
Die Idee zu einer Benefizveranstaltung im Stattkino für die aus der Ukraine in Lohr angekommenen Flüchtlinge hatten Richard und Renate Winter schon lange im Kopf. Dann stellte sich die Frage, welcher Film für ein solches Projekt geeignet wäre. Als sie Anfang Mai "Die Odyssee" gesehen hatten, war sofort klar: "Das ist der Film für so eine Aktion! Gutes tun und gleichzeitig einen wunderbaren Film genießen – besser geht es nicht", so Richard Winter.
Am 29. Juni – um 18 und um 20.15 Uhr – sind Filmfreunde in den Mehlingskeller zu einem ganz besonderen Kinoabend eingeladen.
Grundsätzlich werden regelmäßig die Einnahmen aus dem Programm des Lohrer Stattkinos für soziale Projekte gespendet. Da aber als Konsequenz aus den lange andauernden Corona-Einschränkungen und dem noch immer etwas zurückhaltenden Besucherverhalten bei Kulturveranstaltungen die Überschüsse geringer ausgefallen sind, bot sich die Idee einer Benefizveranstaltung an. Von den zehn Euro Eintrittspreis gehen bei diesem Kinoevent jeweils sechs Euro an die Lohrer Tafel. Dafür haben sich die Veranstalter gemeinsam nach einem Gespräch mit verschiedenen in der Flüchtlingshilfe Engagierten entschieden, weil sie überzeugt sind, hier am besten und direktesten helfen zu können.
Tafel stößt an Grenze
Außerdem ist die Lohrer Tafel als Folge der Flüchtlingswelle aus der Ukraine durch die stark steigende Zahl an Bedürftigen und die inzwischen knapper planenden Geschäfte fast an ihre Grenze gekommen. Über diese besondere Situation, die andere Tafeln in der Region teilweise noch härter trifft, wird Michael Donath, der Lohrer Leiter der Diakonie, vor der Filmaufführung das Publikum informieren. Er freut sich nicht nur über die zu erwartende Spende in dieser schwierigen Zeit, sondern sieht in diesem Projekt auch eine gern wahrgenommene Möglichkeit, die wichtige soziale Rolle der Tafel noch stärker bewusst zu machen und die Bürgerinnen und Bürger für dieses soziale Engagement zu sensibilisieren, das von vielen Ehrenamtlichen Woche für Woche geleistet wird.
Gezeigt wird an diesem Abend mit dem Film "Die Odyssee" ein Werk der Regisseurin Florence Miailhe, deren Familiengeschichte ebenfalls von Migration geprägt ist. Wie Tausende andere verließen ihre Urgroßeltern zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ihre Heimat Odessa. Sie waren auf der Flucht vor antisemitischen Pogromen, wie die Regisseurin in einem Interview schilderte. Sie wurde dadurch inspiriert, das Thema aufzunehmen und, wie die FAZ schreibt, "in unglaublich schönen Bildern vom Schrecken der Vertreibung und zwei Kindern auf der Flucht" zu erzählen. Die Geschwister müssen Odessa verlassen, werden von ihren Eltern getrennt und müssen ihren Weg alleine weiter gehen. Die beiden Kinder erleben dabei eine heldenhafte, poetisch erzählte Reise voller Gefahren, schließen neue Freundschaften, aber der Krieg und ihre Geschichte holen sie immer wieder ein. Doch sie werden allmählich erwachsen.
Film als Kunstwerk
Dies alles wird in einem in dieser Form bisher einmaligen Film erzählt, der aus handgemalten animierten Einzelbildern in Öl auf Glas entstanden ist, deren Motive die Regisseurin und Animationskünstlerin in Skizzen vorgegeben hatte. Insgesamt arbeitete sie mehr als zehn Jahre an diesem Filmprojekt. So wurde "Die Odyssee" zu einem einzigartigen Kunstwerk, das ein Kritiker angesichts des Krieges in der Ukraine und der weltweiten Auswirkungen auch als den "Film zur Stunde" bezeichnete.
Einerseits erhalten die Zuschauerinnen und Zuschauer einen Einblick in schreckliche Geschichten, die den Menschen während Vertreibung und Flucht widerfahren. Andererseits finden diese dunklen Erfahrungen ein glückliches Ende. So ist "Die Odyssee" auch ein mythisches "Märchen" – das in der deutschen Fassung von Hanna Schygulla erzählt wird und dessen Aktualität den Zuschauer tief berührt.