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Wombach
Ein Schuss und sein Nachhall
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 29.03.2021 02:15 Uhr

Dieser Schuss hatte nicht nur im Wortsinn einen gehörigen Nachhall: Am ersten Juni-Wochenende 2020 war eine Gewehrkugel in der Wombacher Grundschule eingeschlagen. Das Projektil durchschlug die Scheibe eines Klassenzimmers und lag dort am Boden, als am Montag die Schule begann. Das Szenario sorgte so nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für einige Aufregung unter Schülern und im Ort. Die Kriminalpolizei übernahm die Ermittlungen. Mittlerweile ist der Fall geklärt. Das ergab die Nachfrage der Polizei bei der Staatsanwaltschaft Würzburg.

Demnach stammte der Schuss aus dem Gewehr eines Jägers, der am Wombacher Ortsrand spät am Abend in den Boden schoss, um Wildschweine von einem Kartoffelacker fernzuhalten. Die Kugel verschwand jedoch nicht im Boden, sondern prallte offenbar auf einen Stein und landete schließlich als Querschläger in der Schule. Bis der Vorgang so rekonstruiert war, dauerte es freilich einige Tage.

Denn die Kriminalpolizei hatte bei ihren Ermittlungen zunächst eine andere Vermutung zum Hergang. Anhand des Durchschusses der Scheibe und dem Auffindeort des Geschosses hatte ein Ballistiker versucht, den möglichen Abschussort der Kugel zu lokalisieren. Er kam zu der Annahme, dass der Schuss in fast zwei Kilometern Entfernung auf der Sendelbacher Seite des Mains im Bereich des Schützenhaueses abgegeben worden sein könnte.

Unerwartete Wendung

Jedoch nahmen die Ermittlungen einige Tage später eine unerwartete Wendung. Da meldete sich der Wombacher Jagdpächter bei der Polizei. Er schilderte seine Vermutung, wonach die in der Schule gefundene Kugel aus dem Gewehr eines seiner Mitjäger stammen könnte. Gemeinsam sei man an einem Abend des betreffenden Wochenendes im Bereich des Wombacher Ortstrandes angesessen, um Wildschweine von einem Kartoffelacker fernzuhalten. Als sich die Wildschweine spät am Abend tatsächlich dem Acker genähert hätten, habe ein Mitjäger einen Schuss in den Boden abgegeben und die Rotte so erfolgreich vertrieben, so die Schilderung des Jagdpächters.

Die danach veranlasste Untersuchung durch einen Gutachter ergab tatsächlich, dass die in der Schule gefundene Kugel aus dem Gewehr des Mitjägers stammte. Die Kriminalpolizei meldete ihre Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft Würzburg. Diese, so teilt die Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken auf Anfrage der Redaktion mit, habe das Verfahren gegen den Schützen eingestellt, da sie kein strafbares Handeln habe erkennen können. Laut Polizeisprecher Andy Laacke hat der Jäger nach Überzeugung der Ermittlungsbehörden "alles richtig gemacht".

Jäger sind in ihrem Revier grundsätzlich zur Abgabe von Schüssen berechtigt. Darüber, ob Schüsse in den Boden zum Zwecke der Wildschweinvergrämung gängige Praxis sind, gehen die Ansichten in Jägerkreisen allerdings auseinander. "Bewusst in den Boden zu schießen, ist Humbug", sagt Stephan Amend, Vorsitzender der Kreisgruppe Lohr des Bayerischen Jagdverbandes (BJV). Solche Schüsse seien eben wegen der Gefahr von Querschlägern gefährlich.

Eher seltene Praxis

Wie Amend hat auch Helmut Krebs, Leiter des vom BJV in Lohr regelmäßig angebotenen Ausbildungskurses für angehende Jäger, noch keine Schüsse in den Boden abgegeben, nur um Wildschweine zu vertreiben. Dies sei zwar "nicht gängige Praxis", in bestimmten Fällen aber auch "nicht abwegig", erklärt Krebs, beispielsweise dann, wenn eine Bache, also ein weibliches Wildschwein, mit Frischlingen in einem Feld Schaden anrichte und vertrieben werden soll.

