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RIENECK/RUPPERTSHÜTTEN
Einst Burg und Kaiserkrone in Kloster Einsiedel?
Gefälltes Wahrzeichen: Der vom Sturm geschädigte Baumriese, das ehemalige Wahrzeichen von Kloster Einsiedel, musste im vergangenen Jahr gefällt werden. Unter dem Wurzelwerk wurde vorsichtig der Altarsockel freigelegt.
Foto: Sebastian Inderwies | Gefälltes Wahrzeichen: Der vom Sturm geschädigte Baumriese, das ehemalige Wahrzeichen von Kloster Einsiedel, musste im vergangenen Jahr gefällt werden. Unter dem Wurzelwerk wurde vorsichtig der Altarsockel freigelegt.
Von unserem Mitarbeiter Sebastian Inderwies
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:28 Uhr

Staunen machte Harald Rosmanitz vom Archäologischen Spessartprojekt mit seinem Vortrag über die archäologischen Grabungen in Elisabethenzell, zu dem die Arbeitsgemeinschaft Kloster Einsiedel am Freitagabend ins Ruppertshüttener Pfarrheim eingeladen hatte. Die rund 90 Interessierten erfuhren, dass der Ort südlich von Rieneck einst große und überregionale Bedeutung hatte und woraus sich dies schließen lässt.

In den vergangen zwei Jahren wurden über 1000 Quadratmeter freigelegt, berichtete Rosmanitz. Alleine 2013 gruben 93 freiwillige Helfer zwölf Wochen lang. Insgesamt seien so 2012 und 2013 über 625 Arbeitstage zusammen gekommen.

Zu Beginn wies Rosmanitz auf die Bedeutung der Birkenhainer Landstraße hin. Diese von den Grafen von Rieneck errichtete Straße, habe sich schnell zum bedeutendsten Handelsweg zwischen Mainz und Nürnberg entwickelt.

Ruhrgebiet des Mittelalters

Dem Spessart bescherte die Birkenhainer Landstraße eine blühende Wirtschaft. „Der Spessart war damals eine dicht besiedelte Industrieregion. Sozusagen ein kleines Ruhrgebiet“, erläuterte Rosmanitz. Kloster Elisabethenzell, wie man Kloster Einsiedel ursprünglich nannte, wurde genau in dieser Blütezeit von den Grafen von Rieneck gegründet. „Um 1220 wurde das Kloster auf einem Höhenkamm errichtet und sollte wohl als Raststation, Kloster und Machtsymbol der Grafen gleichermaßen dienen“, so Rosmanitz.

Anhand der freigelegten Gemäuer folgert Rosmanitz, dass es sich bei dem Klosterareal keinesfalls um eine Einsiedelei gehandelt habe. „Im Gegenteil, wir haben Gebäudereste freigelegt, die wir mitten im Spessartwald zunächst nicht vermutet hätten.“ So handelt es sich bei einem 18 Meter langen, dreigeschossigen Steinhaus um eine mittelalterliche Wohnburg, in welcher Adelige gelebt haben müssen. Ein Indiz dafür sei das aufwendige und für die damalige Zeit äußerst kostspielige Heizsystem, das in den Gemäuern entdeckt wurde.

Ein weiteres Fundstück unterstützt die Theorie: So wurde während der Grabungen ein Sporn aufgefunden. „Diese Sporen wurden ausschließlich von Adeligen und Königen getragen“, weiß Rosmanitz. Auch das Kirchengebäude, das im Zentrum des Areals stand, habe mit 24 Metern Länge eine beachtliche Größe für die damalige Zeit. Aufwendig behauene Steine und seltene Glasmalereien stützen die These, dass es sich bei Elisabethenzell um ein für damalige Verhältnisse prachtvolles Kloster gehandelt haben muss.

Rosmanitz vermutet gar, dass die Grafen von Rieneck dort einen bedeutenden Pilgerort schaffen wollten. So wurden zwischen den Mauerresten in unmittelbarer Nähe der beiden freigelegten Altäre verschiedene Pilgerzeichen gefunden, welche Pilgerreisende abgelegt haben.

