Dieser Schuss hatte nicht nur im Wortsinn einen gehörigen Nachhall: Am ersten Juni-Wochenende 2020 war eine Gewehrkugel in der Wombacher Grundschule eingeschlagen. Das Projektil durchschlug die Scheibe eines Klassenzimmers und lag dort am Boden, als am Montag die Schule begann. Das Szenario sorgte so nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für einige Aufregung unter Schülern und im Ort. Die Kriminalpolizei übernahm die Ermittlungen. Mittlerweile ist der Fall geklärt. Das ergab die Nachfrage der Polizei bei der Staatsanwaltschaft Würzburg.
Demnach stammte der Schuss aus dem Gewehr eines Jägers, der am Wombacher Ortsrand spät am Abend in den Boden schoss, um Wildschweine von einem Kartoffelacker fernzuhalten. Die Kugel verschwand jedoch nicht im Boden, sondern prallte offenbar auf einen Stein und landete schließlich als Querschläger in der Schule. Bis der Vorgang so rekonstruiert war, dauerte es freilich einige Tage.
Denn die Kriminalpolizei hatte bei ihren Ermittlungen zunächst eine andere Vermutung zum Hergang. Anhand des Durchschusses der Scheibe und dem Auffindeort des Geschosses hatte ein Ballistiker versucht, den möglichen Abschussort der Kugel zu lokalisieren. Er kam zu der Annahme, dass der Schuss in fast zwei Kilometern Entfernung auf der Sendelbacher Seite des Mains im Bereich des Schützenhaueses abgegeben worden sein könnte.
Unerwartete Wendung
Jedoch nahmen die Ermittlungen einige Tage später eine unerwartete Wendung. Da meldete sich der Wombacher Jagdpächter bei der Polizei. Er schilderte seine Vermutung, wonach die in der Schule gefundene Kugel aus dem Gewehr eines seiner Mitjäger stammen könnte. Gemeinsam sei man an einem Abend des betreffenden Wochenendes im Bereich des Wombacher Ortstrandes angesessen, um Wildschweine von einem Kartoffelacker fernzuhalten. Als sich die Wildschweine spät am Abend tatsächlich dem Acker genähert hätten, habe ein Mitjäger einen Schuss in den Boden abgegeben und die Rotte so erfolgreich vertrieben, so die Schilderung des Jagdpächters.
Die danach veranlasste Untersuchung durch einen Gutachter ergab tatsächlich, dass die in der Schule gefundene Kugel aus dem Gewehr des Mitjägers stammte. Die Kriminalpolizei meldete ihre Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft Würzburg. Diese, so teilt die Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken auf Anfrage der Redaktion mit, habe das Verfahren gegen den Schützen eingestellt, da sie kein strafbares Handeln habe erkennen können. Laut Polizeisprecher Andy Laacke hat der Jäger nach Überzeugung der Ermittlungsbehörden "alles richtig gemacht".
Jäger sind in ihrem Revier grundsätzlich zur Abgabe von Schüssen berechtigt. Darüber, ob Schüsse in den Boden zum Zwecke der Wildschweinvergrämung gängige Praxis sind, gehen die Ansichten in Jägerkreisen allerdings auseinander. "Bewusst in den Boden zu schießen, ist Humbug", sagt Stephan Amend, Vorsitzender der Kreisgruppe Lohr des Bayerischen Jagdverbandes (BJV). Solche Schüsse seien eben wegen der Gefahr von Querschlägern gefährlich.
Eher seltene Praxis
Wie Amend hat auch Helmut Krebs, Leiter des vom BJV in Lohr regelmäßig angebotenen Ausbildungskurses für angehende Jäger, noch keine Schüsse in den Boden abgegeben, nur um Wildschweine zu vertreiben. Dies sei zwar "nicht gängige Praxis", in bestimmten Fällen aber auch "nicht abwegig", erklärt Krebs, beispielsweise dann, wenn eine Bache, also ein weibliches Wildschwein, mit Frischlingen in einem Feld Schaden anrichte und vertrieben werden soll.
Auch der Frammersbacher Jochen Raue, unterfränkischer Vorsitzender des Ökologischen Jagdvereins (ÖJV), hält einen Schuss in den Boden zum Vertreiben von Wildschweinen für nicht unüblich. Allerdings könne ein Projektil, das dabei auf einen Stein treffe, als Querschläger vier Kilometer weit fliegen, unterstreicht Raue. Er sagt: "Ein gewisses Restrisiko bleibt immer."
Laut Jägerausbilder Krebs sind solche Fälle, in denen ein Querschläger eine gänzlich andere Richtung nimmt, ausgesprochen selten. "Aber manchmal geht es auch mal dumm."
Die Polizei vermeldete im Juni 2020 direkt nach dem Vorfall an der Wombacher Schule, dass keine Gefahr für Personen bestanden habe, was manch einer angesichts der Lage der Schule am Ortsrand anders gesehen haben dürfte. Für den Jäger, der den Schuss abgegeben hatte, hat der Fall jedoch keine rechtlichen Konsequenzen.
Schaden beglichen
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, da es im Strafrecht keine fahrlässige Sachbeschädigung gibt. Den am Schulgebäude entstandenen Schaden in Höhe von laut Polizei mehreren hundert Euro hat der Jäger nach Angaben der Stadt Lohr beglichen. Somit sind auch die materiellen Folgen des Schusses gewissermaßen verhallt.