
Bei Anton Breitenbach in Obersinn ist es jetzt immer still in der Wohnung. Bis Februar waren seine Frau Christina und der Hund Lucky da. Christina Breitenbach erlitt am 5. Februar einen schweren Herzinfarkt. Die Helfer vor Ort, der Rettungsdienst und eine Notärztin kamen zu ihnen. Sie wurde ins nächste Krankenhaus nach Lohr gefahren. Doch da konnte man ihr nicht helfen.
"Sie wurde in die Notaufnahme reingeschoben und als ich mit der Schwiegertochter ankam, wurde sie schon wieder rausgeschoben", erzählt ihr Ehemann. Dann wurde die 66-Jährige weiter nach Würzburg in die Uniklinik gebracht, wo sie am 7. Februar starb. Weil Anton Breitenbach noch berufstätig ist, musste er den Hund weggeben. Seither fragt er sich, was in jener Nacht schieflief und wieso seiner Frau in Lohr nicht geholfen wurde beziehungsweise wieso sie überhaupt nach Lohr transportiert worden war.
Im Dezember war Christina Breitenbach, die bis kurz vor ihrem Tod berufstätig war, wegen Durchblutungsstörungen im Krankenhaus in Lohr. Vom Herz sei da keine Rede gewesen sei, erzählt ihr Mann. Ein Elektrokardiogramm (EKG) habe nichts Auffälliges ergeben.
Lohr lehnte eine Aufnahme ab, Notärztin erwirkte eine Zwangsbelegung
In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar hat sie nachts Schweißausbrüche. Die schmerzende Schulter am 5. Februar führt sie auf die schlaflose Nacht zurück. Am Abend sagt sie gegen 22 Uhr: "Jetzt geht's wieder los, ich geh' ins Bett." Sie klagt über starke Rückenschmerzen. Dass dies bei Frauen ein Symptom eines Herzinfarkts sein kann, weiß ihr Mann da noch nicht.
Kurz vor 23 Uhr sind die Obersinner Helfer vor Ort da, kurz darauf der Krankenwagen vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) und um 23.37 Uhr eine Notärztin aus dem Nachbarlandkreis. Sie stellt einen Herzinfarkt fest. Jetzt soll es schnell ins nächste Krankenhaus gehen. Auf die Frage der Notärztin, welches das nächste sei, nennen die Angehörigen Lohr.
Von der Leitstelle kommt jedoch die Aussage, Lohr lehne ab. Die Ärztin habe daraufhin gesagt: "Noch mal nachfragen, der Patientin geht es schlecht." Als Lohr wieder ablehnt, habe die Ärztin eine Zwangsbelegung in Lohr erwirkt. "Gas geben, so schnell es geht. Aber ankommen müsst ihr", habe sie zum Rettungsdienst gesagt.
"In Lohr war sie noch bei Sinnen", sagt Schwiegertochter Nadja Breitenbach. Etwa 50 Minuten später bei der Ankunft in Würzburg dann aber nicht mehr. Christina Breitenbach bekam einen Herzschrittmacher, aber alle Bemühungen halfen nichts mehr. Ganz offensichtlich hatte ihr Gehirn schon Schaden genommen. Am nächsten Tag entschieden die Angehörigen, die Maschinen abzuschalten. Anton Breitenbach erzählt, dass man ihm in der Uniklinik gesagt habe, seine Frau hätte es auch nicht geschafft, wenn sie in Lohr behandelt worden wäre.
Warum die Patientin im Lohrer Krankenhaus nicht behandelt werden konnte
Dennoch fragt er sich, wieso sie nach Lohr gefahren, aber dort nicht behandelt worden war. In einem anderen Fall könne diese Frage womöglich wirklich über Leben und Tod entscheiden. Vom Klinikum Main-Spessart heißt es auf Anfrage: "Das Herzkatheterlabor des Klinikums war in der fraglichen Nacht aufgrund von Personalmangel im Assistenzpersonal nicht einsatzbereit und dementsprechend bei der Integrierten Leitstelle ordnungsgemäß abgemeldet."
Durch technische Defekte, nötige Wartungsarbeiten oder Personalausfälle könne es immer zu Ausfallzeiten kommen, auch wenn sich diese beim Krankenhaus in Lohr – durch großen Einsatz sowohl des Assistenz- als auch des ärztlichen Personals – in Grenzen hielten. Momentan arbeiten sieben Fachärzte für Kardiologie am Klinikum Main-Spessart, davon vier im Rufdienst des Herzkatheterlabors.

"Der Notärztin wurde in jener Nacht von der Rettungsleitstelle, der Besatzung des Rettungswagens und auch in zwei Telefonaten vom Klinikum Main-Spessart mitgeteilt, dass das Herzkatheterlabor des Klinikums in Lohr in dieser Nacht nicht einsatzbereit war", heißt es vom Klinikum. Man konnte Christina Breitenbach dort nicht helfen. Der Notärztin sei dringend empfohlen worden, direkt nach Würzburg zu fahren, heißt es. Anton Breitenbach sagt, dass er davon nichts mitbekommen habe, auch seine Schwiegertochter, ein Ersthelfer und ein Sanitäter hätten dies nicht mitgekriegt, so seine Recherchen.
