Ja, die Mischung macht's wirklich – Lieder aus verschiedenen Kulturen, Epochen und Stilrichtungen und engagiert auftretende Sängerinnen und Sänger aus fast allen Karlstadter Ortsteilen: Diese grundlegende Weltoffenheit, zusammen mit dem beachtlichen musikalischen Können, hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass der Chor „Allegro Cantare“ unter der Leitung von Andreas Kübert nunmehr mit Stolz auf sein 30-jähriges Bestehen zurückschauen darf. Anlässlich dieses Wiegenfestes lud der beliebte Chor zum Jubiläumskonzert in das historische Rathaus nach Karlstadt ein. Rund 200 Konzertbesucher kamen dieser Einladung nach.
Beim Karlburger Männergesangverein 1895 erkannte man bereits vor drei Jahrzehnten die Zeichen der Zeit und fügte mit „Allegro Cantare“ eine zukunftsfähige Alternative hinzu, die auf Anhieb ihre Zuhörer begeisterte. Nichtsdestotrotz waren aber zwischenzeitlich durchaus „Durststrecken“ zu überstehen, so Dirigent Kübert.
Mit einem derzeit zahlenmäßig ansehnlichen Ensemble, bei dem zwar die Bass- und Tenorfraktionen mit nur sechs Sängern noch unterbesetzt sind, bei dem aber mit 21 Sängerinnen die Erfüllung der Damenquote wahrlich kein Thema ist, konnte das hoch motivierte Ensemble nun in voller „Wettkampfstärke“ zum Konzert auflaufen.
Gleich zu Beginn entführte „Allegro Cantare“ mit einer einfühlsamen Interpretation von Heinrich Isaacs wehmütigem „Innsbruck, ich muss dich lassen“ die Zuhörer in die Renaissancezeit zurück. In Kontrast hierzu daraufhin Dowlands verspieltes und 400 Jahre altes Straßenhändlerlied „Fine knacks for ladies“ („Schnickschnack für Damen“), was ebenfalls lautstark bejubelt wurde. Mit „Abschied vom Walde“ von Mendelsohn Bartholdy ließ man dann auch die Romantik aufleben. Im Übrigen wurde das Publikum auf unterhaltsame Weise mit den wichtigsten Hintergrundinformationen zum jeweiligen Lied versorgt.
Von beinahe beklemmender Aktualität war die vom Ensemble beherzt vorgetragene Volksweise „Die Gedanken sind frei“ – wie es scheint ein zeitloser Klassiker, wenn man bedenkt, dass weltweit viele Journalisten mit ihren Gedanken „im finsteren Kerker“ eingesperrt sind.
Wie Balsam für die Seele reihte sich daraufhin die englischsprachige Version des „Irischen Reisesegens“ in den Abend ein, dessen fundamentale Botschaft des menschlichen Wohlwollens nuanciert und mit Leidenschaft vorgetragen wurde und bei vielen Anwesenden Gänsehaut verursacht haben dürfte. Ebenfalls herzerwärmend der Cohen-Klassiker „Halleluja“, der 17 Jahre lang in der Schublade versauerte, bevor er 2001 ans Licht geholt wurde und zwischenzeitlich mittels 300 verschiedener Aufnahmen Bekanntheit und anhaltende Beliebtheit erlangte.
Während der Pause hatten die Konzertgäste Gelegenheit, anhand einer von Bianca Kahl liebevoll zusammengetragenen Stellwandausstellung Glanzlichter im bisherigen Leben von „Allegro Cantare“ Revue passieren zu lassen.
Meist schmissiger und moderner ging es nach der Pause weiter, zunächst aber mit einer ausgesprochen gefühlsbetonten Interpretation von „Run to you“ von Pentatonix. In Kontrast hierzu das ulkige „Java Jive“ aus den 30er Jahren in Amerika, bei der die molekularen Vorzüge von Kaffee und Tee auf köstliche Weise besungen wurden.
Eine besondere Überraschung bereiteten zwei Sängerinnen ihrem Chorleiter Andreas Kübert beim Rammstein-Hit „Engel“, indem sie ihm zwei „Engelsflügel“ überreichten, die er sich bereitwillig überzustülpen hatte. Freundlicherweise bestanden die breit grinsenden Chordamen nicht auf das textgetreue Anbrennen der Flügel während des Liedes, worüber Hausherr Bürgermeister Paul Kruck und erst recht Andreas Kübert sichtlich erleichtert waren.
Auch bei diesem gesanglich sehr anspruchsvollen Stück gelang der gemeinsame musikalische Höhenflug von Chor und Dirigent ganz prächtig.
Bedeutend wohler fühlte sich Dirigent Kübert, als er nach Gershwins „Somebody loves me“, Oliver Geises „Tatschfonie“ und dem nachdenklich stimmenden „Viva la Vida“ einen Zylinderhut aufsetzen durfte, um mit seinen sangesfreudigen Schützlingen zum musikalischen Abschlussbusserl „Das Publikum war heute wieder wundervoll“ anzusetzen. Die Gäste belohnten den Chor mit tosendem Schlussapplaus.