Der Wilderer Johann Adam Hasenstab ist eine Legende. Er hat es im 18. Jahrhundert geschafft, mehr als 30 Jahre lang im Spessart zu wildern und der Obrigkeit immer wieder zu entschlüpfen. Schließlich wurde er vor 250 Jahren, im Jahr 1773, bei Schollbrunn erschossen und in Bischbrunn beerdigt. Schon zu Lebzeiten war der in Rothenbuch geborene "Robin Hood des Spessarts", wie er bereits im 19. Jahrhundert genannt wurde, ein Volksheld.
Er brachte das unerlaubt erlegte Wildbret unters Volk, war Helfern gegenüber großzügig und schützte aus Sicht der Bevölkerung durch seine Wilderei die Äcker der armen Spessartbauern vor Wildschäden. Nun hat der Rothenbucher Peter Placke nach eineinhalb Jahren Arbeit ein neues Buch über Hasenstab geschrieben: "Wilderermythos Johann Adam Hasenstab". Dieses wird am Donnerstag, 21. November, in der Pfarrscheune in Rothenbuch präsentiert.
Erstmalig alle Archivinformationen zu Hasenstab ausgewertet
Placke, der als promovierter Physiker bei Rexroth in Lohr arbeitet, interessierte einerseits, wie es kommt, dass dem berüchtigten Wilderer Hasenstab heute etwa in Rothenbuch Denkmäler gesetzt werden. Andererseits will er in seinem Buch Wahrheit von Sagen trennen, wie er im Gespräch mit der Redaktion sagt. Was lässt sich bezüglich Hasenstab wirklich durch Aufzeichnungen belegen? Der Autor beansprucht für sich, dafür nun erstmalig alle in Archiven mit Hasenstab in Verbindung stehenden Informationen ausgewertet und die gesamten Erkenntnisse strukturiert zusammengestellt zu haben.
Er legt in seinem Buch dar, dass die Mythen rund um Hasenstab erst etwa um 1870, also fast 100 Jahre nach seinem Tod, allein aus mündlichen Überlieferungen notiert wurden. Auch in seinem bekannten Buch "Des Spessarts Erzwilddieb Johann Adam Hasenstab" habe Heinz Staudinger vor allem Sagen, die sich nicht belegen ließen, zusammengestellt. Staudinger habe aber auch mit großer Ausdauer in Archiven gewühlt. Manches Legendenhafte könnte so gewesen sein, lasse sich aber nicht belegen, sagt Placke. Schon viele hätten etwa vergeblich versucht nachzuweisen, dass Hasenstab im Kloster Bronnbach als Jäger angestellt war, habe er vom Staatsarchiv Wertheim gehört.
Nicht viele Quellen sind erhalten geblieben
Tatsächlich sind es nicht viele erhalten gebliebene Quellen, die über Hasenstab Auskunft geben können, hat Placke herausgefunden. Vieles, wie die Verhaftungen, sei heute nur noch indirekt nachweisbar. Etwas verwirrend ist, dass sein Sohn, der genauso hieß, auch wilderte und dass es Mitte des 19. Jahrhunderts noch einen Wilderer gleichen Namens in Frammersbach gab. Das Rothenbucher Taufregister gibt Auskunft über Hasenstabs Geburt am 21. September 1716. Im Sterberegister von Stadtprozelten steht, dass er am 3. Juni 1773 erschossen wurde. In der Stadtprozeltener Kellereirechnung sind zudem die Kosten für die sehr feierliche Beerdigung "des berühmten Wildschützens" Hasenstab aufgeführt.
Belegt ist, dass Hasenstab in Mainz einst aus dem Zuchthaus ins Ausland nach Hasloch, damals Grafschaft Wertheim, an der Grenze zur Kurmainz, floh, wo er mit Frau Anna Margaretha und Kind bei einer Witwe lebte. Angeblich hat man ihm ein Bett aus dem Pfarrhaus zukommen lassen. Logistisch habe Hasloch besser gelegen als Schollbrunn, wo er auf Mainzer Gebiet wilderte und das näher an der Landesgrenze lag, so Placke.