Leitstelle und Rettungsdienst sind Weisungsempfänger von Ärztinnen und Ärzten
Das Klinikum teilt mit, es habe vorgeschlagen, die Patientin auf der Intensivstation zur weiteren Stabilisierung und Vorbereitung für die Verlegung in eine andere Klinik mit einsatzbereitem Herzkatheterlabor aufzunehmen. Dieses Vorgehen sei von der Notärztin abgelehnt worden.
Für die Integrierte Leitstelle (ILS) meldet sich auf Anfrage die Pressesprecherin der Stadt Würzburg, Claudia Lother: "Die Belegung der Zielklink erfolgt durch ärztliche Weisung. Die ILS ist hier Weisungsempfänger. Für Entscheidungen des behandelnden Arztpersonals ist die Integrierte Leitstelle nicht verantwortlich."
Dirk Zirwick, Leiter des Rettungsdienstes des BRK Main-Spessart, teilt dasselbe mit. Schon in Obersinn sei allen bekannt gewesen, dass das Herzkatheterlabor des Klinikums Main-Spessart abgemeldet war. Dennoch sei von der Notärztin die Anweisung gekommen, die Patientin dorthin zu transportieren. "Der Notarzt trifft generell die Entscheidung beim Einsatz, ob transportiert wird und in welche Klinik der Patient gebracht wird. Diesbezüglich ist der Notarzt dem Rettungsdienstpersonal weisungsbefugt."
Information des Ehemanns nur auf dessen Nachfrage
Der Fall sei zeitnah sowohl intern im Klinikum Main-Spessart als auch mit den Verantwortlichen des Rettungsdienstes und des Herzinfarktnetzes Mainfranken nachbesprochen worden, schreibt das Klinikum. Anton Breitenbach sagt, bei ihm habe sich lange niemand gemeldet – erst als er aktiv wurde und Aufklärung wollte. Wie es zu der augenscheinlichen fatalen Fehlentscheidung kommen konnte, dazu sagt die Notärztin nichts. Auf mehrfache Anfragen der Redaktion reagierte sie nicht.
Anton Breitenbach fragt sich auch, warum seine Frau weder von Obersinn noch von Lohr aus mit dem Rettungshubschrauber transportiert wurde. Vom Klinikum heißt es dazu: "Der Rettungshubschrauber Christoph 18, der in diesem Fall in Betracht gekommen wäre, ist generell nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang einsatzbereit, da er auf Sicht fliegt."
Der Einsatz eines Rettungshubschraubers falle auch nicht in den Verantwortungsbereich des Notarztes. Der Obersinner erinnert sich jedoch, dass vor ein paar Jahren ein Rettungshubschrauber wegen eines Herzinfarktes im Ort landete, als es schon dunkel war. Die Feuerwehr habe damals den Landeplatz ausgeleuchtet.
Ein erster Herzinfarkt blieb offenbar unbemerkt
Er erzählt, dass seine Frau, die gern kochte und deren Leben Hund Lucky und ihre Rosen waren, nie Anzeichen für eine Herzerkrankung hatte. "In der Uniklinik habe ich mich noch gefragt, was mit dem Hund ist, wenn sie drei Wochen auf Reha kommt." Für sie kam jedoch jede Hilfe zu spät. Erst eine Woche vor dem Herzinfarkt ging sie in Ruhestand.
Bei der Untersuchung in Würzburg hieß es, sie hätte neun Tage vorher schon einen ersten Herzinfarkt gehabt. Da sei es ihr aber normal gegangen, sagt ihr Mann. Das kann er genau sagen, denn neun Tage vorher war ihr 66. Geburtstag.
Es mag spezifische Blut- Gewebe- Organuntersuchungen geben, die auf einen früheren Herzinfarkt rückschliessen lassen. Ich halte es aber für ausgeschlossen, dass dies rückwirkend auf einen genauen Tag datiert werden kann. Mit solch einer Aussage wird bestenfalls versucht Trost zu spenden wo es kein Trost gibt (nach dem Motto es gab eine Vorerkrankung), oder „die Schuld“ versucht zurück zu geben nach dem Motto „sie hätte mal früher kommen sollen“ - es werden Fehler im Gesundheitssystem verdeckt und damit manifestiert, statt hinzuschauen, offen zu kommunizieren und - auch wenn es für die Patientin leider zu spät ist- zumindest für die Zukunft zu lernen und Veränderungen herbeizuführen.
Ich wünsche Familie Breitenbach in ihrer Trauer die Kraft das nicht so stehen zu lassen.
Sehr gut finde ich die Hinweise am Ende des Artikels in der Infobox und kann jedem nur empfehlen, den dort verlinkten Artikel der Deutschen Herzstiftung zu lesen.
