Sie ist die neueste unter den neuen Bürgermeistern im Raum Marktheidenfeld. Agnes Engelhardt ist seit einem Jahr im Amt.
Der Anlass war tragisch: Ihr Ehemann, Bürgermeister Joachim Engelhardt, verstarb plötzlich und unerwartet im April 2016; die Gemeinde Bischbrunn stand über Nacht ohne Oberhaupt da. Agnes Engelhardt nahm die Verantwortung an, kandidierte für seine Nachfolge und wurde ohne einen Gegenkandidaten mit über 97 Prozent gewählt.
Schwieriger Start, schnelle Einarbeitung
„Der Start war schwierig“, erinnert sich Engelhardt rückblickend, allerdings nicht, weil sie falsche Erwartungen ans Bürgermeisteramt gehabt hätte. „Das Problem war, dass viele wichtige Personen auf einmal im Urlaub waren. So musste sich die Neue in der Sommerpause 2016 ganz schnell auf die eigenen Füße stellen. „Am Anfang saß ich oft bis 3 Uhr nachts am Schreibtisch.“
Engelhardt wollte es von Beginn an richtig machen, sich ausführlich informieren, genau in Themen einarbeiten. Das muss so sein, denn nach ihrem Verständnis ist sie für ihre Bürger an sieben Tagen in der Woche da. „Ich lasse mich überall ansprechen und empfinde das auch nicht als schlimm. Das ist mein Job“, sagt sie mit großer Gelassenheit.
Engelhardts Terminplan ist klar strukturiert, hat aber bewusst „unbeplante Stunden“, wie sie es nennt. Die nutzt sie, um auf alle Eventualitäten reagieren zu können oder als Freiraum für sich selbst, wenn nichts „dazwischen“ kommt. „Hätte ich alles verplant, könnte ich nichts mehr einschieben“, sagt sie pragmatisch.
Hauptberuf auf 16 Wochenstunden reduziert
Die 50-Jährige hat für ihr Ehrenamt den Hauptberuf auf 16 Stunden in der Woche reduziert. Ihr Arbeitgeber, das Altfelder Bauunternehmen Lührs, hält ihr die Rückkehr in Vollzeit bis zur nächsten Kommunalwahl im Jahr 2020 offen, wofür sie dankbar ist. Bis dahin muss Engelhardt entscheiden: Tritt sie nochmals als Bürgermeisterkandidatin an oder kehrt sie in den Beruf zurück?
„So, wie es jetzt ist, kann ich definitiv nach 2020 nicht weitermachen“, sagt sie offen. Als ehrenamtliche Bürgermeisterin hätte sie erst nach zwölf Jahren einen Anspruch auf eine Altersversorgung. Das bedeutet, sie müsste 2020 und 2026 wiedergewählt werden, wenn sie auf ihren Beruf verzichten sollte. Ein Risiko für die alleinstehende Frau.
Dazu kommt, dass sie neben ihrer Teilzeittätigkeit und ihrem Ehrenamt noch einen dritten Job hat: „Zuhause habe ich keinen, der mir zuarbeitet“, bringt sie ihre Arbeit in Haus und Garten ins Spiel. So zieht die Bürgermeisterin selbstbewusst das Fazit: „Ich mache das Amt gern und gut, aber ich muss es nicht auf Biegen und Brechen machen.“
Unterstützung vom Bürgermeister-Kollektiv
Unterstützung erhält das Gemeindeoberhaupt von der Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld, in der sie fast täglich vorbeischaut, und von ihren Bürgermeister-Kollegen. „Wir sind ein sehr gutes Kollektiv“, bewertet Engelhardt das Verhältnis zu den anderen acht Rathauschefs; sie ist die einzige Frau. „Darüber sind wir froh und stolz darauf.“ Dass sich die Bürgermeister so gut verstehen, sei für sie ein Grund für ihre Kandidatur gewesen, gesteht sie. Denn sie habe die Kollegialität schon als Frau ihres Gatten erlebt.
Nicht nur in der VG, sondern in der ganzen Region scheiden sich die Geister, wenn es um einen Nationalpark Spessart geht. Engelhardt hat dazu eine klare Meinung, die sie sich durch akribisches Akten- und Gesetzesstudium erarbeitet hat: Ein Nationalpark, sagt sie, hätte viele Einschränkungen für die Gemeinde Bischbrunn mit sich gebracht. Das reiche von der verbotenen Entnahme von Trinkwasser und Holz bis zur Beschränkung möglicher künftiger Bau- und Gewerbegebiete. Deshalb hat sie auch nie an die Versprechungen aus München geglaubt, man könne den Nationalpark an die individuellen Bedürfnisse vor Ort anpassen. „Das ist in Bundesgesetzen geregelt.“ Daran komme niemand vorbei.
Klare Ablehnung des Nationalparks
Dass aus dem Nationalpark Spessart nun nichts wird, „allein dafür hat sich meine Amtszeit schon gelohnt“, sagt Engelhardt voller Überzeugung. Dabei hat sie eine persönliche Beziehung zum Wald und zur Natur und ist durchaus der Meinung, dass man beides schützen müsse.
Aber zum einen gebe es dafür schon jetzt viele Möglichkeiten, und zum anderen seien die noch längst nicht ausgeschöpft. Negativ aufgefallen ist Engelhardt allerdings, wie oft Befürworter und Gegner des Nationalparks mit Aussagen unter der Gürtellinie gestritten hätten. Davon distanziert sie sich: „Es geht mir um die Sache, an die man mit Verstand und Sachlichkeit herangehen muss.“
Auch für ein zweites großes Thema will Engelhardt bis zum Erfolg kämpfen: die Ganztagsschule. Nachdem die gebundene Form abgelehnt wurde, weil dafür Lehrer fehlen, hat die Bürgermeisterin nun mit der Regierung Gespräche über Alternativen geführt. Sie ist zuversichtlich, dass es ab dem Schuljahr 2018/19 eine neue Lösung geben wird – ohne Nachteile für die staatliche Förderung.
Nicht nur bei der Schule und der Mittagsbetreuung herrscht gutes Einvernehmen mit der Nachbargemeinde Esselbach. Engelhardt sieht in der guten Infrastruktur beider Kommunen eine gute Ergänzung. An eine Einheitsgemeinde, wie sie vor einiger Zeit diskutiert wurde, glaubt sie nicht, wohl aber an mehr Zusammenarbeit.
Neue Bauplätze in Bischbrunn
In Eigenregie will die Bürgermeisterin ein neues Baugebiet, „Rosenberg III“, verwirklichen. Dafür muss sich Bischbrunn allerdings noch mit den Grundstücksbesitzern einigen; die Gemeinde selbst hat dort nur wenig Fläche. Dringend nötig sei die Ausweisung neuer Bauplätze allerdings, denn das Straßendorf habe keine ungewollten Leerstände; Häuser und Grundstücke seien rar und daher stark nachgefragt.
Lieblingsbeschäftigung im Amt
Bei all den Themen, die ein Gemeindeoberhaupt machen muss, gibt es auch etwas, „was ich machen darf“, sagt die Rathauschefin. „Sehr gern“ traut sie Hochzeitspaare, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. Sechs waren es seit Dezember 2016. „Ich mache das gern, weil ich mich für Menschen interessiere.“ Und deshalb ist Agnes Engelhardt auch gern Bürgermeisterin von Bischbrunn.