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Gemünden
Dürfte man heute ein Wohnhaus wie die Kelten bauen?
In Gemünden standen schon in der Eisenzeit Häuser dort, wo jetzt ein Wohngebiet entsteht. Was, wenn jemand wie damals bauen wollte? Die Hürden dafür sind hoch.
So wie das Hallstatthaus im Segeum in Segnitz (Lkr. Kitzingen) muss man sich Häuser der Keltenzeit etwa vorstellen.
Foto: Archivbild: Norbert Bischoff | So wie das Hallstatthaus im Segeum in Segnitz (Lkr. Kitzingen) muss man sich Häuser der Keltenzeit etwa vorstellen.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:32 Uhr

Wo in Gemünden bald wieder Häuser stehen sollen, tummelten sich vor 2500 bis 3000 Jahren in der frühen Eisenzeit schon die Verwandten von Asterix und Obelix: Kelten. Bisher fanden sich bei den archäologischen Grabungen im geplanten Baugebiet Mühlwiesen II zwar noch keine Überreste ihrer Bauten, aber dafür ihre Gruben samt zerbrochener Keramik. Angenommen, jemand wollte unbedingt heute wieder so bauen wie die Ur-Gemündener damals in der Hallstattzeit, wäre das so einfach möglich?

Zunächst wäre die Frage zu beantworten, wie die Häuser damals aussahen. Einer, der es wissen muss, ist der Ur- und Frühgeschichtler Matthias Merkl, Gebietsreferent in der Bodendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalpflege in Bamberg, der neulich auch in Gemünden war. Es seien rechteckige Pfostenbauten mit Flechtwerkwänden gewesen, die wahrscheinlich mit Lehm beschmiert wurden. Der Boden war sicher gestampfter Lehm. Beim Dach wisse man es aber nicht sicher, es könnte mit Schilf oder auch mit Holzschindeln oder -planken gedeckt gewesen sein. Die Häuser gab es damals in unterschiedlichen Größen, auch der Grundriss eines heutigen Hauses wäre denkbar, so Merkl. In der Hallstattzeit habe es hingegen keine Langbauten mehr gegeben. Statt Toiletten gab es vermutlich irgendwo Gruben und im Innern brannte ein Feuer, eventuell unter einer Kuppel.

"Eine Klogrube geht nicht."
Peter Interwies, Bauamt Gemünden

Was also spräche dagegen, sollte sich irgendwer ein Keltenhäuschen auf seinen Bauplatz stellen und dort wohnen wollen? "Nahezu alles", sagt Peter Interwies vom Bauamt der Stadt Gemünden. "Eine Klogrube geht nicht." Laut der Satzung des Kommunalunternehmens Stadtwerke müssen alle Häuser an die Entwässerung angeschlossen werden – und auch ans Trinkwassernetz, was vermutlich vor 2500 Jahren auch noch nicht üblich war.

Für die Stadt komme es hauptsächlich auf den Bebauungsplan an, der gerade erstellt wird. Halte sich ein Bauherr daran, dürfe er von der Stadt aus bauen. Im Bebauungsplan ist beispielsweise die Form (etwa Satteldach), Neigung und Farbe (etwa rot, rotbraun und anthrazit) des Daches festgelegt. Ein Schilfdach etwa bräuchte dann schon wegen der Farbe eine Befreiung von diesen Vorgaben. Es müsste aber, wie das gesamte Haus, auch der Energieeinsparverordnung (EnEV) entsprechen. Für ihre Überwachung und die Einhaltung der bayerischen Bauordnung sei aber nicht die Stadt zuständig.

Das Büro für Ausgrabungen und Dokumentationen Heyse schaut am neuen Baugebiet Mühlwiesen II, ob sich Spuren früherer Häuser finden.
Foto: Björn Kohlhepp | Das Büro für Ausgrabungen und Dokumentationen Heyse schaut am neuen Baugebiet Mühlwiesen II, ob sich Spuren früherer Häuser finden.