Selbst erlebt im März diesen Jahres..
An einem Donnerstagabend im März durfte ich von 17- 20 Uhr mit einer 87 jährigen in der Notaufnahme sitzen..Diagnose Hausarzt ..Lungenentzündung..Dieser hatte auch telefonisch alles für die erneute Einweisung abgeklärt..die Patientin wurde am Vortag entlassen und der Hausarzt war der Meinung so geht das nicht..also begaben wir uns wieder nach Lohr mit der Info der Stationsarzt weiß Bescheid und wartet auf uns..
Von wegen sofort auf Station.. Aufnahme ist nur über die Notaufnahme möglich ..diese war total überlastet..jeder Neuankömmling bekam sofort gesagt Wartezeit mindestens 3 Std.und so warteten wir mit einer total schwachen 87 jäh.im Gang bis sich etwas tat..
Ergebnis: nach 3 Std.sah die Ärztin keinen Grund zur Aufnahme..Patient wurde mit 2 Antibiotika Tabletten entlassen..
Allerdings muss ich sagen die haben es auch nicht leicht in der Notaufnahme..50 % sind keine Notfälle in meinen Augen..Pillepalle für den Hausarzt!!
Hallo, Christa! Sie bringen noch ein anderes sehr großen Problem unseres Gesundheitssystems zur Sprache: Viele Leute gehen mit kleinen Wehwehchen in die Notaufnahme . Pillepalle für den Hausarzt?? UND WENN ES PILLEPALLE IST, ABER IMMER WENIGER HAUSÄRZTE AUF DEM LAND GIBT,DIE WEGEN SCHLECHTER BEZAHLUNG UND VOR ALLEM DEN ÜBERMÄCHTIGEN BÜROKRATISMUS NICHT MEHR PRAKTIZIEREN KÖNNEN ODER WOLLEN?
Was für ein Wahnsinn... Vor allem für die Angehörigen...
Und bei weitem kein Einzelfall... Selbst schon miterlebt, nur mit gutem Ausgang...
Kopf schütteln... Wahnsinn! Wahnsinn! Wahnsinn!
Hier gilt mein besonderes Mitgefühl den Hinterbliebenen.
In der Uniklinik in Würzburg landen zwar seltener, aber auch Nachts immer wieder Rettungshubschrauber. Hier würde mich also genau interessieren warum ein Flug nicht möglich gewesen sein soll ...
Diese kann man aus dem Artikel nicht herauslesen. Zudem gibt es nur sehr wenige Hubschrauber die nachts fliegen. Um genau zu sein hat in diesem Bereich nur ein Hubschrauber einen Zeitvorteil. Dieser muss dann aber erst Mal verfügbar sein. Es gibt mehr als einen Notfall gleichzeitig, manchmal ist der Hubschrauber eben einfach nicht möglich.
Und im übrigen auch nicht das Allheilmittel. Die Versorgungsmöglichkeiten im Hubschrauber sind sehr eingeschränkt, dass heißt wenn der Patient zu krank ist, muss er "bodengebunden" fahren.
Leider liefert der Artikel sehr wenig Aufklärung und beleuchtet das Thema sehr einseitig.
Es ist ein tragischer Verlust für die Familie, keine Frage, aber die Frage sollte sein was läuft im System falsch und nicht was hat der Einzelne falsch gemacht.
Wen ich mich recht erinnere war es ein Faschingsdienstag zirka 20 Uhr..Der Hubschrauber kam damals von Nürnberg..die Feuerwehren aus der Umgebung leuchteten den Sportplatz aus..
Wohin der Mann damals geflogen wurde weiß ich leider nicht mehr und was er hatte auch nicht..auch ob es damals schon die Wache in Burgsinn gab bin ich mir nicht sicher..auch die Ausstattung der heutigen RTW's ist vermutlich eine ganz andere als die damals..
Das Personal ist finde ich heute auch viel besser ausgebildet auf den RTW's..Notfallsanitäter gab es da noch nicht..HvO noch nicht erfunden..ohne den Sanis von damals Ihre Qualifikation abzusprechen zu wollen .. bin ich der Meinung unsere Sanis heute sind viel besser ausgebildet und können in einem solchen Fall auch ganz anders handeln..
Nichts testotrotz hätte Christina vielleicht überleben können mit einem anderen Notarzt..abgemeldet ist abgemeldet auch für sie..
Notärzte die dies ignorieren verstehe ich nicht..Da kommt das Gefühl hoch..Hauptsache der Patient ist nicht mehr in meinem Zuständigkeitsbereich..
Da stellt sich mir aber auch die Frage..ist diese Ärztin im RTW mitgefahren..oder hat sie die Sanis mit dem schweren Herzinfarkt alleine nach Lohr geschickt..
Aber wie bereits gesagt Christina wird davon auch nicht mehr lebendig.. Sie konnte ihr Rentnerleben leider nicht mehr genießen..
R.I.P. Christina..