Skelette deuten Wohlstand an

Wie Rosmanitz berichtete, war die Birkenhainer Landstraße so bedeutend, dass auch die Reichskleinodien mindestens zweimal hier transportiert wurden. Kürzlich gefundene Dokumente bestätigten dies. Ob die Transporttruppen in Einsiedel Rast machten, könne man allerdings noch nicht belegen. Rosmanitz: „Wir bleiben jedoch an dem Thema dran.“

Ein weiteres Rätsel werfen die vielen Skelette auf, die vor allem bei den letztjährigen Grabungen freigelegt wurden. „Wir haben über 50 Individuen ausgegraben. All diese Skelette sind in einem für den Spessart äußerst guten Zustand“, so Rosmanitz. Die Skelette werden derzeit anthropologisch untersucht. Erste Ergebnisse zeigten, dass es sich bei den Toten größtenteils um wohlhabende Personen gehandelt haben müsse. Ein Großteil der Verstorbenen litt demnach an Wohlstandskrankheiten.

Bei drei Begrabenen konnte man sogar deren Herkunft bestimmen. „Eine Leiche kam aus Aura, eine aus Münnerstadt und eine aus Würzburg“, so Rosmanitz. Und weiter: „Bei dem Würzburger Leichnam könnte es sich gut um unseren Adeligen gehandelt haben“. Das sei allerdings noch nicht belegt. In den kommenden Monaten werden die Funde weiter analysiert und restauriert.

Die Grabungen werden heuer ausgesetzt. „Die nächsten Grabungen finden 2015 statt.“ 2016 wolle man das Projekt abschließen. Bis dahin soll auf dem Klosterareal ein „Museen-ähnlicher Park“ errichtet werden. Dabei sollen die wesentlichen Fundamente aufgemauert werden und so für die Nachwelt erhalten bleiben. „Dafür benötigen wir allerdings weiterhin die Unterstützung, wie wir sie in den vergangenen zwei Jahren erfahren haben“, schloss Rosmanitz. Dank sagte er dem Hauptsponsor: „Ohne die Unterstützung der bayerischen Staatsforsten wäre ein derartiges Projekt nicht denkbar gewesen.“

Was die Knochen erzählen können

Am 4. April findet um 19.30 Uhr im Bürgersaal der Sparkasse Lohrhaupten ein weiterer Vortrag zu Einsiedel statt. Amelie Alterauge wird berichten, was die anthropologischen Untersuchungen an den Menschenknochen bislang ergeben haben. Rosmanitz, der die Ausgrabung von Beginn an leitet, bedankte sich auch für das Engagement der freiwilligen Helfer rund um Ingbert Roth, welcher die Grabungen angestoßen hatte.

Infos: www.spessartprojekt.de

Reichskleinodien

Die Herrschaftsinsignien der Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches werden als Reichskleinodien bezeichnet. Sie sind auch unter den Namen Reichsinsignien oder Reichsschatz bekannt.

Dieser Kronschatz besteht aus verschiedenen Teilen wie etwa dem Reichsschwert, der Reichskrone oder dem Reichsapfel. Es ist der einzige fast vollständig erhaltene Kronschatz des Mittelalters. Bis ins 15. Jahrhundert hinein hatten die Reichsinsignien keinen festen Aufbewahrungsort und begleiteten den Herrscher auf seinen Reisen durch das Reich.

Mindestens zweimal sind die Reichskleinodien während dieser Zeit an Kloster Einsiedel vorbei geführt worden – davon geht Harald Rosmanitz aus. Diese aufwendigen Transporte sorgten in der damaligen Zeit für einige Aufregung und hatten strengste Sicherheitsvorkehrungen zur Folge. Heute werden die Reichskleinodien in der Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt. si

Neueste Erkenntnisse: Interessiert folgen über 90 Zuhörer am Freitagabend im Ruppertshüttener Pfarrheim den Schilderungen von Harald Rosmanitz.
Foto: Sebastian Inderwies | Neueste Erkenntnisse: Interessiert folgen über 90 Zuhörer am Freitagabend im Ruppertshüttener Pfarrheim den Schilderungen von Harald Rosmanitz.
 
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