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Lohr
Drinnen Grün – draußen Protest: Beim Politischen Aschermittwoch in Lohr gab es harsche Worte und Trillerpfeifen
Nicht zu überhören: Der politische Aschermittwoch der Grünen in der Alten Turnhalle in Lohr ist von einer Demonstration begleitet worden. Die Polizei schätzte, dass rund 150 Teilnehmer ihren Unmut kund taten.
Foto: Boris Dauber | Nicht zu überhören: Der politische Aschermittwoch der Grünen in der Alten Turnhalle in Lohr ist von einer Demonstration begleitet worden. Die Polizei schätzte, dass rund 150 Teilnehmer ihren Unmut kund taten.
Bearbeitet von Boris Dauber
 |  aktualisiert: 25.02.2024 03:34 Uhr

Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf rund 150 Menschen und hatte 51 Fahrzeuge gezählt – darunter viele Traktoren. Simon Amend aus Partenstein, der die Protestaktion gegen die Regierungspolitik organisiert hatte und als Versammlungsleiter agierte, sprach hingegen von 200 bis 250 Protestierenden und 150 Fahrzeugen. Diese parkten im Umkreis der Halle und auf der Mainlände. Die Graben- und Anlagenstraße musste als Rettungsweg freibleiben.

Die Bandbreite an Themen, die sich die Demonstrierenden auf die Fahnen geschrieben hatten, reichte von Biodiesel und Biosphärenreservat über Waffenlieferungen und Wolf bis zur Gesundheitspolitik. Auf all diesen Gebieten hat die Ampelregierung, die laut Amend "eine ziemlich ausgeprägte grüne Handschrift" trägt, nach Ansicht der Protestler völlig versagt. Das machten die Redner mit teils harschen Worten und die Teilnehmer mit ausgiebigem Applaus, lauten Trillerpfiffen und Rufen deutlich.

Von Waffenlieferungen bis Wolf

Von Liebe war an diesem Valentinstag vor der Alten Turnhalle nichts zu spüren: Simon Amend, der aus Partenstein kommt und einer der aktivsten Köpfe der im Herbst vorigen Jahres ins Leben gerufenen Initiative "Bürger Bauern Mittelstand" (BBM) ist, hatte den Ort des Protests mit Bedacht gewählt. "Wir wollen ein deutliches demokratisches Signal setzen, dass wir mit der aktuellen Politik nicht zufrieden sind. So eine Veranstaltung der Grünen bietet sich dafür gut an", sagte der 37-Jährige im Gespräch mit der Redaktion. Eine Demonstration in unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Nähe zu einer Parteiveranstaltung hatte es bisher im Rahmen der jüngsten Bauernproteste im Kreis Main-Spessart nicht gegeben.

Als weiteren Grund für den Protest gab Amend die Anwesenheit der grünen Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann an. Die Hammelburgerin, die von 2021 bis 2022 Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium war, war von den Main-Spessarter Grünen als Rednerin eingeladen. Sie sei ein "starker Entscheidungsträger in der Partei", betonte der Partensteiner.

In seiner Rede schoss der Zerspanungsmechaniker dann gegen die Pläne für ein Biosphärenreservat. Die Studie dafür habe mehrere Hunderttausend Euro gekostet und sei offenbar so brisant, dass man ihre Ergebnisse den Spessartern vorenthalten würde, sagte er. "Die Spessarter wollen keine Fremdbestimmung", rief Amend und erntete Applaus.

Derber als beim Derblecken

Alfred Greubel von "Landwirtschaft verbindet Deutschland" (LSV) drückte sich in seiner Ansprache teils so derb aus, dass sogar das Derblecken in München vergleichsweise zahm wirkt: "Wir werden mit einer Düngeverordnung nach der anderen gefickt", sagte der Bauer aus Elfershausen im Landkreis Bad Kissingen. Er warf den Grünen vor, dass sie die landwirtschaftlichen Erzeugnisse schlecht machen würden. "Sie halten uns sogar das Wasser, das vom Himmel fällt, unter die Nase", beschwerte sich Greubel über die Rechnung, dass für ein Kilo Rindfleisch 15.000 Liter Wasser verbraucht werden.

Rund um die Alte Turnhalle in Lohr sind am Mittwochabend viele Traktoren aufgefahren.
Foto: Boris Dauber | Rund um die Alte Turnhalle in Lohr sind am Mittwochabend viele Traktoren aufgefahren.

