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TRIEFENSTEIN
Ein langer Weg zur Einheit
Gebietsreform Vor bald 40 Jahren schlossen sich Homburg, Lengfurt, Trennfeld und Rettersheim zur neuen Gemeinde Triefenstein zusammen. Wie ist der Stand der „Integration“?
Das Kloster Triefenstein – Namensgeber und historisches Aushängeschild für die Einheitsgemeinde.
Foto: Günter Reinwarth | Das Kloster Triefenstein – Namensgeber und historisches Aushängeschild für die Einheitsgemeinde.
Günter Reinwarth
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:02 Uhr

Ein historischer Rückblick auf den „Triefensteiner Herbst“ im zweiten Halbjahr des Jahres 1977 lässt viele Erinnerungen an das Ringen um den künftigen Zuschnitt der heutigen Einheitsgemeinde lebendig werden. Es bedurfte vieler Geburtswehen, bis die Grenzen zwischen Bocksberg und Homburger Höhe neu gezogen wurden und letztlich der Wunsch der Regierung von Unterfranken und des Innenministeriums erfüllt wurde.

Was damals an den Bier- und Ratstischen diskutiert wurde, ist Schwarz auf Weiß in den Ortschroniken von Lengfurt und Trennfeld nachzulesen. So ist zum Beispiel in der 1978 erschienenen Lengfurter Chronik von großer Verbitterung und ohnmächtigem Zorn die Rede, weil die Selbstständigkeit eines blühenden Gemeinwesens aufgegeben werden musste. In der 1990 veröffentlichten Trennfelder Chronik befürchtet der Chronist, „dass die neue Gemeinde Markt Triefenstein große Probleme mit der Akzeptanz ihres Namens haben wird“.

Dass die Lokalpresse sich monatelang mit dem Thema Gemeindegebietsreform beschäftigte, liegt auf der Hand. Begriffe wie „Machtbesessenheit, Schiebung und Parteienfilz“ machten die Runde. Ein Urteil hat die Geschichte, wie nach der Entscheidung der Staatsregierung in der Lengfurter Chronik gemutmaßt wurde, noch nicht gesprochen.

Fiskalische Gründe machen heutzutage gelegentlich die Runde, von einem möglichen Anschluss Triefensteins an die Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld ist hie und da zu hören. Da ließe sich doch viel Geld sparen, man müsse doch in Lengfurt kein neues Rathaus bauen, sagen andere und schließen nicht aus, dass sich auch Personalkosten erheblich reduzieren ließen. Ob allerdings solche Überlegungen einer weiteren gesetzlichen Neuordnung standhalten würden, darf kritisch hinterfragt werden.

Was genau hat die politischen Gründerväter bewogen, die vier selbstständigen Kommunen Lengfurt, Homburg, Trennfeld und Rettersheim zu „vereinen“? Wie überall in Bayern sollten auch im südlichen Landkreis Main-Spessart die Verwaltungsstrukturen gebündelt werden. Ziel war es, die Leistungsfähigkeit der unteren Verwaltungsebene zu stärken. Im Freistaat verschwanden mit dem Abschluss der ungeliebten Gemeindegebietsreform 4911 Gemeinden von der Landkarte. Von ehemals 6062 selbstständigen Kommunen blieben gerade mal 2051 Verwaltungseinheiten übrig.

Wie in den Ortschroniken von Lengfurt und Trennfeld nachzulesen ist, wollten ursprünglich die Gemeinden Lengfurt, Homburg, Trennfeld und Rettersheim ihre politische Selbstständigkeit bewahren und eine Verwaltungsgemeinschaft bilden. Doch später votierten Homburg, Trennfeld und Rettersheim für eine Einheitsgemeinde. Der Grund: Für die freiwillige Aufgabe der Selbstständigkeit sollte Bares aus München fließen. Homburg sollte 504 000 Mark bekommen, nach Trennfeld sollten 225 000 Mark fließen und für Rettersheim waren 248 000 Mark vorgesehen. Die Gemeinde Lengfurt stimmte „auf dringende Empfehlung“ des Landratsamts diesem Vorschlag zu, um die Sonderzahlungen nicht zu gefährden.

Die Regierung wollte einer Kommune neuen Zuschnitts den Namen „Einheitsgemeinde Lengfurt“ geben.

