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GEMÜNDEN
Eine Urkunde auf Irrfahrt
thal
 |  aktualisiert: 06.05.2012 12:01 Uhr

An eine amüsante Anekdote aus den bewegten Zeiten der Verwaltungsgebietsreformen zu Beginn der 1970er Jahre erinnert sich Wolf-Eckehard Klug, damals Sachgebietsleiter für Baurecht und Grundstückswesen beim Landratsamt Gemünden. Im Trubel von Zusammenlegungen und Auflösungen von Behörden und Gemeinden kam es öfter vor, dass Unklarheiten über die Zuständigkeiten entstanden. Ein besonders bemerkenswerter Fall landete im Sommer 1970 auf seinem Schreibtisch:

„Ein Notar in der nordrhein-westfälischen Stadt Mönchengladbach beurkundete Grundstücke, die in der Gemarkung Lohr lagen. Er wusste zwar, dass für das Grundstücksgeschäft die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich war, offensichtlich war ihm aber die geografische Lage von Lohr nicht bekannt. Er schickte die Urkunde nämlich mit der Bitte um Genehmigung an die Landwirtschaftskammer Nassau mit Sitz in Frankfurt.

Die Landwirtschaftskammer bedauerte, nicht der richtige Adressat zu sein und schickte den Vorgang mit der Bitte um Genehmigung an das hessische Landesamt für Landwirtschaft, auch in Frankfurt ansässig. Dieses erklärte sich ebenfalls für nicht zuständig, erkannte aber, dass Lohr in Bayern liegt.

Der Sachbearbeiter nahm allerdings an, dass das Landwirtschaftsamt Gemünden für Lohr zuständig sei und sandte den Vertrag an das Amt in Gemünden mit der Bitte um Genehmigung. Das Landwirtschaftsamt in Gemünden war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst, es existierte nur noch als Zweigstelle des Amtes in Hammelburg.

Die Urkunde wurde nun also an das Landwirtschaftsamt Hammelburg übersandt – mit der Bitte um Genehmigung. Die Hammelburger stellten fest, dass in Bayern die Landratsämter für diese Genehmigungen zuständig sind, nahmen aber offensichtlich an, dass das Landratsamt Lohr bereits aufgelöst sei und Lohr nun zu Gemünden gehört.

Also übersandten sie daraufhin den Grundstücksvertrag an das Landratsamt in Gemünden, wo ich den Vorgang mit der Bitte um Genehmigung erhielt. Ich sandte die Urkunde dann an das tatsächlich zuständige Landratsamt in Lohr.

Nach dieser Odyssee des Briefes konnte ich mir nicht verkneifen, den Mönchengladbacher Notar in humorvoller Weise über die vielen Irrwege seiner Grundstücksurkunde zu informieren. Schließlich war das wichtige Papier etwa sechs Wochen lang in drei Bundesländern und sieben Behörden unterwegs.

Meine Erkenntnis daraus: Selbst in einem so gut organisierten Staat wie Deutschland sind bürokratische Irrwege nicht unmöglich. Das war vor vierzig Jahren so und gilt auch heute noch.“

 
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