
Ein imposanter Anblick ist der Trupp Menschen, der in Gummistiefeln und mit seltsamen Geräten in der Hand durch die Wiesen im "Reithgrund" im Naturschutzgebiet "Sinngrund" bei Obersinn stapft. Auf der Nachbarwiese tuckert ein fremdartiges Mähgerät. Ehrenamtliche Mitarbeiter des "Bergwaldprojekts" versuchen hier zusammen mit dem Naturpark Spessart die Vorkommen des giftigen Wasserkreuzkrauts durch Ausstechen und Mahd zu reduzieren. Auf den Wiesen, wo Ende April noch das Violett der Schachblumen dominierte, macht sich jetzt der für gelbe Korbblütler breit.
Offensichtlich zählt das Wasserkreuzkraut zu den Gewinnern des Klimawandels, stellt Projektkoordinator Julian Bruhn vom Maßnahmenträger Naturpark fest. Der auf rund 20 Millionen Schachbrettblumen geschätzte Bestand im 380 Hektar großen Naturschutzgebiet zwischen Schaippach und Obersinn sei zwar stabil geblieben, aber das Wasserkreuzkraut habe sich in den vergangenen fünf Jahren massiv vermehrt. Es dränge die Schachblume oder den Ameisenbläuling zurück.
Ohne Eingriff wird das Problem immer größer
Seit Jahrhunderten werden die Talwiesen zur Gewinnung von Viehfutter genutzt und dadurch der Lebensraum für Hunderte von Tier-und Pflanzenarten erhalten. Dieses nachhaltige System gefährdet jetzt aber das für Rinder, Schafe und Pferde hochgiftige Wasserkreuzkraut, erklärt Bruhn. Wenn es bei der Grasmahd ins Heu oder in die Silage gelangt, fressen es die Tiere mit. "Ohne gezielte Maßnahmen wird das Kreuzkraut-Problem ungebremst zunehmen", sagt Christian Salomon, Gebietsbetreuer für Grünland im Naturpark Spessart.
Salomon: "Es hilft nur: ausstechen statt ignorieren. Nur wenn die örtlichen Landwirte das Thema ernst nehmen und ausreichend Unterstützung erhalten, haben wir eine Chance." Eine Allianz aus Naturschutzbehörden, Naturpark, freiwilligen Helfern des Bergwaldprojekts, Landwirten und Gemeinden will die Problempflanze durch ein von der Regierung von Unterfranken zu 90 Prozent gefördertes, spezielles Pflegeprojekt zurückdrängen und somit die uneingeschränkte Heunutzung wieder ermöglichen.

Bereits 2019 haben Mitarbeiter des Naturparks rund 100 Hektar vom Kreuzkraut befallene Wiesen im Sinngrund kartiert. Wegen der Corona-Pandemie scheiterte 2020 die geplante Kooperation mit dem "Bergwaldprojekt", sodass vor allem Freiwillige den Kampf gegen die giftige Pflanze aufnahmen. In diesem Jahr schloss der "Naturpark Spessart e.V." eine Kooperation mit dem in Würzburg ansässigen "Bergwaldprojekt e.V.". Unter dem Projektleiter Henning Rothe sowie den beiden Gruppenleitern Sophie Seitz und Jonas Marks werden 13 Ehrenamtliche und vier Mitarbeiter des Würzburger Vereins an fünf Aktionstagen im Sinngrund im Einsatz sein.
Mahd kommt in die Biogasanlage, der Rest wird verbrannt
Stehen bis zu zehn Pflanzen auf zehn Quadratmetern, werden diese von Hand ausgestochen. Bei einem großflächigen Befall kommt vor der Samenreife der "Absaugmulcher" vom Maschinenring Arnstein zum Einsatz. Das Mähgut landet in der Biogasanlage in Burgjoß, während ausgestochene Pflanzen verbrannt werden. "Die konsequente und schonende Entfernung des Wasserkreuzkrauts auf so großen Flächen ist ohne motivierte Ehrenamtliche undenkbar", betont Salomon. Deren Handarbeit ist laut Bruhn enorm wichtig, weil erst sie das nachhaltige System "Naturschutz durch Nutzung" am Laufen halten.
Aus ganz Deutschland sind die Ehrenamtlichen in den Sinngrund gekommen, berichten Gruppenleiter Seitz und Marks. Manche nehmen sich Urlaub, andere, die in der Stadt wohnen, suchen eine Abwechslung im Alltag. Die Altersbandbreite liegt zwischen 20 und 80 Jahren. Neben dem Architekten stechen die Studentin oder der Industriemanager aus vollster Überzeugung Kreuzkraut. Untergebracht ist die Gruppe im Sternenhof in Seifriedsburg. Ein eigener Koch kümmert sich mit vegetarischer Vollwertkost um die Verpflegung der Gruppe.
Der Verein Bergwaldprojekt mit Sitz in Würzburg, 1986 von Greenpeace Deutschland in der Schweiz gegründet, organisiert deutschlandweit Freiwilligen-Wochen mit jährlich mehr als 3000 Teilnehmenden und über 140 Projektwochen an mehr als 70 Einsatzorten in Deutschland. Der Verein finanziert sich größtenteils aus Spenden.