Elektronische Musik und wilde Partys: Dafür ist Berlin weltbekannt. Doch als das Nachtleben der Hauptstadt im März plötzlich stillstand, brachen für Johannes Albert in kürzester Zeit sämtliche Aufträge weg. "Es war eine schwierige Stimmung in der Stadt", sagt der 36-jährige Techno-DJ und Musikproduzent. Er flüchtete sich aufs Land, in seine alte Heimat Lohr. Dort sammelte Albert Inspiration für sein neues Album "Spessart" – eine Platte, die klingt, als hätten sich Brian Eno und Dominik Eulberg zum Waldspaziergang verabredet, um sich danach gemütlich auf dem Sofa noch ein Folge der Mystery-Serie "Stranger Things" reinzuziehen.
Keine Musik zum Tanzen
Während der Wahlberliner sonst auf tanzbare Musik setzt, kommt "Spessart" weitgehend ohne treibende Beats aus. Um eine "heiße Sohle" im Club hinzulegen, ist das Album also nicht unbedingt tauglich – und in Zeiten von Corona ohnehin nicht möglich. Seine neuen Titel seien vielmehr "zur Entspannung, zur Meditation oder zum Einschlafen" geeignet, sagt Albert. Er kombiniert sphärische Synthesizer-Melodien mit den Klängen von rauschenden Bächen und Vogelgesang, die er im Spessart aufgenommen hat. Ambient nennt sich diese Spielform der elektronischen Musik.
Nach seinem Studium in Würzburg zog es Johannes Albert nach Berlin. Vor über drei Jahren hat er dort seinen bürgerlichen "Brotjob" im Marketing an den Nagel gehängt, um hauptberuflich als Musiker arbeiten. Doch seiner Heimat ist er immer noch verbunden. So legte der DJ vor Corona beispielsweise regelmäßig in der Waldschenke Dornheim in Würzburg auf. Durch den lahmgelegten Ausgehbetrieb in der Großstadt, war der Spessart für Albert ein willkommene Abwechslung: "Die Stadt gibt einem nicht viel, wenn man nur zuhause sitzen kann."
Im Spessart spüre man "eine gewisse Freiheit im Wald und in der Natur". Und als Sohn eines Jägers habe die Natur für ihn immer schon eine große Rolle gespielt. "Das steckt noch in einem drinnen." Kein Wunder also, dass er sein neues Album dem Mittelgebirge gewidmet hat.
Ob Mariabuchen, Franziskushöhe oder Sindersbach: Die Namen aller acht Stücke auf Alberts neuer Platte haben einen Bezug zur Region. Mit dem Kontrast zwischen seinem Leben in der Großstadt und seiner ländlichen Heimat spielen auch die Visualisierungen zu den Liedern, die die aus Eisingen stammenden Brüdern Felix und Julian Moser (Moserfilm) gefilmt haben.
Ländliche Idylle ist nur Täuschung
Denn der erste Eindruck der kurzen Videoschleifen täuscht. Die Nahaufnahmen von rauschendem Wasser, Windblumen und einer Kirchturmspitze sollen nach ländlicher Idylle aussehen – dabei sind sie in der Hauptstadt entstanden. "Die Idee war es, den Spessart in bewegten Bildern nach Berlin zu transportieren." Eine fragiler Sehnsuchtsort sollte so entstehen, heißt es im Pressetext. Das alles sei schon "sehr abstrakt", räumt Albert bereitwillig ein.
Und doch: Das Zusammenspiel der teils verschwommen Bilder, die dem Stil der 90er-Serie "Twin Peaks" ähneln, mit den verträumten Klängen Alberts ist stimmig. Die Kombination erzeugt das Gefühl einer vagen Erinnerung dabei zuzusehen, wie sie einem langsam durch die Finger rinnt, bevor sie gänzlich verschwindet. Sicher, das ist alles ein bisschen experimentell und nicht unbedingt geeignet für Freunde von schmissigen Refrains zum Mitsingen, doch wer auf sanfte und atmosphärische Instrumentalmusik steht, kommt hier auf seine Kosten.
Das Album "Spessart" ist auf verschiedenen Plattformen im Internet zu hören. Unter frankmusicfm.bandcamp.com gibt es aber auch eine kleine Auflage an Kassetten zu bestellen. Wer den analogen Tonträger kauft, erhält zusätzlich Postkarten mit Main-Spessart-Motiven.