In der jüngsten Stadtratssitzung hatte Bürgermeister Michael Gram eine Information zur Verkehrssicherungspflicht von Bäumen an Wirtschaftswegen. Hintergrund ist ein Unfall, der am 26. Juli 2018 in Bergrothenfels auf dem geschotterten Weg des Holzplatzes geschehen ist. Hier fand ein Gerichtsprozess statt, dessen Rechtsprechung die Verkehrssicherungspflichtmaßnahmen der Stadt Rothenfels zukünftig stark beeinflussen wird.
Bei dem Unfall brach ein Ast eines Apfelbaumes ab, beziehungsweise hat dieser beim Abbrechen den kompletten Stamm gespalten und wurde, wie es der Sachverständige bezeichnet hat, in Richtung Weg abgesprengt. Durch dieses Absprengen ist das Endes des Astes bis auf den Weg gefallen. Der Stamm des Apfelbaumes steht vier Meter vom Anfang des Weges entfernt.
Versicherungskammer lehnte Schadenszahlung ab
Im Moment des Absprengens sind zwei Brüder gemeinsam auf einem Kleinkraftrad vorbei gefahren und der Ast ist genau zwischen die beiden gefallen. Dadurch fielen sie vom Kleinkraftrad und erlitten leichte Verletzungen. Am Kleinkraftrad entstand ein Schaden, der vom Kläger mit 1800 Euro angegeben wurde. Die Stadt als Eigentümer der Holzplätze steht in der Haftung.
Für solche Schadensfälle ist die Stadt versichert. Das heißt, wenn ein Verschulden der Stadt vorliegt, zahlt die Versicherungskammer. Kommt die Versicherung aber zu dem Schluss, dass kein Verschulden der Stadt vorliegt, zahlt sie nicht. Die Kommune selbst darf von sich aus keinen Schaden regulieren, auch nicht, wenn der Stadtrat es so beschließen würde.
Im genannten Fall kam die Versicherung zur Einschätzung, dass es sich hier um ein seltenes Schadensereignis handelt. Der Baum stand zudem im Außenbereich auf einem wenig frequentierten Schotterweg. Die Versicherungskammer sah hier kein Verschulden der Stadt und lehnte eine Schadenszahlung ab.
Kläger ging vor Oberlandesgericht in Revision
Dies führte dazu, dass Klage gegen die Stadt erhoben wurde. Es kam im Jahr 2019 zur Verhandlung beim Landgericht Würzburg. Das Landgericht hat damals die Klage ganz klar abgewiesen. "Der Richter hat damals wortwörtlich gesagt: Die Stadt Rothenfels hat sogar Baumkontrollen durchgeführt. Was soll die Kommune denn noch tun?", so Gram.
Die Kläger gingen dann in Revision vor dem Oberlandesgericht Bamberg. Dort ging es dann im Wesentlichen um Astlängen, Standorte und theoretische Schäden am Baum, die praktisch nicht nachgewiesen werden konnten. Es wurde ein Sachverständigengutachten anhand von Unfallbildern und des Reststumpfes erstellt. Der Ast selbst war nach zwei Jahren bereits zu Brennholz verarbeitet. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass Schäden vorhanden waren, die man hätte erkennen müssen.
Unter Berücksichtigung der ganz überwiegenden Haftung der Stadt bewertete der Senat die Schmerzensgeldforderung mit 750 Euro und den Schaden des Klägers mit 1700 Euro. Die Anwälte der Versicherungskammer der Stadt Rothenfels empfehlen am genannten Vergleich festzuhalten. Im Falle eine Widerrufs wird der Senat der Klage vermutlich ganz überwiegend stattgeben.
Vergleich hat Auswirkungen auf das Handeln für die Zukunft
Im Falle einer Entscheidung ist nicht ausgeschlossen, dass der Senat allgemeine Ausführungen zur Verkehrssicherungspflicht von Bäumen entlang von Wirtschaftswegen trifft, die möglicherweise für zukünftige Schadensfälle zu Lasten aller Kommunen gehen könnten. Das solle aus Sicht der Versicherungskammer vermieden werden.
"Mit diesem Vergleich ist das Gerichtsverfahren abgeschlossen, trotzdem hat diese Sicht der Rechtsprechung massive Auswirkungen auf unser Handeln für die Zukunft", informierte Gram. Als Folge dieser Rechtsprechung wurden bereits einige vorgeschädigte Bäume am Holzplatz gefällt. Im Oktober werden eine ganze Reihe von Bäumen folgen müssen.
"Ich behandle das Thema deshalb so ausführlich, damit der Stadtrat und unsere Bürger wissen, warum künftig mehr Bäume gefällt werden. Das gefällt mir persönlich auch nicht, aber wenn man im Gericht sitzt und hört wie theoretisch, meiner Meinung nach, völlig an der Realität vorbei, die Richter und Anwälte hier mit Prüf- und Überwachungsvorschriften um sich werfen, bleibt einem leider nichts anderes übrig", so Gram.
Angebote für Baumkataster werden eingeholt
Die Stadt Rothenfels hat wie jede andere Kommune auch zahlreiche Bäume im Außenbereich, die sogar direkt neben den Wegen stehen. "Sollen wir jetzt für jeden Baum einen Baumexperten holen? Wer soll das bezahlen", fragt sich Gram.
Auch im Kreise der Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld wurde über das Urteil gesprochen. Die erste Maßnahme ist, dass Angebote eingeholt werden, was ein Baumkataster im Innenbereich der Ortschaften mit regelmäßigen Überprüfungen kosten wird. Es muss künftig sorgsam abgewogen werden, ob man das Risiko eingehen kann, Bäume an Wegen stehen zu lassen ohne sich einer möglichen Verkehrssicherungspflichtverletzung schuldig zu machen.