Eine "One-Man-Show" bieten: Das wollte Thomas Stamm auf keinen Fall, betonte der frisch gebackene Bürgermeister nach seinen ersten 100 Tagen im Amt. Mittlerweile ist der 60-Jährige bereits ein gutes Jahr Chef im Rathaus. Viele Gelegenheiten, Bürger in der Öffentlichkeit zu treffen, hatte er nicht. Trotzdem ist er bei vielen Menschen präsent, sei es telefonisch, per Mail oder mit Maske auf Abstand. Die Main-Post Redaktion hat Vertreter aus Kultur, Wirtschaft und der Politik gebeten, zu beschreiben, wie sie Thomas Stamm erleben. Hier gab es viel Lob, aber auch Verbesserungsvorschläge.
Der Stadtratskollege:
Seit 25 Jahren ist Helmut Adam im Stadtrat Marktheidenfeld. Vor Helga Schmidt-Neder hat er schon Leonhard Scherg als Stadtoberhaupt erlebt. Vergleiche mit Stamm findet er allerdings schwierig. "Thomas Stamm hat seine ganz eigene, freundliche, kameradschaftliche Art, mit der er versucht, die Dinge in Einklang zu bringen", sagt er. Zudem sei der parteilose Stamm extrem fleißig, ein regelrechtes Arbeitstier. So sei es nicht ungewöhnlich, dass der Bürgermeister noch abends um 23 Uhr E-Mails verschickt. Auch hat er die Schlagzahl in puncto Stadtratssitzungen erhöht. "In den ersten vier Monaten dieses Jahres hatten wir so viele Sitzungen wie noch nie", so Adam. Für ihn ist das auch der Punkt, an dem Stamm aufpassen sollte: Wann ist es zu viel? Wann komme ich an die eigene Belastungsgrenze? Sein Wahlversprechen, Bürgermeister für alle zu sein, habe er bisher gehalten, findet Adam. "Thomas Stamm versucht es meist, allen recht zu machen", so der Altfelder CSU-Stadtrat. Das allerdings auf die Dauer durchzuhalten sei eine hohe Kunst und fast nicht möglich.
Die Werbegemeinschafts-Vorsitzende:
Die Pandemie und die Großbaustelle durch die Stadtmitte im Herbst 2020 haben es im letzten Jahr vor allem den Einzelhändlern und Gastronomen in Marktheidenfeld schwer gemacht. "Dennoch hat Thomas Stamm immer ein offenes Ohr für uns gehabt, sich immer Zeit für ein kurzes Telefonat genommen", sagt Géraldine Barrois, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Marktheidenfeld. Von sich aus habe er die Bevölkerung und die Firmen immer wieder gebeten, die Geschäfte und Gaststätten zu unterstützen. "Im Herbst bekommen wir eine finanzielle Unterstützung vom Stadtrat", so die Vorsitzende. In der Zusammenarbeit setze er auf den persönlichen Draht und den kurzen Dienstweg, um Sachen nach vorne zu bringen. "Marktheidenfeld liegt ihm sehr am Herzen, das spürt man", so Barrois.
Die Brauerei-Chefin:
Maria Martin, Chefin der Martinsbräu Marktheidenfeld, findet Thomas Stamm macht seinen Job unter den erschwerten Bedingungen sehr gut. "Wir haben ja nicht nur Corona als Problem, sondern auch Themen wie beispielsweise Wonnemar", so Maria Martin. Thomas Stamm sei sehr unaufgeregt und bedacht unterwegs, was sie persönlich sehr schätzt. Auch habe sie den Eindruck, dass durch seine ruhige, besonnene Art der Führung sich sowohl Verwaltung, als auch der Stadtrat in einem "guten Fahrwasser" befinden. "Er ist aus meiner Sicht ein Teamplayer und das ist gut so", so Martin.