Die Bauern würden wegen der schlechten Politik nicht davonlaufen, sondern davonrennen, betonte er. Als Beleg führte er an, dass die Anzahl der Milchbauern in Unterfranken binnen des Jahres 2023 um acht Prozent zurückgegangen sei.

Marcus Scholz, der in Lohr ein Bäderstudio betreibt, plädierte dafür, "mit Respekt aufeinander zuzugehen". Wenn jemand nicht Mainstream sei, werde er seiner Meinung nach sofort in die rechte Ecke gestellt. "Das ist doch lächerlich", kritisierte er. Nach einem kleinen Abstecher in die Gesundheitspolitik und zum Gebäudeenergiegesetz, bei dem er den Politikern riet, sich für die Gesetzgebung den Rat von Fachleuten zu holen, sprach er die Waffenlieferungen an die Ukraine an. Scholz selbst hat Hilfstransporte dorthin organisiert und begleitet. Am Mittwoch gab er vor der Alten Turnhalle die Parole "Lieber 100 Stunden verhandeln als einmal schießen!" aus.

Vorwurf der zu weiten Entfernung von Politikern zum Volk

Ein Redner aus den Kreisen der Grünen bezweifelte in seiner spontanen Rede, dass die simple Formel, man müsse bloß verhandeln, dann würde Putin den Krieg schon beenden, realistisch ist. Doch das wollte das Publikum nicht hören, und überstimmte ihn mit lautstarken Rufen. "Lüge" und "Kriegstreiber" schallten dem Mann entgegen, der das Mikrofon daraufhin wieder abgab. Auch Manuela Rottmann ergriff zuvor die Gelegenheit, um ein paar Worte an die Demonstranten zu richten: "Der Eindruck ist nicht richtig, dass wir nicht mit den Leuten reden", betonte die 51-Jährige. Dem widersprach Landwirt Greubel, der sagte, er habe keinen Termin mit ihr bekommen, was die Menge mit Buh-Rufen quittierte.

Monika Roth aus Haibach wurmt das Gefühl, "dass Deutschland gegen die Wand gefahren wird" so sehr, dass sie sich am Mittwoch ebenfalls spontan zu Wort meldete. Die 59-Jährige, die nach eigener Aussage BBM nahe steht und eine kleine Elektrofirma hat, attestiert den Politikern, dass sie sich zu weit vom Volk entfernt hätten. Als Hobbybauern würde ihre Familie die Proteste nach Kräften unterstützen. Dass sie nach etlichen Kundgebungen und Demonstrationen nun auch vor der Hallentür der Main-Spessarter Grünen protestiert, begründete sie folgendermaßen: "Ich denke, dass die kommunale Ebene der Grünen noch einen Draht nach oben hat. Die sollen das mal weitergeben."

Demo früher beendet

Landwirt Anton Fleckenstein, der in Erlach einen Milchviehbetrieb hat, war nach eigener Schätzung schon bei mindestens zehn Protestaktionen dabei. Nicht nur in der Region, sondern auch in Berlin und Koblenz, wie er betont. Er ist der Meinung, dass die Grünen in der Regierung sagen, wo es lang geht. Fleckensteins Unzufriedenheit mit der Politik reicht von der geplanten Fleischsteuer bis zu den Flächenstilllegungen. Auf einzelne Punkte will sich der Landwirt aber gar nicht festlegen, "weil es einfach zu viel ist". Er weiß nur eines ganz sicher: "So kann es nicht weitergehen."

Gegen 18.30 Uhr beendete Simon Amend die Demonstration in Lohr, die bis 20 Uhr genehmigt war. Auf die Frage, ob die immer stärker brodelnden Emotionen unter den Teilnehmern ein Grund für das verfrühte Ende waren, winkt der Partensteiner ab. Ihm sei es lieber, wenn die Leute ihren Unmut mit Trillerpfeifen rauslassen, statt bei der Wahl ganz rechts ihr Kreuz zu machen, erläuterte er. Einsatzleiter Florian Daube von der Lohrer Polizei war auch zufrieden, weil "alles friedlich verlaufen ist". Die Polizei hatte mit zahlreichen Kräften Präsenz gezeigt.

 
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