Ein Kontaktverbot zu Hasenstab habe die Bevölkerung ignoriert, ein Wilderer war für sie kein Verbrecher. Offenbar war auch der evangelische Haslocher Pfarrer Striffler, der den Hasenstab und seine Frau 1743 in seinem Wohnzimmer evangelisch getraut hatte, ein Abnehmer.
"Johann Adam Haaßenstaub – Wildmeister über den ganzen Speßart"
Einem Wertheimer Trupp Soldaten entkam er im Januar 1751, weil er gewarnt worden war. Protokolle von den Verhören Haslocher Bürger sind erhalten geblieben. In einem in Kopie erhaltenen Brief Hasenstabs, in dem er die Freilassung seiner in Wertheim arrestierten Frau und seinem Kind verlangt und dem Forstmeister andernfalls mit dem Tod droht, unterschrieb er mit "Johann Adam Haaßenstaub Wildmeister über den ganzen Speßart". Hasenstab machte aber keine Befreiungsversuche, seine Frau wurde des Landes verwiesen.
Einige Jahre lang gab es in den Akten keine Kunde von Hasenstab. Im Juni 1757 dann schrieb die Regierung von Mainz, dass er wieder einmal, diesmal von der Mainzer Festung, geflohen sei. In einem Steckbrief gibt es weitere Informationen zu Hasenstab. So hinke er durch einen am rechten Fuß abbekommenen Schuss, habe schwarze, krause Haare und sein von kurzer Statur und mager. Danach wurde der für "vogelfrei" Erklärte erst bei seiner Erschießung 1773 durch den Förster Johann Sator wieder aktenkundig.
Hasenstabs Australien-Verschleppung ist wohl nur eine Sage
In den Bereich der Sage verortet Placke, dass Hasenstab einst nach Australien verschleppt wurde. Hier vertrete er dieselbe Meinung wie die im Juli verstorbene Kreisheimatpflegerin Monika Schmittner aus Goldbach: "höchst unwahrscheinlich". Den bei Staudinger zitierten Brief eines Mainzer Hofrats an den Amtskeller von Lohr, angeblich datiert auf den 27. Oktober 1772, der eine Verbannung nach Australien belegen sollte, konnte er jedenfalls nicht finden. Und Staudinger habe die Unterlagen für sein Buch nicht mehr, so Placke.
Er habe alle denkbaren Archive angefragt, ob sie etwas über Hasenstab haben. Aber womöglich gebe es weitere Belege, die bisher nicht bekannt sind. So habe Placke erst nach Abschluss seines Buchs erfahren, dass Hasenstab und seine Frau im Raum Aschaffenburg offenbar noch einmal katholisch getraut wurden. "Das ist natürlich sehr, sehr spannend, warum lässt er sich zweimal trauen?" So ein Fund sei wie die Nadel im Heuhaufen.
Software zum Transkribieren, KI zur Erstellung von Bildern
Beim Transkribieren der alten Dokumente nutzte Placke eine Software als Unterstützung. "Damit kriegt man vielleicht so 80 bis 85 Prozent des Textes übersetzt", meint er. Es bleibe immer noch eine Menge Arbeit. Von Hasenstab ist keine Abbildung erhalten. Um sein Buch für die Leserinnen und Leser anschaulicher zu gestalten, hat er den Wilderer und sein Umfeld mit einem KI-Programm in Bild und sogar für einen kleinen Film auferstehen lassen.
Ein steinernes Kreuz im Kropfbachtal markiert bis heute die Stelle, an der Hasenstab zu Tode gekommen ist. Für Autor Placke zeigt die Tatsache, dass das Kreuz erhalten blieb, dass Hasenstab auch nach seinem Tod verehrt wurde.
Das Buch "Wilderermythos Johann Adam Hasenstab" kann über das Bürgerbüro der Gemeindeverwaltung Rothenbuch bestellt werden, Tel. (06094) 940-0.