemie vor. Das sei vorher je nach Bundesstaat vollkommen außer Kontrolle gewesen. Die Impfkampagne gehe zügig und gut organisiert voran.
In New York seien 50 Prozent aller Erwachsenen geimpft. "Seit 19.Mai ist alles einschließlich der öffentlichen Schulen wieder offen. Nur die Met-Oper und die großen Broadway-Shows wollen erst im September ihre Türen für Besucher öffnen." Die Subway fahre wieder rund um die Uhr. Die unschöne Seite der Pandemie: "Stark gestiegen ist die Kriminalität, viele Restaurants, kleine Läden und Off-Broadway Theater haben nicht überlebt und Midtown mit seinen großen Bürotürmen ist noch gruselig leer." Die meisten Angestellten würden bis September oder bis zum Jahresende im Homeoffice bleiben.
Entschleunigung in Kapstadt
Die Wahlheimat von Anne Scharlow und ihrem Lebenspartner Oliver Göbel ist das südafrikanische Kapstadt. Das Land ist noch als Virus-Variantengebiet gelistet. Die beiden Auswanderer sind derzeit bei ihren Familien in Deutschland. "Vor anderthalb Jahren waren wir zum letzten Mal hier. Nicht nach Hause zu dürfen und bei Sorgen unterstützen zu können war eine mentale Barriere für uns", sagt Anne Scharlow. Mittlerweile sind internationale Flüge wieder erlaubt, Südafrika ist aktuell noch auf Stufe eins. Außer Großveranstaltungen ist fast alles erlaubt.
Bars und Restaurants haben auch im Innenbereich geöffnet; ab 23 Uhr herrscht Ausgangssperre. "In Südafrika ist es jetzt Herbst. Das Land ist aufgeblüht, die Strände sind leer. Allerdings gehen wir in die dritte Welle", so Scharlow. Die Inzidenz ist steigend, Stand 24. Mai lag sie bei 36. "Mehrere unserer Freunde aus dem Tourismusbereich sind mittlerweile bankrott gegangen. In dem Reiseland Südafrika ist ein ganzer Sektor in der Touristenbranche weggebrochen", sagt die Lohrerin. "Wir selbst haben bisher nicht wirklich etwas vermisst. Die Entschleunigung empfanden wir als Geschenk und dafür sind wir dankbar."
Tägliche Videokonferenzen
Christina Barbosa-Gress berichtet aus Dublin, der Hauptstadt Irlands. Das Land wird aktuell nicht mehr komplett als Risikogebiet eingestuft, doch für 19 Gebiete – darunter Dublin – spricht das Auswärtige Amt noch eine Reisewarnung aus. Für Einreisende besteht die Pflicht zur zweiwöchigen Selbstisolation mit Nachweis, wo diese verbracht wird. 28 Prozent der fast fünf Millionen Einwohner sind zum ersten Mal geimpft, zehn Prozent haben die Zweitimpfung bekommen. Laut der Regierung ist Irland mit seinem "Path Ahead Plan" im frühen Stadium der Erholungsphase. Der Fokus liegt auf diszipliniertem Verhalten der Bürger und auf Außenaktivitäten.
Was der Lohrerin, ihrem Mann Jean-Baptiste und den Kindern Emilie (7) und Antonio (3) besonders fehlt, beschreibt die 38-Jährige so: "Seit Sommer 2020 haben wir unsere Familien in Deutschland und Südfrankreich nicht mehr gesehen." Trotz Einschränkungen seien sie dankbar für viele Erleichterungen.
"Wir haben unser eigenes Haus mit separaten Räumen für Homeoffice, einen Garten und über weite Strecken Kinderbetreuung. Im erlaubten Radius von fünf Kilometern können wir in den Dublin Mountains wandern und auf der gegenüberliegenden Seite am Meer spazieren gehen oder Stand-up-Paddle fahren. Und letztes Wochenende durften wir zum ersten Mal zwei Haushalte in unseren Garten einladen."
Beruflich vermissen beide Ehepartner, dass sie seit März 2020 weg sind von ihren Arbeitsplätzen. Das heißt, tägliche Videokonferenzen mit ihren Teams aus dem Homeoffice führen. Die Regierung rechnet frühestens Ende Juni mit einer Rückkehr in die Büros. Abhängig von der Inzidenz dürfen in der zweiten Juniwoche Restaurants und Bars Gruppen bis zu sechs Personen außen bewirten. Hotels können voraussichtlich im Sommer wieder Touristen empfangen. Ab diesem Zeitpunkt wird auch Innenbewirtung in Restaurants, Bars, Nachtclubs und Casinos angepeilt, ebenso Sport- und andere Innenveranstaltungen mit Zuschauern und Aufleben des internationalen Reiseverkehrs.
Australien: Fast keine Fälle
Nelli Kluger lebt mit ihrer Familie in Perth, der Hauptstadt des Bundesstaates Western Australia. Australien gilt als Corona-Musterschüler und ist bisher glimpflich durch die Pandemie gekommen. In Westaustralien blieb eine zweite Welle aus, im Juni 2020 wurde der Lockdown aufgehoben. Ein Dreivierteljahr lang gab es hier keinen Corona-Fall mehr. Für Einreisende besteht nach wie vor eine vierzehntägige kostenpflichtige Hotelquarantäne in Unterkünften am Ankunftsflughafen.
In Perth wurde Anfang Februar ein Sicherheitsmann eines Quarantänehotels positiv getestet, laut den australischen Behörden war er vermutlich mit der britischen Variante infiziert. Die Stadt reagierte mit einem harten fünftägigen Lockdown.