
Etwa 20 Personen haben sich im Nebenzimmer des Weinhauses Mehling eingefunden, um im Anschluss an den Film "Nebraska", der im Rahmen des StattKino-Programms im Kulturkeller des Weinhauses lief, über dessen Inhalte zu diskutieren. Das Außergewöhnliche an der Gesprächsrunde: Mehr als die Hälfte der Diskutanten sind Oberstufen-Schüler des Lohrer Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasiums - und alle reden auf Englisch.
Seit drei Jahren gibt es den English Film Club des Gymnasiums, der von den beiden Lehrern Rainer Emrich und seiner Frau Kathrin ins Leben gerufen wurde. Die jüngsten Teilnehmer finden sich ab der neunten Klasse ein. Kritische Blicke der Lehrer für ihr Englisch ernten die Schüler in dieser Gesprächsrunde, die für alle Interessenten offen steht, nicht. Ganz im Gegenteil: "Es kommt darauf an, sich überhaupt zu beteiligen", sagt Rainer Emrich, der am Gymnasium unter anderem Englisch unterrichtet. "Eine Bewertung der Sprachfertigkeiten nehmen wir nicht vor", so der Oberstudienrat. "Bei uns scheut sich niemand, auf Englisch zu sprechen."
Die englischsprachigen Filme, die von den Betreibern des StattKinos, Richard Winter und seiner Frau Renate, einmal im Monat gezeigt werden, suchen diese gemeinsam mit den Emrichs aus. "Auch nach inhaltlichen Ansprüchen", wirft Rainer Emrich ein. "Wir wollen ja darüber diskutieren können."
Die Diskussion an diesem Abend dreht sich um den schwarz-weiß gedrehten Film des Filmemachers Alexander Payne, der die Reise eines alten kranken Mannes aufzeigt, um einen vermeintlichen Lottogewinn abzuholen. Sein Sohn möchte ihm den Wunsch erfüllen und sich ihm dadurch noch einmal annähern. Zufällig bleiben die beiden im Geburtsort der Eltern hängen und werden mit der Kleinkariertheit amerikanischer Hinterwäldler, die sich aus alten Bekannten und der Familie speisen, konfrontiert. Ein schwer zugänglicher Inhalt, der selbst auf Deutsch zu einer anspruchsvollen Diskussionsrunde führen würde.
"How do you like the movie?", fragen die beiden Schüler Anna Latin und Jacob Seitz in die Runde. Zusammen mit dem Lehrerpaar Emrich haben sie Fragen vorbereitet, die sie gemeinsam mit den Gästen und den Winters in der kommenden Stunde erörtern möchten. Auch politische Aussagen, ob die gezeigten Protagonisten der Kleinstadt Trump-Wähler sein könnten, werden besprochen. Neben den Interaktionen zwischen den einzelnen Charakteren, über die lustigste und emotionalste Szene, wird auch lange darüber diskutiert, warum der Film in Schwarz-weiß gedreht wurde. Die endlose Landschaft käme besser zur Geltung, der Zuschauer würde sich dadurch mehr auf die Geschichte fokussieren, die Bilder würden dadurch intensiver und düsterer wirken, sind einige Meinungen. Für manche würde der Film dagegen in Farbe besser herüberkommen.
"Bei all dem Blockbuster-Mist haben wir das Ziel, den Schülern Inhalte zu vermitteln", erklärt Rainer Emrich. Jeder Teilnehmer hat seine eigenen Beweggründe, den English Film Club zu besuchen. Für Kathrin Emrich sind die Filme ein Anlass, "aus meiner Komfortzone herauszukommen". Der Schüler Tim Eirich genießt die "außerschulische Atmosphäre und die gute Stimmung". Simon Latin, der sich auch als Fan von Marvel-Filmen bekennt, sieht "die vielen Interpretationsmöglichkeiten eines anspruchsvollen Films". Außerdem helfe das Englischsprechen massiv in der Schule.
In einem Punkt sind sich alle Teilnehmer einig: Es macht Spaß, in lockerer Runde Englisch zu sprechen - denn "das kommt im Unterricht leider immer zu kurz", weiß Lehrer Emrich. Und so wird die gut harmonierende und fröhliche Gruppe aus jungen und älteren Menschen weiterhin einmal im Monat die verschiedensten Blickwinkel eines Filmes diskutieren - auf Englisch. "Eigentlich", scherzt Timon Pleier aus der zwölften Klasse abschließend, "kommen wir ja auch nicht wegen des Films, sondern wegen des guten Essens."