An einem Freitag in der Karlstadter Realschule: Der Autor dieser Zeilen ist Zaungast im Unterricht einer fünften Klasse kurz vor dem Wochenende. Die Schülerinnen haben sich im Kreis aufgestellt und halten alle eine Qualle als Kuscheltier in den Händen, während sie ohne Hemmungen von ihren momentanen Gefühlszuständen erzählen. Schnell wird klar, dass es sich hier um ein ganz besonderes Fach handeln muss mit eingespieltem Begrüßungsritual.
Religionspädagogin Birgit Pfeifer, die 2019 eine zweijährige Schulpastoral-Ausbildung abgeschlossen hat, erzählt, dass es seit dem Schuljahr 2020/2021 dieses besondere Fach "Glück" an der Realschule in Karlstadt gibt. Es findet alle vier Wochen klassenübergreifend im Wechsel mit anderen Förderangeboten statt, darunter auch zusätzlicher Sportunterricht. Aus diesem Grund sind die Gruppenstärken auch geschlechtergetrennt.
"Im Fach 'Glück' steht der Mensch im Mittelpunkt. Der Schwerpunkt liegt darauf, den Schulübergang zu begleiten", informiert Pfeifer auf Nachfrage. "Einfach mal über Freuden oder persönliche Sorgen sprechen, stärkt das Selbstbild jedes einzelnen Schülers ungemein", ergänzt die erfahrene Lehrkraft. Der weitere Fokus liege darauf, Achtsamkeit, Stress-Resilienz und den Umgang mit schwierigen Gefühlen zu lernen.
Wie stehen die Schülerinnen selbst zu diesem Schulfach? "Mir gefällt besonders, dass ich mich entspannen und einfach runterfahren kann – es gibt in der Schule ja sehr viele Stressmomente", gibt Medina unverblümt zu, während sie eine Zeichnung in ihr Glücks-Heft anfertigt. "Schreiben, Zeichnen oder auch Bilder einkleben – für die Gestaltung unseres Heftes sind wir selbst verantwortlich und frei", fügt Yasmin selbstbewusst hinzu.
Die Methoden sind grundsätzlich sehr verschieden. So werden Achtsamkeits- und Entspannungsübungen zum Beispiel nach Jacobson eingeflochten oder auch Übungen zur Kooperation bzw. Teamspiele mit anschließender Reflexion angeboten. Auch Philosophieren gehört zum Gesamtpaket, zum Beispiel über die sehr nahe liegende Frage, was Glück denn überhaupt für jeden einzelnen bedeute.
Und wie sieht Birgit Pfeifer ihre Rolle selbst als "Glücksbringerin"? "Ich für meinen Teil begrüße es sehr, dass ich in der Gestaltung meines Unterrichts absolut frei bin, denn es gibt keinen Lehrplan, wo sich andere Gedanken gemacht haben, was zu vermitteln ist. Ich kann mich also noch individueller auf Bedürfnisse der Schülerinnen einstellen, wenn sie nervös sind bei anstehenden Schulaufgaben."
Für zuhause gibt es eine Daueraufgabe - nämlich über Ereignisse nachzudenken, die am jeweiligen Tag Glück gespendet haben. Eine Hausaufgabe im eigentlichen Sinn entfällt – zum Glück!
Von: Peter Wenger, Seminarrektor