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LOHR
Ehemaliger Diplomat führt den Geschichts- und Museumsverein
Den Bezug zur alten Heimat hat er immer gepflegt: So war Wolfgang Vorwerk, Generalkonsul a. D., auch im Juli 2014 dabei, als der Kreistag und die Bürgermeister des Landkreises Main-Spessart das Patenschiff „Spessart“ in Kiel besuchten. Links von ihm steht der damalige stellvertretende Kapitän der  Spessart“, Rolf von Bebern und rechts versucht sich Main-Spessarts Landrat Thomas Schiebel mit dem Hämmerchen.
Foto: Andreas Brachs | Den Bezug zur alten Heimat hat er immer gepflegt: So war Wolfgang Vorwerk, Generalkonsul a. D., auch im Juli 2014 dabei, als der Kreistag und die Bürgermeister des Landkreises Main-Spessart das Patenschiff ...
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 |  aktualisiert: 30.01.2018 02:56 Uhr

„Ein Bremer wird Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins“, hieß es nach der Hauptversammlung des Lohrer Vereins im November 2017. „Ganz so ist das nicht“, sagt aber Dr. Wolfgang Vorwerk. „Ich bin Lohrer und werde dies bleiben.“ Warum dann Bremen? „Nun, wir wohnen in der Nähe des Meeres, das ist fast wie Ferien. In Lohr sind wir in viereinhalb Stunden.“ Vor allem zählt aber: „Unser Sohn Alexander und seine Familie wohnen nur ein paar Minuten von uns entfernt. Das ist ein Geschenk.“

Enge Verbundenheit zu der Heimatstadt bewusst erhalten

Aufgewachsen ist Vorwerk in Lohr. 1967 legte er am hiesigen Gymnasium sein Abitur ab und studierte und promovierte in Rechtswissenschaften an der Universität Würzburg. „Wenn es in meinem beruflichen Leben mit permanent wechselnden Posten einen Ort gab, an den ich regelmäßig zurückkehrte, war dies Lohr“, sagt er. Über all seine Berufsjahre habe er die enge Verbundenheit zu seiner Heimatstadt bewusst erhalten.

1989 hielt er den Festvortrag zum Jubiläum „150 Jahre Lateinschule“ am Lohrer Gymnasium. In Lohr lebt auch seine jetzt 93-jährige Mutter. Über seine Wahl zum Vorsitzenden des Geschichts- und Museumsvereins (GMV) sagt er, es sei ihm eine Ehre, einem Verein vorzustehen, zu dessen Gründungsmitgliedern und Vorständen so bekannte Männer der Stadt gehörten wie Franz Back, Oskar („Lemmo“) Schecher, Otto Schecher, Waldemar Weigand, Oskar Bauer, Alfons Ruf oder der kürzlich verstorbene Josef Mehling.

Im Geschichts- und Museumsvereins will er kein „Laptop-Vorsitzender“ sein

Mit seinem Engagement möchte Vorwerk seiner Heimatstadt etwas von dem zurückgeben, was diese ihm als Rückzugsort und emotionalen Ruhepol über Jahrzehnte an Kraft für seinen kräftezehrenden Auslandsjob gegeben hat. Hinter dem Diplomaten liegen rund 15 Umzüge und Versetzungen weltweit. Kriege und Krisen waren Teil seines Tagesgeschäfts im Auswärtigen Dienst.

Im Geschichts- und Museumsverein will er kein „Laptop-Vorsitzender“ sein. Wie ein Ortsansässiger könne er zwar nicht wirken, doch wolle er im Sinne des 2016 verstorbenen Lohrer Ehrenbürgers Dr. Karlheinz Bartels und seines direkten Vorgängers Karl Anderlohr das Amt fortführen. Sein Anliegen: Er möchte neue Mitglieder gewinnen. „Vielleicht gelingt es durch meine Person, meinen beruflichen Werdegang und die von mir bearbeiteten Themen, jüngeren Menschen vor Augen zu führen, wie interessant Lokalgeschichte ist.“

