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ARNSTEIN
Eine Vollbremsung fürs Klima einlegen
Firmen der Region stellten ihre Angebote zum Energiesparen vor.
Foto: Günter Roth | Firmen der Region stellten ihre Angebote zum Energiesparen vor.
Günter Roth
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:40 Uhr

Ähnlich wie eine Woche zuvor sein Kollege Professor Heiko Paeth von der Universität Würzburg beim „Niederfall“ der fränkischen Winzer vermochte auch sein Kollege Dr. Felix Pollinger vom Geografischen Institut bei seinem Vortrag über den Klimawandel in Unterfranken keine Entwarnung zu geben. Vielmehr wies er nachdrücklich auf bedrohliche Szenarien hin.

Während er die theoretischen wissenschaftlichen Eckpunkte setzte, richtete Michael Kohlbrecher, der Klimaschutzbeauftragte des Landkreises Main-Spessart, den Fokus auf die Frage „Und was kann ich tun?“ Außerdem stellten regionale Firmen ihre Lösungen zur Fotovoltaik und zur Eigenstromversorgung vor. Fast 50 Interessenten waren der Einladung der Arnsteiner Bürgerenergie zu dieser Veranstaltung im Pfarrheim gefolgt.

Unterfranken sei tatsächlich ein Hotspot der mitteleuropäischen Erwärmung. Diese Behauptung belegte Pollinger mit dem Vergleich von Klimadiagrammen. Während die Temperatur der letzten 60 Jahre weltweit durchschnittlich um fast ein Grad Celsius angestiegen ist, verzeichnet unsere Region mehr als die doppelte Erwärmung. Ein Grund dafür ist die Lage. Die umgebenden Mittelgebirge Spessart, Rhön und Steigerwald halten nicht nur kühlende Luftströmungen ab, sondern auch Niederschläge.

Mittlerweile wird die globale Erderwärmung nicht mehr geleugnet, aber dafür oftmals der menschliche Einfluss bestritten – Pollinger setzt jedoch diese Wahrscheinlichkeit mit 95 Prozent an. Weiter beeinflussen natürliche Parameter wie Vulkane, Sonneneinstrahlung, die Umlaufbahn oder die Stellung der Erdachse das Klima. Jedoch laufen natürliche Veränderungen in der Regel nicht in so dramatisch kurzer Zeit wie jetzt feststellbar ab. Bis 2030 wird mit einer Erderwärmung um vier Grad gerechnet; die Internationale Klimakonferenz habe sich zum Ziel gesetzt, die Erderwärmung bis dahin nicht über zwei Grad wachsen zu lassen.

Folgen des globalen Klimawandels können laut Pollinger die Zunahme tropischer Wirbelstürme in Zahl und Stärke, Dürren und Überschwemmungen sein. Zunehmen werden – speziell auf der fränkischen Platte – auch Virenerkrankungen wie beispielsweise durch den Hantavirus oder durch Zecken.

Für Unterfranken werden 30 bis 40 Frosttage weniger pro Jahr erwartet. Die Niederschlagsmenge dürfte sich um zehn Prozent reduzieren. Es wird auch deutlich mehr Tropennächte geben mit Temperaturen über 20 Grad. Für Menschen mit Herzproblemen oder Atemwegserkrankungen stelle das ein Problem dar. Bereits in diesem Jahr habe es aufgrund der Hitze in Europa 30 000 Tote gegeben. An zehn bis zwölf Tagen soll es künftig in Unterfranken zu Hochtemperatur-Szenarien kommen.

Wie sein Kollege Paeth im Karlstadter Rathaus prognostizierte auch Pollinger, dass die Winter kürzer würden. Schon jetzt setze die Frühjahrsblüte bei Forsythien oder Haselstrauch in Bayern bereits im Februar/März ein. Für den Wein- und Obstbau werde parallel die Gefahr der Spätfröste zunehmen. Neue Weinsorten würden in Franken nötig, die mit den höheren Temperaturen besser zurechtkommen. Heute gedeihen hier Rotweine, was noch vor 100 Jahren kaum möglich gewesen wäre.

Der Beauftragte des Landratsamtes Kochbrecher fragte angesichts der gesicherten Faktenlage: „Woran hängt's, dass nichts unternommen wird? Wenn tatsächlich Kapital und Wirtschaft mit ihrer Lobby Fortschritte verhinderten, müssten wir uns entscheiden: Was wollen wir? – Geld oder Natur?“

Kochbrecher zeigte an konkreten Beispielen auf, wie jeder Einzelne zum Klimaschutz beitragen könne. Seine Vorschläge reichten von der Bauweise und der intelligenten Dämmung über die Auswahl der Heizung. Fotovoltaikanlagen und Wärmepumpen erzeugen umweltfreundlichere Energie, effiziente Haushaltsgeräte helfen sparen. Dazu kleine Autos, mit Strom oder Erdgas betrieben, besser noch Rad fahren und ÖNPV nutzen.

Zum Schluss gab Kochbrecher seinen Zuhörern mit auf den Weg: „Lieben Sie die Pflanzen, die Tiere, den Boden, gute Nahrung, Ihren Körper, die Luft, das Klima, den Wald, Ihre Kinder, Ihre Enkel, die Erde mehr als Ihr Geld, Ihr Auto, Ihre Bequemlichkeit, Ihre Fernreise, Ihr Schnitzel!“

 
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    Guter Vortrag. Ein guter Bekannter von mir, der im Nebenerwerb Winzer ist, nimmt den Klimawandel in seinen Weinbergen hautnah wahr.
    Politisch hat ihn das von einer engen Verbundenheit mit den Christsoziaöen weg in eine grünere Zukunft geführt.
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