Auch der Frammersbacher Jochen Raue, unterfränkischer Vorsitzender des Ökologischen Jagdvereins (ÖJV), hält einen Schuss in den Boden zum Vertreiben von Wildschweinen für nicht unüblich. Allerdings könne ein Projektil, das dabei auf einen Stein treffe, als Querschläger vier Kilometer weit fliegen, unterstreicht Raue. Er sagt: "Ein gewisses Restrisiko bleibt immer."

Laut Jägerausbilder Krebs sind solche Fälle, in denen ein Querschläger eine gänzlich andere Richtung nimmt, ausgesprochen selten. "Aber manchmal geht es auch mal dumm."

Die Polizei vermeldete im Juni 2020 direkt nach dem Vorfall an der Wombacher Schule, dass keine Gefahr für Personen bestanden habe, was manch einer angesichts der Lage der Schule am Ortsrand anders gesehen haben dürfte. Für den Jäger, der den Schuss abgegeben hatte, hat der Fall jedoch keine rechtlichen Konsequenzen.

Schaden beglichen

Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, da es im Strafrecht keine fahrlässige Sachbeschädigung gibt. Den am Schulgebäude entstandenen Schaden in Höhe von laut Polizei mehreren hundert Euro hat der Jäger nach Angaben der Stadt Lohr beglichen. Somit sind auch die materiellen Folgen des Schusses gewissermaßen verhallt.

Waffenrecht und Zahlen zum Waffenbesitz in Main-Spessart

Da die Staatsanwaltschaft Würzburg in dem von einem Jäger verursachten Querschläger, der in der Wombacher Grundschule einschlug, kein strafbares Handeln sieht, hat sie auch das Landratsamt Main-Spessart nicht eingeschaltet. Dieses wäre im Fall von Verstößen gegen das Waffen- oder Jagdrecht zuständigdafür, einem Jäger oder Sportschützen den Jagdschein beziehungsweise die Erlaubnis zum Waffenbesitz zu entziehen. Das im Gesetz definierte Kriterium dafür ist die sogenannte Zuverlässigkeit. Im Bundesjagdgesetz und im Waffengesetz steht dazu, dass eine Person diese Zuverlässigkeit nicht besitzt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendet, nicht vorsichtig und sachgemäß damit umgeht oder sie nicht sorgfältig verwahrt. So kann ein Jäger seinen Jagdschein verlieren, wenn er in seinem Revier oder andernorts mit geladener Waffe im Auto unterwegs ist oder seine Waffen zuhause nicht gemäß den Vorschriften in einem Tresor verstaut hat. Auch wenn ein Jäger wegen Delikten, die nicht im Zusammenhang mit der Jagd stehen, beispielsweise zu einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt wurde, kann ihm der Jagdschein entzogen werden. Nach Angaben seiner Pressestelle hat das Landratsamt Main-Spessart in den vergangenen fünf Jahren je einem Jäger und einem Sportschützen den Jagdschein beziehungsweise die Erlaubnis zum Waffenbesitz entzogen. In beiden Fällen seien waffen- oder jagdrechtlichen Verstöße nicht die Ursache gewesen, sondern andere Vergehen. Generell lasse sich sagen, so die Behörde, dass in der Mehrzahl Verurteilungen, beispielsweise wegen Trunkenheit im Verkehr oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, der Grund für den Entzug von Jagdschein oder Waffenbesitzerlaubnis seien. Im Landkreis Main-Spessart gibt es nach Angaben des Landratsamtes aktuell 1191 Inhaber eines gültigen Jagdscheins und 3912 Inhaber einer Waffenbesitzerlaubnis. Die Zahl der erlaubnispflichtigen Waffen im Landkreis beziffert die Behörde auf 16985. Auf Sportschützen entfallen demnach 4777 Waffen, auf Jäger 8606 Waffen.
Quelle: JOUN
 
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