Dass die Gemeinde Lengfurt aufgrund ihrer Größe und ihrer wirtschaftlichen Potenz einmal Sitz einer Einheitsgemeinde werden würde, das war in den Köpfen der Lokalpolitiker nie ein echter Streitpunkt gewesen. Die primäre Frage betraf letztlich die Namensgebung, über die man sich monatelang die Köpfe heiß redete. Vom Namen Lengfurt war aber plötzlich keine Rede mehr. Der Name Triefenstein sollte auf den Briefköpfen der neuen Kommune stehen. Dafür votierten Homburg, Trennfeld und Rettersheim sowie das Staatsarchiv.

Wie ist es nun heute vier Jahrzehnte nach der Entscheidungsfindung um die viel zitierte und von der Obrigkeit gewünschte Integration in Triefenstein bestellt? Fakt ist, dass sich über Jahrzehnte hinweg gewachsene Strukturen nicht per Verwaltungsentscheid von heute auf morgen verändern lassen.

Im Fußballsport tun sich die Vereine immer wieder schwer, eigene Nachwuchsteams auf die Beine zu stellen. Was zum Beispiel der Homburger Jugendleiter Wolfgang Väth prognostiziert hat, wird längst auf dem Rasen mit einem Spieleraustausch erfolgreich praktiziert. Dass allerdings junge Kicker in den nächsten Jahren bei einem „FC Triefenstein“ spielen, ist unwahrscheinlich.

Aktivitäten über die Ortsgrenzen hinweg werden seit Jahren auch im Tennis- und Tischtennissport beobachtet. Anders sieht es im Feuerlöschwesen aus. Hier wird von der Marktgemeinde nicht verschwiegen, dass zentrale Strukturen wünschenswert wären. Bei der Feuerwehrführung auf Kreisebene wird eine solche Regelung dagegen nicht mit Begeisterung aufgenommen.

Wie aber ist es um das Ortsteildenken aus der Sicht ehemaliger Kommunalpolitiker tatsächlich bestellt? Als Landrat Armin Grein, bald nachdem die Einheitsgemeinde aus der Taufe gehoben worden war, zu einer Visitation nach Triefenstein kam, waren in der Lokalpresse keine Lobeshymnen zu lesen. Grein sprach von einem jahrzehntelangen Prozess, was das Zusammenwachsen angeht.

Bürgermeister Jürgen Nolte, der zwölf Jahre im Amt war, urteilte über die ersten Jahre nach Entstehung der Einheitsgemeinde in der 2008 erschienenen Lengfurter Ortschronik: „Das Ortsteildenken war noch sehr ausgeprägt und machte die Arbeit im Gemeinderat nicht einfach.“ Später kommt aus seinem Munde die Einschätzung, dass aus einem anfänglichen Gegeneinander ein vernünftiges Miteinander geworden sei.

Und was sagt der jetzige Bürgermeister Norbert Endres zum Thema „Integration“? Das Zusammenwachsen sei da, es gebe aber noch viel zu tun. Man werde weiter dran arbeiten, versicherte Endres und verwies auf kulturell-historisch gewachsene Besonderheiten der einzelnen Ortsteile.

Etwas besser, aber noch nicht perfekt, ist die Beschilderung an den Straßen geworden, die „Schwarz auf Gelb“ auf die einzige Kommune im Landkreis Main-Spessart hinweist, die einen völlig neuen Namen erhalten hat. Mittlerweile werden da und dort auch die Ortsteile genannt. An der Nordring-Kreuzung in Marktheidenfeld ist korrekterweise zu lesen, wohin es nach „Triefenstein-Lengfurt“ geht.

Positive Signale hat man im Rathaus von der Autobahndirektion Nordbayern zum Thema „Ein Triefenstein“ erhalten. Wenn der Autobahnausbau fertig ist, darf die Gemeinde an der A 3 ein braunes Schild mit einer werblichen Aussage aufstellen. Allerdings müsse das „Angebot“ öffentlich zugänglich sein. Beim Schloss sei dies derzeit nicht der Fall. Ob das Thema „Wein“, zu dem zum Beispiel Homburg und Lengfurt historischen Bezug haben, in Frage kommt, müsse geprüft werden.

So ist es absolut richtig: Hier geht es in den Ortsteil Lengfurt der Einheitsgemeinde Triefenstein.
Foto: GÜNTER REINWARTH | So ist es absolut richtig: Hier geht es in den Ortsteil Lengfurt der Einheitsgemeinde Triefenstein.
 
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