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WOLFSMÜNSTER
Drei Webstühle klappern im Saalehof
ham-vä-Webstube Kisperth_3706       -  Silvia Kisperth webt Tücher und Stoffe gerne mit floralem Mustern, die in Deutschland fast komplett in Vergessenheit geraten waren.Fotos: Kerstin Väth
| Silvia Kisperth webt Tücher und Stoffe gerne mit floralem Mustern, die in Deutschland fast komplett in Vergessenheit geraten waren.Fotos: Kerstin Väth
Von Kerstin Väth
 |  aktualisiert: 21.11.2016 03:45 Uhr

Beim Altstadtadvent in Hammelburg sind Silvia und Wolfgang Kisperth wieder mit von der Partie. An der Tür zur guten Stube hängen bereits Ponchos, Tücher und Teppiche, die nur darauf warten, ausgeführt zu werden. „Eigentlich sind wir nicht so erpicht auf Weihnachtsmärkte, weil man da bei ungewissen Wetterverhältnissen im Zelt steht“, erzählt Silvia Kisperth.

Aber als Maria Rinecker aus Hammelburg sie vor zwei Jahren gefragt hat, ob sie mitmachen, haben sie es sich angeschaut und: „Es hat einfach gepasst.“ Die Scheune sei schön und die Kontakte gut. Und so werden sie und ihr Mann Wolfgang auch am 26. und 27. November wieder ihre sieben Sachen, Webrahmen und Spinnrad packen, und für zwei Tage ins Rineckerhaus einziehen.

„Das kleine Modell funktioniert im Prinzip genauso wie das große“, erklärt Wolfgang Kisperth. Aber einen Webstuhl könne man eben nicht so einfach mitnehmen. Das haben die beiden erst einmal gemacht, als sie eine Woche beim Kunstsymposium in Ramsthal ausgestellt haben. Aber mit einem Tag Auf- und Abbau und einem weiteren für die Einstellung sei das sehr aufwendig. Doch die Bedingungen seien gut gewesen und „solch große Ausstellungen sind auch ein Türöffner für uns“, meint Wolfgang Kisperth.

In Ramsthal beispielsweise hat eine Strickgruppe erfreut festgestellt, dass das Ehepaar in seiner Webstube in Wolfsmünster selbst Schafwolle spinnt und mit Brennessel, Ringelblumen, Schöllkraut oder Karotten einfärbt. Die Wolle, die Wolfgang Kisperth zunächst wäscht und kämmt, ging weg wie warme Semmeln, denn sie sei schwer zu bekommen. „Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig“, sagt Wolfgang Kisperth, der sich wie seine Frau für altes Handwerk interessiert.

Angefangen hatte alles damit, dass Silvia Kisperth das Spinnen erlernen wollte. Sie habe von Kindesbeinen an gerne genäht und von der Schwiegermutter ein Spinnrad bekommen. „Plötzlich hatte ich sehr viel Wolle, aber ich stricke nicht so gern“, erzählt die 59-Jährige. Vor zehn Jahren wurde ihnen ein Webrahmen angeboten und „das hat mir gut gefallen“, erinnert sich Ehemann Wolfgang. Im Raum Nürnberg haben sie sich später einen Webstuhl gekauft. „Und dann saßen wir da und haben zusammen geknobelt, wie das funktioniert“, berichtet der 60-Jährige.

Zum Glück gebe es gute Fachbücher. Ein grünes Buch, das eine Amerikanerin im Internet empfohlen hatte, steckte zufällig in einer Kiste, die sie geschenkt bekommen hatten, und darin waren die notwendigen Patronen (auch Zettel genannt), eine Art Notenzeile, die den Webern sagt, wie der Webstuhl für das jeweilige Muster eingestellt werden muss. Viele Muster sind 300 Jahre alt, waren aber in Deutschland komplett verschwunden. Nur ihr Name verrät häufig ihre deutsche Herkunft wie etwa „German Rose“. Seit acht Jahren klappert der Webstuhl bei Kisperths. Wolfgang übernimmt den technischen Part, sprich das Einrichten des Webstuhls, seine Frau Silvia das Weben. „Ich webe an einem Geschirrtuch eine gute Stunde, eine weitere muss man für das Einrichten rechnen.“

Drei Webstühle hat das Paar in seiner Werkstatt, durch die es seit diesem Sommer auch Führungen für maximal zehn Personen gibt. Eigentlich hatten sie das Weben von Schafwolle und Leinen zunächst für sich entdeckt. Aber: „Das Einrichten eines Webstuhls dauert elf Stunden, da lohnt es sich nicht, nur zwei Handtücher zu weben“, erklärt Wolfgang Kisperth. Und so wurde aus einem Hobby ein Kleingewerbe.

Neben der Verarbeitung von Schafwolle, die früher in der hiesigen Region weit verbreitet war, weben die beiden Autodidakten inzwischen auch Leinen, besser gesagt Halbleinen, das knittert nicht so. „Auch Leinen wurde hier früher überall angebaut, ist aber komplett verschwunden und mit ihm auch das Wissen darum“, meint Wolfgang Kisperth. Das Leinen habe das Rennen gegen die Baumwolle verloren, die trotz Import billiger war. Dabei sei Leinen viel pflegeleichter, lasse sich gut bügeln und bei 60 Grad waschen, ergänzt seine Frau.

Eigene Schafe haben die beiden nicht, aber ohnehin wird ihnen ständig Schafwolle von Hobbyschäfern angeboten. Recycling ist bei Kisperths in jeder Hinsicht groß geschrieben. Und so entstehen aus Stoffresten Flickerlteppiche, die sie auch mal gegen Hühnereier oder Honig mit Nachbarn tauschen. Ansonsten versorgen sich die beiden weitgehend aus ihrem eigenen Garten, weshalb die gelernte Finanzbuchhalterin ihren Job in Frankfurt aufgegeben hat, um jetzt ihrer neuen Berufung zu frönen. Wolfgang Kisperth ist Archivar in der Deutschen Bibliothek in Frankfurt und pendelt noch.

Im nächsten Jahr wollen die gebürtigen Sachsen, die vor 13 Jahren das leer stehende Anwesen in Wolfsmünster gekauft und hergerichtet haben, ein Hoffest mit Korbflechter und Spinngruppe veranstalten. Auch sonst sind Besucher in der Webstube Saalehof willkommen, um sich über das Handwerk zu informieren.

ham-vä-Webstube Kisperth_3702       -  Die Schafwolle wird erst gekämmt und dann natürlich eingefärbt.
| Die Schafwolle wird erst gekämmt und dann natürlich eingefärbt.
ham-vä-Webstube Kisperth_3700       -  Ehemann Wolfgang ist für das Einrichten der Webstühle und das Weben der Teppiche zuständig.
| Ehemann Wolfgang ist für das Einrichten der Webstühle und das Weben der Teppiche zuständig.
 
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