Eine außergewöhnliche Lesung mit Film hat das Lohrer Stattkino im Mehlingskeller geboten. Der junge Filmemacher und Autor Tobias Wilhelm stellte seinen Roman "Weißer Asphalt" vor und zeigte seinen Abschlussfilm "Zima" von der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg.
Den Kontakt nach Lohr hatte er über Richard Winters Sohn Claudio bekommen, mit dem er über Jahre Dramaturgie und Drehbuch studierte. Als Claudio seinen Eltern den ersten Roman des jungen Autors schenkte, wurden die Winters auf ihn aufmerksam und luden ihn nach Lohr ein.
Unter extremen Verhältnissen
Der vorgestellte Roman begleitet eine Gruppe von Jugendlichen, die unter extrem schwierigen sozialen Verhältnissen zurechtkommen müssen, auf einem gemeinsamen Lebensabschnitt in ihrem multikulturellen Milieu. Konfrontiert mit Gewalt, Drogen und Orientierungslosigkeit, versuchen sie erwachsen zu werden.
Auf die Frage, ob es ihn auch reizen würde, diese Geschichte zu verfilmen, meinte Tobias Wilhelm, auf jeden Fall würde er gerne ein Drehbuch dazu schreiben und das fertige Projekt auf der Leinwand sehen. Einen Roman zu verfassen, sei für ihn die größere Herausforderung, denn im Gegensatz zu einem Drehbuch sei er ein "Endprodukt und nicht bloß eine Arbeitsgrundlage". Da müsse man einen genauen sprachlichen Rhythmus finden, damit jedes Wort passe.
Und eben das ist ihm bei seinem Erstlingswerk offensichtlich gelungen. Die meist jugendlichen Figuren sprechen direkt und sehr persönlich ihre, nicht selten provozierend wirkende Sprache. Dabei wird schnell deutlich, dass der Autor auf autobiografische Motive zurückgreift, die er sehr locker und geschickt verbindet. Während seine Protagonisten starke kriminelle Energie erkennen lassen, meint Tobias Wilhelm, er sei in seiner Jugend lediglich ein "eher kleiner pubertärer Krawallmacher" gewesen. Aber er habe die meisten Orte und auch manche der geschilderten Situationen des Romans selbst so oder ähnlich mitbekommen.
Die vier Hauptfiguren beruhen auf realen Vorbildern. Es seien ältere Jungs gewesen, zu denen seine Freunde und er damals aufgeschaut hätten, weil sie härter, stärker und erfahrener gewesen seien als sie selbst. Das Verhältnis zu "den Älteren" war aber nach Aussage des Autors auch von Angst geprägt: "Man wusste nie, wie die drauf waren." Im Schreibprozess habe er die realen Personen dann nach und nach fiktionalisiert. Sie wurden also zu literarischen Figuren.
Wie ein brodelnder Vulkan
Auch der gezeigte 30-minütige Abschlussfilm war von Momenten und Begegnungen aus seinem Leben geprägt. Hier spielte es ebenfalls eine Rolle, dass der Filmemacher mit Jugendlichen in einer multikulturellen Szene aufgewachsen ist. Über eine eigene Bildsprache stellte er dar, wie ein junger Mann in Einsamkeit an seiner Welt verzweifelt. Dabei trete der Protagonist wie ein brodelnder Vulkan auf, dessen Ausbruch nur eine Frage der Zeit ist, erklärte Tobias Wilhelm auf die Frage eines Zuschauers, warum die Geschichte so tragisch enden müsse.
Im anschließenden Gespräch mit dem Autor und Filmemacher wurde an den Beiträgen und Gedanken der Zuschauer deutlich, dass es ihm gelungen war, dem Publikum zu vermitteln, wie Gewalt in einer Gesellschaft entsteht, wenn jungen Menschen klare Perspektiven für ihre Zukunft fehlen. Dieses, einen Teil seiner eigenen Jugend prägende, Thema beschäftigt Tobias Wilhelm auch weiterhin und er hat schon einen zweiten Roman fast fertig, der demnächst erscheinen wird.