Lange Jahre Leiter des berühmten Eichen-Reviers Rohrbrunn, manche Forstreform erlebt, die Nationalpark-Debatte obendrein: Seit 1981 hat Förster Edwin Spahn im Spessart gewirkt. Vor kurzem ist er in Ruhestand gegangen. Unser Medienhaus sprach mit ihm über sein Berufsleben und seine Erlebnisse.
Da bin ich geteilter Meinung. Förster ist ein Beruf, bei dem man im Wald viel bewegen kann – wenn man für die Natur etwas übrig hat. Wichtig ist: Als Förster bin ich Dienstleister des Walds, der den Bürgern gehört. Meine Erfahrung lehrt mich: Man kann viel erreichen, wenn man nicht gleich jedes Wort der Vorgesetzten blind umsetzt, sprich die Vorgaben für die eigene Arbeit im Wald hinterfragt. Da braucht es eine gewisse Gelassenheit. Das kostet auch Kraft. Aber: Ich war bis zu meinem letzten Arbeitstag mit Leib und Seele Förster. Meine Leidenschaft war die Eichenwirtschaft und der Wegebau mit Pflege.
Bei Forstreformen geht es meistens um Einsparungen und ums Geldverdienen. So wurden beispielsweise die Forstreviere im Spessarter Staatswald vergrößert, von im Schnitt 1000 auf 1800 Hektar. Das ist sehr viel! Das kann ein Förster eigentlich gar nicht schaffen. Außerdem bräuchten wir generell mehr Förster. Dazu der vermehrte Einsatz von Holzerntemaschinen im Wald. Alle 30 Meter eine Gasse, um mit Maschinen Holz ernten zu können. Das ist der modernen Forstwirtschaft geschuldet. Insofern ist an der Kritik was dran. Aber…
Wie die Kritik geübt wurde – das war nicht in Ordnung. Plakativ. Unsachlich. Man hat die Kritik an einzelnen Fehlern in der Waldarbeit aufgehängt, etwa an einem verschlammten Weg nach einer Holzabfuhr. Bei einer Eichelsaat, wie sie im Spessart seit Jahrhunderten praktiziert wird, von einem Kahlschlag zu sprechen, ist einfach unsachlich. Man hat die Leute im Spessart aufgewiegelt und die Arbeit der Förster schlecht geredet. Nur noch so viel: Wir hätten heutzutage doch nicht einen so schönen Spessart, dem Fachleute, Politiker und Naturschützer ja Nationalpark-Qualität bescheinigt haben, wenn sich nicht Generationen von Förstern um ihn gekümmert hätten. Es gab im Spessart noch nie so viele alte und starke Buchen wie derzeit. Ja was jetzt? Raubbau an der Natur – oder nationalparktauglich? Beides geht ja wohl nicht.
Ich sehe keinen Vorteil durch die Reform. Sie hat uns viel Bürokratie gebracht. Die Reviere sind zu groß. Früher hieß es bei der Durchforstung einer Waldabteilung: früh, mäßig, oft. Jetzt ist es so: Der Wald wird maschinengerecht umgebaut. Der ökonomische Aspekt wird stärker betont. Das wiederum bedeutet: Man geht mit den Maschinen sehr früh rein in die jungen Wälder. Dabei müsste man dem Wald mehr Zeit geben, sich zu entwickeln. Aber das ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht so einfach. Kosten minimieren, Holzzuwachs optimieren – das steht zu sehr im Vordergrund.
Baumarten, die dem Klimawandel widerstehen. Eichen. Buchen, die sich im Spessart von selbst fortgepflanzt haben und dadurch genetisch an die Region angepasst sind. Also keine Buchenpflanzen von auswärts. Auch die Douglasie halte ich für geeignet. Dazu Edelkastanie, Kirsche im Verbund mit der Eiche. Da sind wir im Spessart auf einem guten Weg.
Ach, Naturschutz habe ich in meinem Revier schon in den 80er und 90er-Jahren gemacht. Nach dem Sturm Wiebke 1990 zum Beispiel habe ich Eichengiebel im Wald liegenlassen – als Totholz für Pilze, Insekten und so weiter. Das hat mitunter aber den Schädling Eichenprachtkäfer angelockt. Was wir derzeit im Spessart noch an Alt-Eichen um die 400 Jahre haben, ist ja nur ein Rest. Alte Eichen wurden bis Mitte der 1990er-Jahre systematisch geerntet und zu Geld gemacht. Das war damals die herrschende Forstpolitik. Mein größter Erfolg war, dass die Waldabteilung Eichhall nach über zehn-jährigem Kampf unter Schutz gestellt wurde. Dazu habe ich während meiner Dienstzeit viele Biotope angelegt für Amphibien, Kröten, Schwarzspecht.
Ein Spessarter Nationalpark wäre doch absolut übertrieben gewesen. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Der Nationalpark hätte bedeutet, dass man jährlich auf 100 000 Festmeter Holz verzichtet. Wie hätte man diese Lücke gestopft? Mit Holz aus Urwäldern, aus Russland, Kanada und Brasilien? Aus nicht nachhaltiger Forstwirtschaft? Dazu lange Transportwege? Da habe ich als Förster einen anderen Blick auf die Sache als vielleicht die Naturschutzorganisationen.
Das ist doch überzogen: ein Eichenzentrum für 26 Millionen Euro. Eine kleine Waldakademie mit Bildungscharakter kann ich mir dort durchaus vorstellen. Aber doch nicht für diese Summe. Sinnvoller wäre es, das Geld in den Spessartwald zu stecken. In die Wege, in den Waldbau. Und: weg von der Gewinnorientierung, wobei die Förster schon immer wirtschaftlich gearbeitet haben. Gerade die Wege – sie gehören sofort repariert, wenn sie etwa bei der Holzabfuhr beschädigt wurden, sie gehören ordentlich gepflegt, damit die Leute sie nutzen können. Das würde auch das Image von uns Förstern verbessern. Das kostet aber extrem viel Geld. Zudem kann man Gewinn nicht nur mit dem Abliefern von Millionen Euro an den Finanzminister deklarieren. Da wären noch die Faktoren Wasserversorgung, Erholung, Waldbaden und so weiter. Doch hier liegt die alleinige Verantwortung bei den Politikern - die erstellen die Vorgaben für die Bewirtschaftung des Waldes.
Mehr Ruhe. Dazu ein bisschen mehr Zurückhaltung bei der Forstwirtschaft, bei den Vorgaben der Politik, damit sich der Spessartwald weiterhin gut entwickeln kann. Ich wünsche dem Spessart eine schonende Waldwirtschaft. Dieser Eichen-Buchen-Laubwald ist doch traumhaft schön. Nur ein Beispiel: von Hain bis Lohr durchgehend Wald – das gibt es in Deutschland sonst nirgendwo.