Das Bild eines Senioren, der sich seit Jahrzehnten jeden Abend sein Glas Wein gönnt, ist wohl in den meisten Familien allgegenwärtig. Doch was, wenn den Angehörigen auffällt, dass der Haushalt zunehmend vermüllt und Verwahrlosungsanzeichen eintreten? Über das Risiko eines Suchtmittelmissbrauchs im Alter sprach am Montag in den Räumen der Lohrer Caritas der Sozialpädagoge Oliver Schneider.
Besonders richtete sich der Vortrag an familiäre Betreuende, Fachkräfte aus der Pflege und des Sozialdienstes, von denen eine Hand voll Interessenten erschienen waren. »Eine Suchterkrankung hat nichts mehr mit einem maßvollen Konsum zu tun«, definierte Schneider den Begriff der Suchtabhängigkeit.
»Sucht ist immer eine Form der Selbstentwertung«, führte er aus. Wenn sich Symptome wie Zittern, Schwindel und die Vernachlässigung der Körperpflege und des Haushaltes einstellen würden, sei Alarmbereitschaft geboten. Die Suchtspirale führe schnell in die Einsamkeit, die Abkapselung aus dem sozialen Gefüge erfolge mit zunehmenden Konsum schnell. Die Sucht konzentriere sich dabei nicht unbedingt nur auf den Alkohol, so Schneider. Auch die übermäßige Einnahme von Medikamenten sei eine häufige Erscheinung.
Einsamkeit als Auslöser
Der Verlust des Lebenspartners und die daraus entstandene Einsamkeit führe oftmals zu Suchtverhalten. Etwa bei einem Drittel aller Abhängigen käme es erst ab dem Rentenalter zu einem erhöhten Konsum. Vor allem Langeweile führe zum erhöhten Genuss von Alkohol. Dabei sei die Sucht im Alter schwer zu erkennen. Beobachtungslisten und Checkbögen abzufragen, würden Angehörigen und Fachpersonal helfen. Das familiäre Netzwerk gelte es aktiv mit einzubinden, soziale Ressourcen müssen reaktiviert werden.
Auch müsse der Respekt vor den Betroffenen beachtet werden. Eine aktive Außeneinwirkung sei meistens kontraproduktiv. »Die Türe zu seiner Sucht muss der Betroffene von innen selber aufstoßen«, ergänzte Schneider.
Nicht zu unterschätzen sei die Tatsache, dass Alkohol bei älteren Menschen eine deutlich stärkere Wirkung auslöse. Dadurch sei der Betroffene stärker beeinträchtigt, die Wirkung halte länger an und der Substanzabbau erfolge langsamer. »Sucht heißt nicht frei zu sein«, so Schneider abschließend, »eine Sucht ist das Gegenteil.«
Auch im kommenden Jahr möchte der Sozialpädagoge wieder ein Seminar zu diesem Thema in Lohr anbieten.