
Nach 50 Jahren ist es vollbracht: Die Erschließung des Baugebiets "Klinge" ist abgeschlossen, die Gemeinde Retzbach rechnet im Frühjahr mit ersten Bauanträgen. Auf 4,5 Hektar sind insgesamt 48 Bauplätze entstanden, wovon noch zwölf zum Verkauf stehen. Natürlich dauerte die Umsetzung des Wohnbaugebiets keine 50 Jahre. Festgelegt wurde der Bereich beim Zusammenschluss von Retzbach und Zellingen, damals sollte das Baugebiet sogar 8,5 Hektar groß werden und bis zum Wald gehen.
Viele Gemeinderäte und mehrere Bürgermeister schoben das Projekt vor sich her, tatsächlich angegangen wurde es nach der Kommunalwahl 2014. Dabei erwies es sich vor allem aus Gründen des Naturschutzes als aufwändig, handelte es sich doch um eine Handlage mit teils alten Weinbergsmauern und vielen Hecken. Den hohen ökologischen Stellenwert konnte nicht jeder nachvollziehen. Bei den vorgeschriebenen Voruntersuchungen wurden besonders geschützte Tiere entdeckt. Das gipfelte bei einer Bürgerversammlung in der Frage, ob die Gemeinde nicht ein Büro hätte beauftragen können, das nicht so genau sucht.
Kosten in Höhe von 3,7 Millionen Euro
Generell wurde das Gebiet auf 4,5 Hektar reduziert. Nach Planung der Erschließung mit Straßen, Wegen und Parkstreifen ergab sich eine reine Grundstücksfläche von 30.600 Quadratmetern (3,06 Hektar). Von den 48 Bauplätzen gingen 22 an private Einlegerinnen und Einleger – vor der Umlegung gehörten nur acht Prozent der Flächen der Gemeinde. Der Großteil war in der Hand von 41 Einlegern, darunter acht Erbengemeinschaften mit bis zu zwei Generationen und neun Personen. Der dritte Bürgermeister Michael Zull erinnert sich an viele Verhandlungen mit Familien und Erbengemeinschaften sowie Überzeugungsarbeit, beim Baugebiet mitzuziehen.
Erschließungs- und Ingenieurkosten für das Baugebiet summieren sich auf 3,7 Millionen Euro, was zwei Millionen Euro über dem ursprünglichen Plan liegt. Die Gemeinde selbst konnte 26 Bauplätze vermarkten. Diese wurden zunächst nach einem Kriterienkatalog vergeben, der Kaufinteressenten mit Ortsbezug wie Wohnen in Retzbach oder ehrenamtliches Engagement in Vereinen am Ort bevorzugte, auch Familien mit Kindern bekamen Pluspunkte. 90 Bewerberinnen und Bewerber belegen das große Interesse, einige zogen allerdings vor dem vor sechs Monaten erfolgten Zuschlag zurück. Derzeit stehen die Notarverträge an. Noch zu haben, und zwar auf dem freien Markt, sind aktuell zwölf Bauplätze. Der Preis liegt bei 235 Euro je Quadratmeter, wer ein Grundstück kauft, muss binnen drei Jahren bauen, die Einlegerinnen und Einleger haben zehn Jahre Zeit.
Schlingnattern, Zauneidechsen und Blindschleichen
Wie hoch der ökologische Wert des Bereichs vom amtlichen Naturschutz eingeschätzt wurde, machen fast zehn Hektar verteilter naturschutzfachlicher Ausgleichsflächen deutlich. Dafür wurde sogar Wald oberhalb der Straße "An der Hecke" gerodet und mit Holz- und Steinhaufen versehen. Dazu kommen "grüne Finger" im Baugebiet, diese Grünflächen müssen die Anliegerinnen und Anlieger pflegen.

Ab dem Jahr 2021 gab es insgesamt 15 Begehungen, um die laut Gutachten ansässigen Reptilien umzusiedeln, sie wurden auch mit klebrigen Matten gefangen. Tatsächlich umgesiedelt wurden drei Schlingnattern und eine Zauneidechse als streng geschützte Arten sowie mehrere Blindschleichen (geschützt, aber nicht gefährdet). Die Kosten dafür betrugen 98.450 Euro.
Die eigentliche bauliche Erschließung begann im Dezember 2022 mit dem Abtrag des Oberbodens und war im Sommer 2024 abgeschlossen. Die neu entstandenen Straßen als Verlängerung der Jahnstraße und der Vinzenz-Schüpfer-Straße konnten erst für den Verkehr freigegeben werden, nachdem das Ortsschild in der Thüngener Straße versetzt worden war, was am 10. Dezember geschah. Sie werden beim letzten Bauabschnitt der Sanierung der Kreisstraße MSP 7 auch als Umleitung für die Anwohnerinnen und Anwohner des Hauenweges, der Rosenstraße und "An der Hecke" dienen.