Er fertigte einen Plan an, der in die Geschichtsbücher einging

Immer wieder habe es Menschen gegeben, die ihn zu neuen Forschungen inspirierten hätten. Allen voran nennt er Werner Loibl, den ehemaligen Leiter des Spessartmuseums. Er starb 2015. Wie er zu seinem Hobby „Lokalgeschichte“ kam, umreißt Vorwerk so: „Kurz vor meiner Versetzung an die deutsche Botschaft in Moskau 1978 führte mich mein einstiger Pfadfinderfreund Eberhard Sinner, damals Leiter des Forstamts Gemünden, zum Kloster Einsiedel („Elisabethenzell“) im Ruppertshüttener Wald.“ Da habe er dann für das Thema Feuer gefangen.

Von der sowjetischen Hauptstadt aus schrieb Vorwerk eine Reminiszenz an diesen Besuch und veröffentlichte sie in der Zeitschrift „Spessart“. Im Laufe der Jahre erforschte er aber nicht nur zahlreiche Spessartstraßen. Er fertigte auch den Drei-Stufen-Plan „Road Map“ an, mit dem der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer 2002 den entscheidenden Impuls im Nahost-Friedensplan gab. Der Plan ging in die Geschichtsbücher ein.

Seine Frau drängte ihn dazu, mehr über Einzelschicksale zu schreiben

Laut seinem Veröffentlichungsverzeichnis hat Vorwerk seit 1978 rund 70 Aufsätze und Schriften publiziert. Darunter sind zahlreiche Aufsätze über die Geschichte des Spessarts, das Lohrer Amtsviertel um das Schloss oder den keltischen Ursprung des Fluss- und Ortsnamens Lohr. Seine Frau Heide drängte ihn immer wieder, mehr über Einzelschicksale von Menschen zu schreiben wie vor Jahren über den Arzt Hans Storm, der in Frammersbach praktiziert hatte. Er war der Sohn des deutschen Dichters Theodor Storm.

Zuletzt dokumentierte Vorwerk in einem erschütternden Beitrag das bislang unbekannte Leben, Leiden und Sterben von 15 Töchtern und Söhnen jüdischer Familien aus Lohr. Sie wurden – oft hoch betagt – von den Nazis von ihren letzten Wohnorten wie Berlin deportiert und ermordet. Erschienen ist der Bericht im 2017er-Jahrbuch des GMV. Zurzeit schreibt der Heimatforscher über zwei jüdische Schüler des Lohrer Gymnasiums, die ebenso Opfer des Nazi-Regimes wurden.

Beruflicher Werdegang von Wolfgang Vorwerk

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg 1972 und einem Studium am Europakolleg Brügge (Belgien) war Vorwerk von 1975 bis zu seinem Ruhestand 2008 im höheren Auswärtigen Dienst. Er arbeitete mehrfach im Auswärtigen Amt in Bonn und Berlin sowie unter anderem in den deutschen Botschaften in Moskau (Sowjetunion), Tripolis (Libyen) und Tirana (Albanien).

Von 1998 bis 2004 war er im Auswärtigen Amt für den Nahen Osten zuständig, zuletzt als Nahost-Beauftragter im Rang eines Botschafters. Danach trat er seine letzte Dienststelle am Generalkonsulat Boston (USA) an. Er war der erste offizielle deutsche Vertreter, der am 8. Mai 2005 von der jüdischen Gemeinde seines Amtssitzes eingeladen war, zu 60 Jahren Befreiung über Auschwitz zu sprechen.

Vorwerk wurde mit der Ehrenplakette „The American Association of Jewish Holocaust Survivors of Greater Boston“ ausgezeichnet. Er ist Ehrenbürger mehrerer US-amerikanischer Städte, unter anderem von Minneapolis (Bundesstaat Minnesota) und Louisville (Kentucky).

Von der Welt der Diplomatie ans Ruder des Geschichts- und Museumsvereins: Wolfgang Vorwerk führt seit November 2017 den Lohrer Traditionsverein.
Foto: Rita Gress | Von der Welt der Diplomatie ans Ruder des Geschichts- und Museumsvereins: Wolfgang Vorwerk führt seit November 2017 den Lohrer Traditionsverein.
 
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