Vor 200 Jahren „brach heller Jubel“ unter den Bewohnern im damaligen Großherzoglich-badischen Amt Steinfeld aus. Der Grund: Dieses Ländchen mit elf Dörfern, 5400 Einwohnern und dem Kloster Mariabuchen wurde 1819 wieder fränkisch und dem Königreich Bayern zugeteilt. „Man versprach sich von der Regierungsänderung goldene Berge“, schrieb Peter Apfelbacher, ehemals langjähriger Lehrer in Karbach und Bezirksschulrat, über 100 Jahre später.
„Soll man es für möglich halten, dass die Dörfer Greußenheim, Birkenfeld, Karbach, Zimmern, Erlach, Pflochsbach, Sendelbach, Steinfeld, Waldzell, Ansbach und Roden sowie das Kloster Mariabuchen in der Zeit von 1806 bis November 1819 ein eigenes ‚Ländchen‘ unter dem Namen ‚Amt Steinfeld‘ bildeten und zum Staate ‚Baden‘ gehörten, während die umliegenden Nachbargemeinden Bestandteile teils des Großherzogtums Würzburg, teils des Fürstentums Aschaffenburg waren?“ Das fragte sich Apfelbacher in der Einleitung seines Berichts über „Das vormalige Großherzoglich-badische Amt Steinfeld bei Lohr am Main“.
Wie es zum Badischen Amt Steinfeld kam
Jahrhundertelang gehörten die genannten elf Dörfer dem Fürstbistum Würzburg an. Nach Apfelbacher war „die Mehrzahl der Fürstbischöfe Würzburgs von den aufrichtigsten Bestrebungen beseelt, ihr Volk glücklich zu machen“, gemäß dem Sprichwort „“Unterm Krummstab (= Bischofsstab) ist gut leben“. Doch dann „zerriss ein schweres politisches Gewitter von Frankreich her das festgefügte, aus 54 Ämtern bestehende geistliche Fürstentum“. Kaiser Napoleon verschob nach seinen militärischen Erfolgen die Landesgrenze zwischen Frankreich und Deutschland an den Rhein und enteignete die geistlichen Fürstentümer, darunter Würzburg. Die weltlichen Fürsten in Deutschland erhielten zur Entschädigung für Gebiete, die sie jenseits des Rheins an Frankreich abtreten mussten, die ehemals kirchlichen Gebiete.
Der Großteil des Hochstifts Würzburg wurde 1803 mit dem Reichsdeputationshauptschluss dem Kurfürstentum Bayern zugeschlagen, der Rest ging an verschiedene Fürstentümer. Fürst Löwenstein-Wertheim-Rosenberg erhielt als Entschädigung für abgetretene Gebiete im Elsass unter anderem das Amt Rothenfels und die ehemaligen Besitztümer des Klosters Neustadt.
Eine Insel inmitten des Würzburger Gebiets
Im Februar 1806 kam es nach dem Zerfall des deutschen Reiches und dem Rücktritt des deutschen Kaisers Franz II. zu weiteren Besitzveränderungen. Fürst Löwenstein verlor die volle Staatsgewalt über das Amt Rothenfels. Die elf Dörfer links des Mains gingen in den Besitz des Großherzogs von Baden über, als Belohnung für dessen Beitritt zum Rheinbund, einem Bündnis deutscher Staaten mit Napoleon. (Die Gebiete des ehemaligen Amtes Rothenfels auf der Spessartseite mit dem Kloster Neustadt und Lohr wurden dem Fürstentum Aschaffenburg und später dem Großherzogtum Frankfurt zugesprochen).
Bald darauf übernahm der Großherzog von Baden die Gerichtsbarkeit, bildete aus den elf Ortschaften links des Mains das Badische Amt Steinfeld, das dem zweiten badischen Landamt Wertheim zugeteilt wurde. Der Sitz der Verwaltung verblieb in der Burg Rothenfels. Das badische Amt Steinfeld als Exklave hatte keine direkte Landverbindung zu Baden. So gehörten etwa Steinfelds Nachbardörfer Hausen, Rohrbach, Stadelhofen und Urspringen alle zum Großherzogtum Würzburg.
Den Verwaltungssitz im Amt Steinfeld bekam Karbach. Es war der einzige Marktflecken und die größte unter den elf Gemeinden. Dort hielten badische Beamte aus Wertheim auch regelmäßig Gerichtstage ab.
"Unersetzliche Werke sinnlos vernichtet"
„Böse Beispiele verderben gute Sitten“: Mit diesen Worten beklagte Apfelbacher die Auswirkungen der verwickelten Besitzveränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die bösen Beispiele waren „die große Härte der mächtig gewordenen Großfürsten“, mit der sie „die kleinen Fürsten beraubten“, ebenso die „mit großer Rücksichtslosigkeit durchgeführte Aufhebung des nahe gelegenen Klosters Neustadt am Main“, das in jedem der Dörfer des Amts Steinfeld Güter und einen Klosterhof besaß. Dabei seien „unersetzliche Werke der Kunst, Wissenschaft und gewöhnlicher Art sinnlos vernichtet (…) worden“.
Daraus folgerte Apfelbacher: „All dies zeitigte auch im Landvolk gefährliche Gedanken“, das feststellen musste, „wie alte Rechte der Gewalt weichen mussten und dass Verträge, Urkunden und Herkommen aus alter Zeit keine Bedeutung mehr hatten (...) Die Begriffe von Eigentum und Recht wurden erschüttert. Die Ehrfurcht vor Gesetz und Eigentum schwand auch beim gewöhnlichen Volke. Diebstähle aller Art beunruhigten die Dörfer und besonders die Einöden.“
„Die sehr langgestreckte Grenze unseres schmalen und dabei sehr kleinen badischen Gebietsteilchens bot gewissen Leuten, die ernten wollten, wo sie nicht gesät hatten, allerlei Vorteile. Entlassene Soldaten und Kriegsinvaliden, von denen damals infolge der unaufhörlichen Kriege unter Napoleon auch unsere Gegend sozusagen überschwemmt war, verbanden sich mit allerlei Gesindel, überfielen kleinere Dörfer und einsam liegende Mühlen (…), ohne fürchten zu müssen, erwischt zu werden; denn bis ein badischer Gendarm eintraf, waren die Halunken längst über die Grenze ins Würzburgische geflüchtet. Dort war dem badischen Sicherheitswächter jede Amtshandlung untersagt, wie auch umgekehrt der würzburgische Landjäger rat- und tatenlos dastand, wenn ein Missetäter (…) ins badische Ländlein gelangte (…) Schlupfwinkel fanden die Galgenvögel da und dort in Steinbrüchen, Ziegelhütten und Höhlen“.