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Sendelbach
Ein "Gehstock" für den Baum-Methusalem
Die zwei Linden an der Sendelbacher Ostlandstraße sind seit 1977 als Naturdenkmäler eingestuft. Nun drohte an dem stärkeren der beiden Bäume ein großer Ast abzustürzen. Das Landratsamt Main-Spessart ließ daher eine Stahlkonstruktion aufbauen.
Foto: Johannes Ungemach | Die zwei Linden an der Sendelbacher Ostlandstraße sind seit 1977 als Naturdenkmäler eingestuft. Nun drohte an dem stärkeren der beiden Bäume ein großer Ast abzustürzen.
Bearbeitet von Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 08.06.2023 02:32 Uhr

Sie wurde gepflanzt, als es noch Hexenprozesse gab: die Linde an der Ostlandstraße in Sendelbach. Heute gilt der mächtige Baum mit seinen wohl gut 300 Jahren als das größte Naturdenkmal im Landkreis Main-Spessart. Doch der Methusalem hat ein Problem.

Ein großer Seitenast droht abzubrechen. Um das zu verhindern, hat das Landratsamt nun zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen. Am Mittwoch wurde ein stählernes Stützgerüst installiert. Es soll dazu beitragen, dass die Linde noch viele weitere Jahre vor sich hat. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

Für Hilmar Keller gibt es an der Sinnhaftigkeit der Stützkonstruktion keinen Zweifel. Der im Dienste des Landratsamtes tätige Kreisfachberater für Gartenbau und Landespflege ist für die 144 Naturdenkmäler im Landkreis zuständig. Dabei handelt es sich meist um besonders alte, herausragende Bäume. Die beiden riesigen Linden in Sendelbach sind schon seit 1977 als Naturdenkmal eingestuft.

Sechs Meter Stammumfang

Die größere der beiden Linden ist laut Keller in ihrer Dimension im Umkreis einzigartig. Gut sechs Meter misst der Stammumfang. Die Krone lädt weit aus. "Man sollte alles tun, um diesen Baum zu erhalten", sagt Keller. Genau deshalb wurde das Landratsamt nun tätig.

Denn spätestens seit vergangenem Herbst war klar, dass der Baum in Not ist. Ein mächtiger Seitenast ist angeknackst. Der Bauhof der Stadt Lohr, auf deren Grund die Linden stehen, hatte einen Riss im Stamm entdeckt. Wie der Kreisfachberater sagt, wurde nach einer Kontrolle zeitnah ein hölzernes Stützgerüst unter dem abbruchgefährdeten Ast aufgebaut. Um eine Gefahr für Passanten auszuschließen, war der Bereich unter den Linden bis zuletzt durch Baugerüste abgesperrt. Parallel dazu wurde die Stahlkonstruktion gefertigt, die nun am Mittwoch aufgestellt wurde.

Tonnenschwere Last

Mehrere Stunden waren Mitarbeiter der Stahlbaufirma Goldstein und des Baupflegeunternehmens Tilia aus Esselbach damit beschäftigt, mit Kran und Hubsteiger die beiden zusammen rund 1,5 Tonnen schweren Stahlstützen in Position zu bringen und sie miteinander sowie mit den Betonfundamenten zu verschrauben. Der abbruchgefährdete Ast, der wohl selbst einige Tonnen wiegt, wird nun von einem am Stahlgerüst befestigten Tragegurt gehalten.

Die gesamte Aktion dürfte laut Keller sicher 30.000 Euro kosten. "Gut angelegtes Geld", ist der Kreisfachberater überzeugt. Zum einen seien die beiden Linden eine ortsbildprägende Baumgruppe, zum anderen handle es sich bei Bäumen solcher Dimension um Kulturgut, "fast wie der Kölner Dom", so Keller.

Und schließlich seien die alten Linden auch wertvolle Biotopbäume, etwa für Fledermäuse. Aus all dem ergebe sich die Verpflichtung, solch einen Baum möglichst lange zu erhalten. Dies gelte umso mehr, wo jegliches Grün in Siedlungen in Zeiten des Klimawandels an Bedeutung gewinne, um Hitzeextreme abzumildern, so Keller.

Kritik: technokratisch

Den ästhetischen und ökologischen Wert der beiden Linden bestreitet in Sendelbach wohl kaum jemand. Dennoch gibt es auch Kritik an der Vorgehensweise, wie diese Redaktion unter anderem aus Anwohnerkreisen erfuhr. Von einer "technokratischen Lösung" ist die Rede, von einer Verunstaltung eines seinem natürlichen Ende entgegengehenden Baumes. Man hätte den abbruchgefährdeten Ast absägen sollen, statt dem Baum für den Rest seines Lebens einen "stählernen Gehstock" zu verpassen.

Baum trotz Alter vital

Kreisfachberater Keller sieht das anders. Auch er sieht in der Linde zwar einen "Baum-Rentner", der jedoch noch ausgesprochen rüstig sei. Ein Baumgutachter habe die Vitalität der Linde in einem standardisierten Verfahren in die beste von vier Kategorien eingestuft. Dass der Baum gleichwohl Alterungsspuren zeigt, kommentiert Keller so: "Den Bäumen geht es im Alter wie den Menschen: Die Gewebestrukturen fangen irgendwann das Hängen an." Den abbruchgefährdeten Ast abzusägen, wäre seiner Ansicht nach keine Alternative gewesen. Keller begründet dies damit, dass die große Schnittfläche eine vom Baum nicht zu verschließende Eintrittspforte für Pilze gewesen wäre. 

Diese Ansicht teilt Äneas Sumereder, Geschäftsführer des am Aufstellen des Stützgerüsts beteiligten Baumpflegeunternehmens Tilia. Eine solche Stützkonstruktion sei zwar selten, jedoch in größeren Städten durchaus eine gängige Methode. Die Sendelbacher Linde sei "weit und breit die dickste", sagt Sumereder. Wenn man einen solchen Aufwand für einen Baum wie die Sendelbacher Linde nicht betreibe, "für welchen dann", fragt Sumereder.

 
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