
Wohin geht die digitale Reise im Gesundheitswesen? Auf diese und weitere Fragen haben die Teilnehmer am zweiten Lohrer Gesundheitsgipfel Antworten gesucht. Ein wesentlicher Baustein wird dabei die digitale Patientenakte (ePA) sein. Schon vor knapp 20 Jahren gab es laut Gematik-Geschäftsführer Florian Fuhrmann die ersten Ideen dafür. Was nun auf die Patienten zukommt und warum alles so lange gedauert hat, erklärte der Fachmann für Telematikinfrastruktur (Vernetzung der Beteiligten im Gesundheitswesen) in seinem Vortrag.
Lohrs Bürgermeister Mario Paul begrüßte die rund 40 Gäste aus dem Gesundheitswesen. "Wenn ein Gesundheitsgipfel in der Region stattfindet, ist er in Lohr genau richtig", sagte Paul. Bei aller Regionalität sei es aber wichtig, externe Impulse in die Entwicklung mit einzubauen. Main-Spessart Landrätin Sabine Sitter sagte, dass der Landkreis das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen bereits 2015 aufgegriffen hat. Sie stehe in engem Kontakt mit Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach, die zuvor auch Digitalministerin war.
"Wir müssen uns als Netzwerk noch mehr zeigen, dass wir uns auf den Weg machen", sagte die Landrätin. Anja Güll, Starthouse-Leiterin und Organisatorin der Veranstaltung, holte kurz die Lokalmatadoren auf die Bühne, die sich für die digitale Entwicklung einsetzen. "Es ist zum Wohle der Patienten", sagte Apothekerin Anne Lahoda.
Voneinander lernen
Radiologe Andreas Müller forderte, digitale Netze jetzt aufzubauen. "Da künftig viele Fachkräfte, die Ressource Mensch, fehlen werden", so Müller. Dirk Rieb berichtete aus der Umsetzung der Digitalisierung im Bezirkskrankenhaus Lohr. "Es geht Schlag auf Schlag", sagte Rieb. Allerdings kämen die Einrichtungen kaum hinterher.
"Wie funktioniert das Ganze, wie greift das ineinander, diese Fragen kommen häufig", so Rieb weiter. Tanja Amersbach, die Geschäftsführerin von "Gesundheit plus" im Landkreis Main-Spessart meinte, mit Netzwerken könne man viel erreichen. Zudem könne man voneinander lernen. "Wenn Praxen, die schon weiter sind, über Erfahrungen, aber auch Probleme berichten", so Amersbach.
Referent René Bostelaar vom Klinikum Main-Spessart machte deutlich, dass ein Gesundheitssystem ohne Digitalisierung in Deutschland nicht funktionieren kann. "Das müssen alle erst mal verstehen", sagte Bostelaar. Asien oder Amerika seien hier viel weiter. "Auch weil es dort einen anderen Datenschutz gibt", erklärte der Experte. "Wir faxen noch sehr", sagte Bostelaar. Daran könne man den Grad der Digitalisierung erkennen. "Digitalisierung bedeutet nicht, bestehende Formulare zu elektronisieren und in eine Akte zu packen, sondern was ganz anderes", so Bostelaar weiter.
Experte ist optimistisch
Was das genau bedeutet, erklärte Florian Fuhrmann. Er ging zunächst auf strukturelle Herausforderungen gerade auf dem Land ein. "Weniger Ärzte, die Bevölkerung wird immer älter", fasste er zusammen. Anders als früher würde auch nicht mehr ein Hausarzt den Patienten von der Geburt bis zu Bahre behandeln. Für die Kommunikation müsse man die Strukturen aufbauen. "Deutschland hatte das beste Gesundheitssystem der Welt", sagte Fuhrmann Blick auf den Beginn der Digitalisierung vor rund 40 Jahren. Heute habe man alleine für 1893 Krankenhäuser über 15 verschiedene Krankenhausinformationssysteme, für fast 99.000 Arztpraxen rund 150 Praxisverwaltungssysteme.
Fuhrmann sprach von 96 ePA-Zugängen (einen je Krankenkasse), rund 82 Millionen Versicherten und 5,8 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen, sowie über 100 Millionen Endgeräte. An vielen Beispielen erklärte Fuhrmann den künftigen Einsatz der ePA, in der alle relevanten Daten und Berichte zum Patienten verfügbar sein sollen. "Es ist das größte IT-Projekt im Gesundheitswesen", machte Fuhrmann deutlich. "Es wird funktionieren", versprach er, wenngleich natürlich mit Startschwierigkeiten zu rechnen sei. Nur sehr wenige Menschen hätten aktiv der ePA widersprochen. "Im einstelligen Prozentbereich", sagte Fuhrmann.
In einer kurzen Fragerunde wurden vor allem mögliche Probleme in der Praxis angesprochen. Im Anschluss daran hatten die Gäste des Gesundheitsgipfels die Gelegenheit, sich in vertiefenden Workshops mit dem Thema Digitalisierung intensiver zu beschäftigen.