Laut EnEV ist ein zu errichtendes Wohngebäude so auszuführen, "dass der Jahres-Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung und Kühlung den Wert des Jahres-Primärenergiebedarfs eines Referenzgebäudes gleicher Geometrie, Gebäudenutzfläche und Ausrichtung mit der in Anlage 1 Tabelle 1 angegebenen technischen Referenzausführung nicht überschreitet". Was schon mal nicht gut klingt für ein eisenzeitliches Haus, wird beim Blick in die angesprochene Anlage nicht besser. Für Außenwände, Dach, Fenster und Türen wird dort angegeben, wie viel Wärme sie nach außen lassen dürfen. Ob ein Schilfdach, eine Flechtwerkwand und eine Brettertür (Fenster wird es vermutlich keine geben) die Vorgaben erfüllen könnten?

"Sie kriegen das nicht ohne eine Ausnahmegenehmigung."
Bernd Bittner, Energieberater aus Karlstadt

Ingenieur Bernd Bittner aus Karlstadt kennt sich als zertifizierter Energieberater bestens aus mit Dämmwerten und sagt: "Die normale EnEV mit dem Ansinnen zu erfüllen, ist nicht möglich." Ein Schilfdach könnte aus seiner Sicht bei entsprechender Dicke die Vorgabe, einen Wärmedurchgangskoeffizienten von 0,20, vielleicht noch erfüllen, die Flechtwände und eine einfache Holztür wie eine Stalltür sehe er nicht so optimistisch. Sein Fazit: "Sie kriegen das nicht ohne eine Ausnahmegenehmigung." Wie eine solche Ausnahmgenehmigung zur EnEV begründet werden sollte, würde Bauamtsmitarbeiter Peter Interwies interessieren. Da müsste jemand schon komplett autark und ohne fossile Brennstoffe leben. Bittner würde auch die arme Familie bedauern, die dort wohnen würde. "Das pfeift durch alle Ritzen."

Der Kaminkehrer hat Bedenken gegen eine offene Feuerstelle

Bei einer Feuerstelle im Haus müsste der Bauherr den Kaminkehrer fragen, sagt Interwies. Eine Feuerstelle müsse in der Regel mit einem Kamin gefasst werden und ohne Tür müsste eine Lüftung her. Stefan Aufmuth ist Bezirkskaminkehrermeister in Gemünden. Er hält eine offene Feuerstelle im Haus auch für nicht genehmigungsfähig und für eine große Brandgefahr. "Die Rauchgase von Feuerstätten mit festen Brennstoffen müssen in einem Schornstein enden", sagt er. Eine neue Feuerstätte müsse auf jeden Fall vom Kaminkehrer abgenommen werden. Er gibt zu bedenken, dass man ja auch nicht einfach einen 30 Jahre alten Ofen wieder aufstellen darf. Am ehesten kommt eine Feuerstelle im Boden wohl einem offenen Kamin gleich. Aber die, so Aufmuth, dürften nicht das ganze Jahr über, sondern nur gelegentlich betrieben werden.

Leiterin des Kreisbauamts sieht Brandschutz als größte Hürde

Tanja Reder, Bauamtsleiterin am Landratsamt Main-Spessart, sieht bei einem eisenzeitlichen Haus aus Sicht der Unteren Bauaufsichtsbehörde als größtes Problem den Brandschutz, sie nennt etwa vorgeschriebene Feuerwiderstandsklassen für die Wände. Aber zunächst einmal müsste das Haus die Vorgaben des örtlichen Bebauungsplans, wie Grenzbebauung, Größe, Gestaltung, einhalten. Dann falle es unter das Genehmigungsfreistellungsverfahren. Das Landratsamt wäre dann erst einmal außen vor.

Bei Nichteinhaltung einer Festsetzung des Bebauungsplans müsste das Landratsamt den Antrag prüfen, meint Peter Interwies vom städtischen Bauamt. Im Freistellungsverfahren liege die Verantwortung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften beim Bauherrn beziehungsweise dem Planersteller. Erst wenn es dabei eine Beschwerde gebe, könnte der Pfostenbau wieder beim Landratsamt landen, so Tanja Reder. Es könnte aber auch der Baukontrolleur vorbeischauen und den Bau einstellen, wenn man sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften halte, sagt Peter Interwies. Auch Emissionsvorschriften könnten ein Problem darstellen.

Fazit: Wer heute so bauen wollte wie seine mutmaßlichen Urahnen vor Jahrtausenden, hat's schwer. Fachleute und Behörden raten ab. Aber kann das einen echten Keltenfan aufhalten?

 
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