
Landschaftsführerin Anne Welzenbach aus Obersinn und ihrem hessischen Pendant Winfried Imkeller aus Oberndorf ist dieser Zustand ein Dorn im Auge. Die Wanderwege beider Landschaftsführer führen unmittelbar an der Ziegelhütte und dem alten Brunnen vorbei. Wanderer nehmen gerne den 100 Meter weiten Abstecher in Kauf und werfen einen Blick auf die alte Anlage. Und dort gibt es immer Interessantes aus der Geschichte zu berichten.
Christoph Frucht, bis 2003 Leiter des Mittelsinner Forstamts und heute Geschäftsführer des Naturparks Spessart, macht für den Zustand des Brunnens ausdrücklich den Betrieb der Bayerischen Staatsforsten verantwortlich. Der Erhalt des Brunnens liege in dessen Aufgabenbereich. „Aber derzeit wird nur Holz geerntet, um Geld in die Kasse zu bringen. Wenn das baufällige Dach abstürzt und einen Wanderer unter sich begräbt, ist der Staatsforst haftbar“, so Frucht. Winfried Imkeller und Anne Welzenbach sind sich einig, dass der Brunnen mit seiner Bedachung erhalten bleiben muss. Imkeller sieht auf den Wandertouren vom Kneippbad Pfaffenhausen kommend, entlang der Grenzsteine über den Dreimärker die Ziegelhütte als wichtiges geschichtliches Indiz. Es sei interessant, so Frucht, dass aufgrund der vorhandenen Tonschichten Regenwasser lange in großen Tümpeln stehen bleibt. Diese Tonvorkommen waren auch die Grundlage für die angesiedelte Ziegelei.
„Wenn das Dach abstürzt und einen Wanderer begräbt, ist der Staatsforst haftbar“
Christoph Frucht, Geschäftsführer Naturpark Spessart
Die Archive berichten, dass im 18. Jahrhundert im vierherrschaftlichen Wald infolge ständiger Grenzüberschreitungen und Missachtungen der Weiderechte sowie dem krassen Unterschied zwischen Arm und Reich immer mehr Gesetzesverstöße erwuchsen. Die verwickelten Grenzverhältnisse trugen dazu bei, dass die Bevölkerung des Sinngrunds in einem schlechten Ruf stand.
Anlass der immer wiederkehrenden Klagen der Amtsleute und der Polizeimaßnahmen waren Jagd- und Holzfrevel, Schmuggelei, räuberische Umtriebe und „sittlicher Tiefstand“. Schließlich musste man sogar amtlicherseits zugeben, dass die Verhältnisse unter der Vierherrschaft und die fehlende Polizeiaufsicht schuld an den Missständen im Sinngrund seien. Das seit 1703 bestehende Anwesen zwischen Emmerichsthal und Deutelbach, welches aufgrund der Ziegelbrennerei auch Ziegelhütte genannt wurde, hatte den Ruf, ein Zentrum der Diebe zu sein.
In der angegliederten Branntweinschenke konnte nicht nur Diebesgut umgeschlagen werden – hier fand auch manch von der Polizei Gesuchter Unterschlupf. 1837 wurde die Ziegelbrennerei als Nebenbetrieb und die dort betriebene Branntweinwirtschaft als Hauptbetrieb bezeichnet. Von den letzten Besitzern der Ziegelhütte, der Familie Johann Rösch, ist bekannt, dass sie bei den Dorfbewohnern der Umgebung als reiche und soziale Leute galten. Vierspännig fuhren sie mit ihren Kutschen in die Umgebung und brachten ihr Geld unter die Leute. Doch das Ende der Ziegelei war vorauszusehen.
Die Möglichkeiten, vom nahen Staatswald Holz zu erhalten, waren sehr beschränkt, das Holz außerdem zu teuer. Dazu kam die Misswirtschaft, bedingt durch das verschwenderische Leben der Brüder des Johann Rösch. Diese wanderten nach Amerika aus, von wo die Verwandten keine Nachricht mehr erhielten. Ein weiterer Bruder verließ die Ziegelhütte ebenfalls und bestand auf seinem Erbteil. Er eröffnete in Schweinfurt einen Holzhandel, hätte aber nach kurzer Zeit seinen Betrieb in Konkurs gehen lassen müssen, wenn sein Bruder nicht mit 5000 Gulden gebürgt hätte. Da sich in der Umgebung, etwa in Burgsinn, weitere Ziegeleien ansiedelten, ging der Umsatz der Ziegelhütte bald zurück. Außerdem brachte ab 1874 die gerade neu eröffnete Bahnlinie durch das Sinntal die Ziegel von auswärts. Die Ziegeleien heizten nicht mehr mit Holz, sondern mit Kohle.
Ab 1880 als Steinbruch genutzt
Etwa um 1880 war die Ziegelhütte trotz des Verkaufes der großen Privatwaldungen nicht mehr rentabel. Sie wurde aufgegeben und die Familie Rösch zog mit Sohn Melchior nach Mittelsinn. Die Ziegelhütte im Wald wurde bald von jedem, der vorbeizog, als Steinbruch genutzt.
Die Wohnanlage wurde einst von einem Brunnen mit einer starken Quelle gespeist. Das Staatliche Forstamt Mittelsinn hat diesen Brunnen um 1975 wieder so aufgebaut, wie er einmal ausgesehen haben könnte. Im Umgriff des Brunnens lassen sich noch jetzt niedrige, wellenförmige Erhebungen feststellen, die offenbar die Reste einstiger Mauern verbergen. Die Landschaftsführer Anne Welzenbach und Winfried Imkeller sowie Naturparkgeschäftsführer Christoph Frucht fordern nun im Schulterschluss den Betrieb der Staatsforsten auf, unverzüglich die Sanierung des Schutzdaches vorzunehmen. Schließlich ist der Brunnen das letzte Überbleibsel der Ziegelhütte.