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Karlstadt
Eingeschult ohne Deutschkenntnisse - bald auf dem Karlstadter Gymnasium
Zwei Kinder von in Karlstadt lebenden Flüchtlingsfamilien werden bald das Johann-Schöner-Gymnasium besuchen – ein toller Erfolg, auch für die Integrationsarbeit der Stadt.
Yusef Sedo kam in die erste Klasse, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Nun hat er den Sprung aufs Gymnasium geschafft. Sein Vater Ahmad Sedo hat seine Ausbildung mit 1,6 abgeschlossen.
Foto: Markus Rill | Yusef Sedo kam in die erste Klasse, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Nun hat er den Sprung aufs Gymnasium geschafft. Sein Vater Ahmad Sedo hat seine Ausbildung mit 1,6 abgeschlossen.
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:42 Uhr

Yusef Sedo kam im November 2016 nach Deutschland, damals sprach der syrische Junge  kein Wort Deutsch. Das erste Schuljahr musste er deshalb sogar wiederholen. Mittlerweile ist Yusef elf Jahre alt, spielt Fußball beim FSV Karlstadt und wird die vierte Grundschulklasse mit einer 1 in Heimat- und Sachunterricht (HSU), einer 2 in Mathe und einer 3 in Deutsch abschließen. Ab September wird er als erstes Kind aus einer Flüchtlingsfamilie von der Grundschule auf das Johann-Schöner-Gymnasium wechseln.

Aber er ist dabei nicht allein. Auch die zehnjährige Baran Mosavi aus dem Iran hat den Sprung aufs JSG geschafft. Sie kam mit ihrer Mutter Horwash Zahidi 2014 nach Main-Spessart und 2017 nach Karlstadt. Baran hat schon den deutschen Kindergarten besucht und kam in der Schule von Anfang an gut zurecht. Mit einer 2 in HSU sowie einer 3 in Mathe und Deutsch erhielt sie ebenfalls eine Empfehlung fürs Gymnasium, hat den Probeunterricht absolviert und wird ab dem nächsten Schuljahr aufs JSG gehen.

Große Hilfe durch die Integrationsfachstelle

Beide Familien betonen, wie wichtig für sie die Integrationsfachstelle der Stadt Karlstadt war. Leiterin Sakine Azodanlou war bei Behördengängen, Bewerbungen sowie in vielen anderen Dingen eine große Hilfe. Sie knüpfte auch Kontakte zum Helferkreis, dessen Ehrenamtliche weitere Unterstützung bieten. Azodanlou weiß, wie schwierig der Weg ist. "Auch ich musste die erste Klasse wiederholen, weil ich damals kein Deutsch sprach." Später war sie das erste Kind aus einer Karlstadter Migrantenfamilie, das die Universität besuchte.  

Die Iranerin Horwash Zahidi mit ihrer Tochter Baran, die ab dem nächsten Schuljahr das Gymnasium besuchen wird.
Foto: Markus Rill | Die Iranerin Horwash Zahidi mit ihrer Tochter Baran, die ab dem nächsten Schuljahr das Gymnasium besuchen wird.

Die studierte Germanistin ist sich mit den Eltern einig, dass die Sprache der erste wichtige Schlüssel zur Integration ist. Yusef und Baran sprechen akzentfreies Deutsch und können ihren Eltern heute manchmal helfen. Ahmad Sedo hat mit Mitte 30 in Deutschland noch einmal eine Ausbildung zum Industrieelektriker gemacht – und mit 1,6 abgeschlossen. Horwash Zahidi arbeitet im Kindergarten Laudenbach. 

Wichtig ist der Kontakt zu Gleichaltrigen, die Deutsch sprechen

"Ich war das einzige Kind in der ersten Klasse, das kein Deutsch sprach", erinnert sich Yusef. Zweimal in der Woche bekam er Hausaufgabenhilfe von Mitarbeitern der Integrationsstelle. Heute kann er selbst seinen jüngeren Geschwistern helfen. "Ab dem dritten Jahr in der Schule ging es besser." Der Elfjährige spricht nun Deutsch, Kurdisch und Arabisch. Sein jüngerer Bruder Yunes beherrscht Deutsch schon besser als die Muttersprache der Eltern. 

Baran Mosavi ist ein Einzelkind. "Sie hat alles alleine gemacht", erzählt ihre Mutter Horwash Zahidi voller Stolz. "Ich arbeite ja ganztags." Baran lernt Querflöte in der Karlstadter Musikschule, betreibt Gymnastik und Kickboxen im Verein. "Mit meinen Freundinnen gehe ich gerne radfahren oder spielen. Wir reden Deutsch miteinander", sagt sie.

Hohe Ziele

"Baran fragt die Leute gern, welche Schule sie besucht haben", erzählt ihre Mutter. Schon früh hat sie sich deshalb vorgenommen, das Gymnasium zu besuchen. Jetzt hat sie weitere Ziele: "Ich möchte das Abitur schaffen. Und ich möchte gerne Ärztin werden", sagt das Mädchen. Horwash Zahidi ist klar: "Deutschland hat uns eine Chance gegeben. Meine Tochter kennt Karlstadt besser als den Iran. Wir möchten hier bleiben."

Sakine Azodanlou, Leiterin der Integrationsfachstelle der Stadt Karlstadt. 
Foto: Markus Rill | Sakine Azodanlou, Leiterin der Integrationsfachstelle der Stadt Karlstadt. 

Auch Yusef Sedo sagt: "Ich stelle mir vor, dass ich Arzt werde." Sein Vater Ahmad meint: "Geflüchteten Menschen stehen in Deutschland  viele Wege für ein gutes und erfolgreiches Leben offen." Er hofft, dass seine vier Kinder diese Wege beschreiten. Yusefs Schwester kommt nun in die vierte Klasse und will ihrem Bruder dann aufs JSG folgen.

In höheren Jahrgängen sind bereits zwei pakistanische Mädchen am JSG. Laut Rektor Gerald Mackenrodt haben sich die beiden "gut eingelebt". Er betont, dass die Kinder nicht sich selbst überlassen werden. Zu Schulanfang werde analysiert, ob Sprachförderung oder andere Unterstützung notwendig sei und diese dann gegebenenfalls angeboten. "Wir möchten die Kinder optimal begleiten", sagt Mackenrodt. 

Sakine Azodanlou freut sich für die Kinder und ihre Familien und bietet weiterhin ihre Hilfe an. Aber sie sagt auch: "Wer mittellos und ohne Sprachkenntnisse in ein fremdes Land kommt, braucht natürlich Unterstützung. Aber nach einer Weile sind auch Eigeninitiative und Ehrgeiz gefragt, das zeigen diese Beispiele." Und das hat sie auch selbst erlebt.

 
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Kommentare
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Schön zu sehen, daß es so positive Beispiele gibt. Sakine macht auch einen Super Job.

    Leider erlebe ich in meinem beruflichen Alltag mit 18 bis 25 Jahre alten jungen Männern fast nur das Gegenteil: auch nach 5 Jahren Aufenthalt können sie kaum Deutsch, manche fast kein einziges Wort. Und das obwohl sie den ganzen Tag Zeit haben. Geschweige denn daß sie eine Ausbildung geschafft haben.
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