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Uettingen
Ein Engagement für den Nikolaus
Bearbeitet von Peter Kallenbach
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:36 Uhr

Ralf Dillinger ist es gewohnt, in fremde Rollen zu schlüpfen. Als ausgebildeter Schauspieler war er schon ein psychopatischer Frauenmörder, lüftete "Würzburger Geheimnisse" auf der Bühne des Chambinzky und kriminalisierte bei Dinner-Parties. Doch einen weißen Rauschebart trägt er zum ersten Mal; ebenso die goldene Brille auf der Nasenspitze und das rotglänzende Kostüm mit Pelzbesatz.

Noch tappt der Nikolaus strümpfig durch das Wohnzimmer. Schwere Stiefel und ein breiter Gürtel, bestellt im Internet, werden bald das Kostüm vervollständigen. Mit seinem Glöckchen ist der 31-jährige Uettinger nicht zufrieden: "Für die Zukunft werde ich mir eine richtige Schiffsglocke zulegen." Dann hören auch die Nachbarn, wenn der Nikolaus zu Besuch kommt.

Sein Geld verdient Dillinger als Logistiker in einem Maschinenbau-Unternehmen. Die Schauspielerei gab er vor drei Jahren auf, als seine Tochter zur Welt kam. Doch den Familienvater reizt das Bühnenleben. Da kam die Idee einer Freundin, er solle den Nikolaus für deren Tochter mimen, gerade recht. Warum sollten sich nicht auch andere Kinder an seinem Talent erfreuen?

"Wenn der eigene Opa den Nikolaus spielt, dann erkennen Kinder ihn schnell an der Stimme", weiß Dillinger. Als Schauspieler könne er sich besser verstellen. "Kinder sind so unglaublich ehrlich und ich liebe es, sie in eine Märchenwelt zu entführen", beschreibt er seine Motivation am Nikolaustag aufzutreten.

Der "Uettinger Weihnachtsmann" will auf keinen Fall das Gefühl vermitteln, dass der Nikolaus ein böser Mann sei. Negative Eigenschaften der Kinder oder Vorkommnisse wird er höchstens mit einem Augenzwinkern erwähnen. Viel lieber ist ihm Lob für gute Schulnoten, Erfolge im Musikunterricht oder ehrenamtliches Engagement.

Er sagt: "Die Kinder sollen am Abend nach meinem Besuch mit einem guten Gefühl ins Bett!" Eltern wird Dillinger schon eher schelten, "zum Beispiel, wenn Papa seine Socken in der Wohnung verstreut liegen lässt oder Mama zu viel auf ihr Handy guckt."

Seine Sache nimmt der "Nikolaus" sehr ernst. Damit er alles weiß, was ein Nikolaus wissen muss, fragt Dillinger nach Fotos und Namen der Kinder, Telefonnummer und Adresse. Er hat einen Leitfaden ausgearbeitet, den er den Eltern vorab zusendet. Dort sind zum Beispiel Liedvorschläge zur Begrüßung aufgelistet.

Geschenke für Kinder sollen Eltern vorab in einem Jutesack in der Nähe der Eingangstüre deponieren. Haustiere sind wegzusperren, um "böse Überraschungen" zu vermeiden. Keinesfalls dürfen Eltern vor den Augen der Kinder dem Nikolaus Geld zustecken. Und wer ein Foto mit dem Schauspieler machen möchte, muss dies vorher anmelden.

Dillinger hat sich für den 6. Dezember ebenso wie für den Vorabend und den Folgetag Urlaub von seinem Arbeitgeber erbeten, um weitere Kinder besuchen zu können. Einige Anfragen hat er bereits. Seine aktuelle Route führt ihn bis nach Marktheidenfeld oder Kreuzwertheim. Wer auch besucht werden möchte, kann sich melden unter weihnachtsmann-uettingen@web.de.

Für seine Tochter wird er ebenfalls den Nikolaus mimen. "Schokolade und Gummibärchen darf er mitbringen", ruft die Dreijährige. Mehr Geschenke wird es nicht geben. "Es ist uns wichtig, als Familie gemeinsam Zeit zu verbringen", betont Ralf Dillinger. Angst hat das Mädchen keine vor dem Mann im roten Anzug. Sie erkennt ihren Papa sofort.

Schließlich war sie bei allen Anproben dabei. Das Kostüm schneiderte Heike Dillinger für ihren Mann. Sie investierte dafür in den vergangenen Wochen insgesamt 25 Stunden. "Ich hatte mir ein Kostüm bestellt, aber das kratzte", sagt Ralf Dillinger. Als Schauspieler weiß er: Wenn das Kostüm richtig sitzt und der Stoff sich gut anfühlt, dann funktioniert die Verwandlung besser.

Später im Dezember wird sich Dillinger wieder in den Weihnachtsmann verwandeln. Er wurde für zwei Firmenweihnachtsfeiern gebucht - etwas, was er gar nicht geplant hatte. Doch die Idee, ein "trockenes" Abendessen aufzulockern, reizte den Schauspieler in ihm. "Ich habe einige Elemente aus dem Krimi-Dinner-Konzept übernommen, mit dem ich früher aufgetreten bin." Die Mitarbeiter dürfen sich über kabarettistische Einlagen freuen.

Wenn Dillinger aus dem goldenen Buch Lobeshymnen auf die Sekretärin angestoßen, den Auszubildenden zum Knecht Ruprecht befördert und der Abteilungsleiter ein Gedicht vorgetragen hat, werden alle Mitarbeiter einstimmen in "Süßer die Glocken nie klingen" und der "Uettinger Weihnachtsmann" empfiehlt sich mit einem "Ho, ho, ho" bis zum nächsten Jahr.

 
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