Das Rennen um die letzte große Freifläche im Lohrer Industriegebiet Süd ist auf die Zielgerade eingebogen. Es zeichnet sich ein ebenso packendes wie kniffliges Finish zwischen aktuell offenbar drei ortsansässigen Kandidaten ab. Im Rennen sind nach den Informationen der Redaktion ein Industriebetrieb, ein Autohaus sowie ein Logistikdienstleister.
Dass die Vermarktung der Fläche keine leichte Sache werden würde, war im Vorfeld klar. Erklärtes Ziel der Stadt ist, das Filetstück unter den in Lohr so seltenen Gewerbeflächen möglichst am Stück an denjenigen Bewerber zu verkaufen, der die beste wirtschaftliche Weiterentwicklung Lohrs und die meisten Arbeitsplätze verspricht. Doch wer ist das? Und wie wird es bemessen?
Disput im Stadtrat
Zu diesem Thema gab es nach Informationen der Redaktion jüngst im Stadtrat hinter verschlossenen Türen einen Zwist von einer seit Jahren nicht mehr gesehenen Heftigkeit. Demnach kritisierte ein Stadtratsmitglied den in seinen Augen nicht ausreichenden Informationsfluss. Bürgermeister Mario Paul soll in einer von ihm noch nicht erlebten Vehemenz erwidert haben. Die Rede ist von einer »Riesenschreierei«.
Auf Anfrage der Redaktion erklärte Paul, dass die Kritik in seinen Augen ungerechtfertigt gewesen sei. Schließlich sei der Prozess noch im Laufen. Es sei noch keine Vorentscheidung gefallen.
Die Stadtverwaltung erstelle derzeit anhand der vom Stadtrat selbst festgelegten Bewertungskriterien eine Rangliste der Bewerber. Danach werde die Liste dem Stadtrat präsentiert, der über die Vergabe der Fläche zu entscheiden habe.
Zu den Bewerbern hüllt sich der Bürgermeister mit Verweis auf die für Grundstücksgeschäfte übliche Nichtöffentlichkeit in Schweigen. Er bestätigt jedoch, dass dem Rathaus drei schriftliche Bewerbungen vorliegen, daneben auch einige mündliche Anfragen.
Sorg hält sich bedeckt
Eines der Unternehmen, das sich schriftlich beworben hat, ist nach Informationen der Redaktion der Lohrer Glasofenbauer Sorg. Die Unternehmensgruppe, die laut Pressesprecher Hartmut Hegeler weltweit rund 450 und in Lohr sowie Gemünden zusammen rund 350 Menschen beschäftigt, hält sich zu den eigenen Ambitionen jedoch traditionell gegenüber der Öffentlichkeit ziemlich bedeckt.
So auch diesmal. Man wolle sich zum jetzigen Zeitpunkt zu dem Thema nicht äußern, so das Vorzimmer des Geschäftsführers Alexander Sorg auf mehrfache Anfrage der Redaktion.
Dem Vernehmen nach hat das Unternehmen gegenüber der Stadt jedoch erklärt, im Falle eines Zuschlags seine derzeit noch in Gemünden angesiedelte Niederlassung auf die Freifläche im Lohrer Industriegebiet Süd verlagern zu wollen. Laut Hegeler beschäftigt Sorg in Gemünden rund 50 Mitarbeiter für Werkstatt, Lager, Versand und Service.
Mayer plant Halle und Service
Ein weiterer Kandidat ist die Gebr. Mayer GbR. Das bestätigten die beiden Geschäftsführer Stefan Mayer-Kastner und Alexander Dietrich gegenüber der Redaktion. Sie führen zusammen mit Frank Seubert auch die schon jetzt im Industriegebiet Süd angesiedelte MS Umweltservice GmbH. Das Unternehmen mit 60 Mitarbeitern und 35 Lastzügen ist bundesweit und im angrenzenden Ausland als Dienstleister in der Glasentsorgung und -verwertung tätig.
Kooperation mit Gerresheimer
Größter Kunde ist Gerresheimer Lohr. Aus der Zusammenarbeit mit dem Glashersteller rührt auch das Interesse der Firma Mayer an der Freifläche. Denn Gerresheimer Lohr mit seinen aktuell rund 380 Mitarbeitern wird nach Aussage seines Geschäftsführers Dirk Wypchol im kommenden Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag in eine »signifikante Erweiterung« der Kapazität stecken.
Das erfordert größere Lagerkapazitäten. Die würde die Firma Mayer gerne auf der Freifläche im Industriegebiet Süd schaffen. Allerdings, so betonen die Geschäftsführer Mayer-Kastner und Dietrich, geht es nicht nur um den Bau einer sechs bis sieben Millionen Euro teuren Lagerhalle.
Daneben würde die Firma MS Umweltservice als Dienstleister für Gerresheimer dort auch die Nachsortierung der Produkte übernehmen. Insgesamt sei mit einem Plus von rund 40 Mitarbeitern zu rechnen, sagen Dietrich und Mayer-Kastner. Sie haben sich bei der Stadt auch mit einem Empfehlungsschreiben von Gerresheimer um die freie Gewerbefläche beworben.
Gerresheimer-Chef Wypchol sagt, dass das Gelingen der Kooperation für die Standortsicherung seines Betriebes von Bedeutung sei. »Wir haben ein sehr hohes Interesse daran.« Er verweist nicht nur auf die lange Tradition der »Glashütte«, sondern auch auf das Engagement der vom ehemaligen Eigentümer Gustav Woehrnitz gegründeten Stiftung im Raum Lohr.
Platzproblem auch bei Grampp
Neben den Firmen Sorg und Mayer hat auch Peter Grampp ein Bewerbungsschreiben ins Lohrer Rathaus geschickt.
Sein Autohaus beschäftige in Lohr an mehreren Standorten, darunter ein »Sammelsurium an Mietflächen«, gut 200 Mitarbeiter, 40 weitere in Karlstadt, sagt der Geschäftsführer und Inhaber. Seit vielen Jahren habe der Betrieb, der nicht nur die Marken VW, Audi und Mercedes betreut, sondern beispielsweise auch eine Autovermietung umfasst, ein großes Platzproblem, sagt Grampp.
Bedarf an Teilfläche
Um dieses zu lösen, würde er jedoch nicht die ganze, 1,8 Hektar große Freifläche im Industriegebiet benötigen. »Wir kämen mit einem Drittel zurecht«, so Grampp. Konkret benötige man zusätzliche Flächen beispielsweise für die Autoaufbereitung und die Auslieferungslogistik.
Sollte es mit dem Zuschlag nicht klappen, wäre dies für das Autohaus nach Aussage seines Chefs »nicht existenzgefährdend, aber stark wachstumshemmend«. Er gehe davon aus, dass die räum-liche Expansion mittelfristig mit einem Plus von bis zu 15 Mitarbeitern einhergehen könnte.
Der Stadtrat steht nun vor der schwierigen Frage, an wen er die Fläche vergeben soll, um der Lohrer Wirtschaft das größte Plus zu bescheren. Die Entscheidung soll nach der Vorstellung von Bürgermeister Paul möglichst noch vor der Sommerpause fallen.