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Lohr
"Dunkles Loch" wird sonniges Biotop
Bäume müssen weichen: Ein Forstunternehmen hat damit begonnen, in der ehemaligen Sandgrube bei Sendelbach den Großteil des Bewuchses zu entfernen. Entstehen soll nach Vorstellung des städtischen Umweltreferenten Manfred Wirth und des Naturschutz-Experten Torsten Ruf ein sonniger Sandlebensraum.
Foto: Johannes Ungemach | Bäume müssen weichen: Ein Forstunternehmen hat damit begonnen, in der ehemaligen Sandgrube bei Sendelbach den Großteil des Bewuchses zu entfernen.
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 24.01.2022 02:18 Uhr

Dort, wo momentan noch Büsche und Bäume wachsen, sollen sich bald Eidechsen tummeln: Die Stadt Lohr hat am Mittwoch am Rand des Rombergs bei Sendelbach damit begonnen, eine weitere Ausgleichsfläche im Zusammenhang mit dem in Entstehung befindlichen Baugebiet Südlich der Steinfelder Straße zu schaffen. Unmittelbar neben der Straße Richtung Pflochsbach lässt sie in einer ehemaligen Sandgrube in großem Stil den Bewuchs entfernen. Ziel ist es, einen sonnigen und sandigen Lebensraum für Reptilien und andere seltene Arten zu schaffen.

Das gut 40 Bauplätze bietende Gebiet südlich der Steinfelder Straße liegt in einem ehemals ökologisch ausgesprochen hochwertigen Areal. Für die rund zwei Hektar, die dort an ursprünglichen Lebensräumen vernichtet wurden, musste die Stadt in den vergangenen Jahren reichlich Ersatzbiotope anlegen. Dieser natur- und artenschutzrechtliche Ausgleich war Grundvoraussetzung, um das Baugebiet überhaupt genehmigt zu bekommen.

"Eidechsenkorridor" geschlagen

Der quer durch den Romberg geschlagene "Eidechsenkorridor" ist wohl die bekannteste unter all den Ausgleichsflächen. Auf der anderen Seite des Rombergs hat die Stadt Sicheldünen und einen Roggenacker mit Wildkräutern angelegt. Dorthin wurden auch im Baugebiet ausgegrabene Höhlenbäume versetzt. In Steinbach plant die Stadt überdies einen rund 1,2 Hektar großen Feuchtlebensraum direkt neben dem Buchenbach.

Der für das Baugebiet getätigte Eingriff in die Natur ist somit zumindest aus artenschutzrechtlicher Sicht abgegolten. Bei der nun in Angriff genommenen Umgestaltung der ehemaligen Sandgrube geht es hingegen um den Ausgleich für die Zufahrt zum Baugebiet. Diese, so erklärte der städtische Umweltbeauftragte Manfred Wirth am Mittwoch vor Ort, gehöre planerisch nicht zum Baugebiet. Deswegen sei dafür eine eigene Ausgleichsfläche nötig. Die schafft die Stadt jetzt auf dem rund 5000 Quadratmeter großen Grundstück, das bis vor rund 50 Jahren als Sandgrube genutzt und vor Kurzem von der Stadt gekauft wurde.

Kosten: rund 6000 Euro

Einmal mehr geht es auch bei dieser Ausgleichsfläche vor allem um die besonders geschützte Zauneidechse, daneben aber auch um Schlingnatter und etliche seltene Pflanzenarten. All diese Arten sind auf besonnte Sandlebensräume angewiesen, erklärt Torsten Ruf, der die auf rund 6000 Euro veranschlagte Maßnahme mit seinem Naturschutzbüro fachgutachterlich begleitet.

Derzeit sei die über die Jahrzehnte zugewachsene ehemalige Sandgrube ein "dunkles Loch", sagt Ruf. Um das zu ändern, fällt ein Forstunternehmen einen Großteil der Bäume und entfernt diese von der Fläche. Einige stärkere Eichen, die zur Straße hin stehen, werden in rund vier Metern gekappt. Bereits im Herbst hatte die Stadt einige Hütten und Schuttablagerungen von der Fläche entfernen lassen. Sobald nun auch der Bewuchs weg ist, soll der humusreiche Oberboden so weit abgeschoben werden, bis Sand zum Vorschein kommt, auf dem sich ein Sandmagerrasen entwickeln kann. Von diesem Lebensraum existieren laut Ruf heute aufgrund des Wandels in der Landnutzung nur noch rund zwei Prozent dessen, was es vor gut 150 Jahren an Fläche gab.

In der ehemaligen Sendelbacher Sandgrube sollen später aus Gehölzresten und Steinen noch Jagd-, Versteck- und Überwinterungsstrukturen für Eidechsen geschaffen werden. An der Grenze zum Romberg hin ist außerdem geplant, die ehemals aus dem Sandabbau resultierende Steilwand wieder herzustellen. Dort könnten sich Uferschwalben ansiedeln. Diese Art, so erklärt Ruf, sei früher in Sandgruben bei Steinbach ansässig gewesen, in den vergangenen Jahren aber komplett aus dem Lohrer Talkessel verschwunden.

Fachleute betonen Sinn

Um zu verhindern, dass die ehemalige Sandgrube in Sendelbach über die Jahre erneut zuwächst, planen Ruf und Wirth eine Pflege in Form von Beweidung beispielsweise durch Ziegen. Doch jetzt knattern erst mal Säge und Rückemaschine. Aufgrund der Größe des Eingriffs rechnen Wirth und Ruf mit Reaktionen aus der Bevölkerung. Beide betonen daher, dass die Maßnahme dem Artenschutz dient: "Wald nimmt zu, Arten nehmen ab", erklärt Ruf, weswegen es in diesem Fall am Entfernen der Bäume und am Herstellen eines Sandlebensraums "aus naturschutzfachlicher Sicht nichts zu kritisieren gibt".

Ruf ist auch Vorsitzender der Lohrer Ortsgruppe des Bundes Naturschutz. Diese sei ebenso wie der Landesbund für Vogelschutz in die Planung der Maßnahme einbezogen gewesen, sagt er. Wenn es gut läuft, soll die Umgestaltung der Sandgrube bis Ende Februar abgeschlossen sein. Danach können Eidechsen und andere Arten den neuen Lebensraum erobern.

 
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  • S. H.
    Ich verstehe wohl denn Sinn dieser Aktion!
    Jedoch ist ein neues Baugebiet IMMER eine Vernichtung natürlichen Lebensraums - alles andere ist reine Augenwischerei bzw. ein Kompromiss!
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