Der Vereinsvorsitzende und Main-Anwohner:
"Ruhig, besonnen, keine Schnellschüsse und sehr interessiert an allen Themen", so beschreibt Thomas Lermann, Obermeister der Fischer- und Schifferzunft Marktheidenfeld, Bürgermeister Thomas Stamm. Sein Führungsstil sei so, wie er ihn auch als sportlicher Vorstand in der Rudergemeinschaft Marktheidenfeld gepflegt habe: "Thomas Stamm hat immer ein offenes Ohr, liest sich ein und managt die Dinge im schnellen und offenen Konsens", so Lermann. Aus seiner Sicht habe dieser 2020 ein besonders schweres Amt übernommen: Nicht nur Corona sei zu stemmen, auch gebe es viele Entscheidungen und Altlasten aus den Vorjahren, die nun aufschlagen und bereinigt werden müssten. Bei mittlerweile fünf Parteien sei es nicht so leicht einen mehrheitlichen Konsens zu finden. Noch nichts entschieden ist beim Thema Mainufergestaltung. Ein Thema, dass sowohl dem Fischer, als auch dem Main-Anwohner Lermann etwas im Magen liegt. Wenn er sich hier etwas vom Bürgermeister wünschen dürfte? Bloß keine neue Partyzone! "Verschönerung ja und ansonsten lasst es so wie es ist", so Lermann. Denn man dürfe nicht vergessen, dass hier ganzjährig Bürger wohnten.
Der Stadtratskollege und ehemalige Gegenkandidat:
Durchaus zufrieden mit der Arbeit des Ersten Bürgermeisters ist Holger Seidel. Als Mitglied der Freien Wähler sitzt er im Stadtrat, vor allem aber war er im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt 2020 Thomas Stamms Mitbewerber. Dass er Thomas Stamm deshalb kritischer sehe, kann er nicht behaupten, sagt er. Im Gegenteil, er vergibt viel Lob: "Thomas Stamm leitet die Sitzungen stets souverän, ruhig, sachlich, stringent und zielgerichtet", so Seidel. Auch die Chemie mit seinen Mitarbeitern scheine zu stimmen. Als Herausforderung für ihn sieht er allerdings die vielen Gruppierungen im neuen Stadtrat. "Hier möchte jeder gerne etwas sagen, dadurch ziehen sich die Sitzungen hin", erklärt er. Er wünscht sich hier einen zielführenderen Ablauf, eventuell auch mit klaren zeitlichen Vorgaben, was die Redezeit betrifft, und eine mit den Fraktionen abgestimmte Prioritätensetzung in den Themen. Was Stamms Wahlversprechen angeht, ist er nach Seidels Ansicht im Soll. Das Thema Mainufergestaltung sei in Bewegung, jetzt gelte es aber auch bei den Themen Wohnraum und Entwicklung des Lermann-Areals am Ball zu bleiben.
Der Künstler und Musiker:
Nur einmal kurz gesprochen und kennengelernt hat Berufsmusiker Tim Jäger aus Marktheidenfeld den neuen Bürgermeister. Seit dem habe es keine Berührungspunkte gegeben. "Wahrscheinlich hat er bei den momentanen Lage auch andere Sorgen", kommentiert Jäger. Insofern kann er Thomas Stamm auch schwer einschätzen. Was er aber kann und will, ist, seinen Wunsch an die Stadt und ihr Oberhaupt zu richten: Darin geht es um die lokale Künstlerförderung. Denn in dem Punkt passiere laut Jäger in Marktheidenfeld zu wenig. "Ich würde mir wünschen, dass die Stadt ihre lokalen Künstler mehr unterstützt", sagt er. Zum Beispiel, in dem sie bei ihren Veranstaltungen mehr auf heimische Künstler setzt, als große Namen einzukaufen. Zum anderen, in dem sie sich mehr bei lokalen Festen einbringt und den Künstlern bei der Ausrichtung unter die Arme greift. Konkret bedeute das für ihn: Mehr als nur einen Klowagen aufzustellen. "Wir haben viele Bands aus den unterschiedlichsten Genres in Marktheidenfeld und Umgebung", so Jäger. Das Potenzial sei also da.
Nix gemault ist genug gelobt