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WÜRZBURG/LOHR
Drei Männer wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt
Von unserem Redaktionsmitglied Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:34 Uhr

Mit teils empfindlichen Haftstrafen endete am Mittwoch vor dem Würzburger Landgericht der Prozess gegen drei junge Männer aus dem Raum Lohr. Sie waren ursprünglich wegen versuchten Totschlags angeklagt, wurden letztendlich jedoch wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Die zum Tatzeitpunkt 15, 17 und 19 Jahre alten Angeklagten hatten in der Nacht zum 1. April 2012 in Frankfurt einen 22-jährigen Obdachlosen im Streit um ein Handy mit elf Messerstichen sowie Tritten lebensgefährlich verletzt.

Den 19-jährigen Hauptangeklagten, der die Messerstiche geführt hatte, verurteilte die Große Jugendkammer zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Der zweite Täter, der zum Tatzeitpunkt 17-Jährige, muss für seine Tritte gegen den Kopf des Opfers für zwei Jahre und zehn Monate hinter Gitter. Nur dem mit 15 Jahren Jüngsten aus dem Trio bleibt nach zehnmonatiger Untersuchungshaft der erneute Gang ins Gefängnis erspart. Er wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Alle drei Angeklagten hatten die Tat gleich zu Beginn der Verhandlung eingeräumt.

Die der Großen Jugendkammer vorsitzende Richterin Helga Müller attestierte allen drei Angeklagten ein „erschreckendes Aggressionspotenzial“. Sie könnten von Glück reden, dass sie nicht wegen vollendeten Totschlags verurteilt werden mussten. „Das hätte auch ganz anders ausgehen können“, sagte die Richterin angesichts der Schwere der Verletzungen des Opfers.

Jene Nacht, die so fatale Folgen hatte, war ursprünglich als vergnüglicher Ausflug in die große Stadt geplant. Der 15-Jährige hatte seine beiden Kumpels zu einem nächtlichen Bordellbesuch ins Frankfurter Bahnhofsviertel eingeladen. Im Anschluss daran streifte das Trio ziellos durchs Stadtgebiet, um die Zeit bis zur Abfahrt des ersten Zuges in die Heimat am frühen Morgen zu überbrücken.

In einem unscheinbaren Wohngebiet am Rande der Innenstadt trafen sie auf das spätere Opfer. Bei diesem handelte es sich um einen psychisch schwer kranken 22-Jährigen, der bei der Frankfurter Polizei als leicht reizbar und aggressiv bekannt ist. Das Trio war mit dem sprunghaften Verhalten des Obdachlose offensichtlich heillos überfordert.

Als der Mann irgendwann mit einem von den Angeklagten ausgeliehenen Handy abhauen wollte, eskalierte die Situation. Das Trio holte den Flüchtenden ein und brachte ihn zu Boden. Dann stach der älteste Angeklagte elfmal zu. Die beiden Jüngeren traten dem bereits am Boden Liegenden gegen Körper beziehungsweise Kopf. An den Schuhen aller drei Täter fanden sich später Blutspritzer des Opfers. Das erlitt neben den von Messerstichen in Brust und Bauch verursachten akut lebensgefährlichen Verletzungen auch einen Nasenbruch sowie Platzwunden.

„Das hätte auch ganz anders ausgehen können.“
Richterin Helga Müller angesichts der Verletzungen des Opfers

Die Fähigkeit zu einem solchen Gewaltexzess war den Angeklagten vor Gericht keineswegs anzumerken. Sie präsentierten sich durchgehend höflich, sortiert, zurückhaltend, ja fast schon schüchtern. Die Jugendgerichtshilfe bescheinigte jedoch allen drei Angeklagten „schädliche Neigungen“. Auch der Blick in die Vorstrafenregister offenbarte, dass kriminelles Handeln für keinen der jungen Männer Neuland war.

So floss in die Strafe des 19-jährigen Haupttäters eine Schlägerei ein, die er kurz vor der Frankfurter Tat im Lohrer Stadtteil Wombach angezettelt hatte. Auch der mit 15 Jahren Jüngste ist bereits wegen gefährlicher Körperverletzung einschlägig vorgeahndet. Den zum Tatzeitpunkt 17-Jährigen hatte man gar erst wenige Tage vor der Tat aus einem Jugendarrest entlassen. Auch er ist wegen Körperverletzung vorbestraft, daneben noch wegen Diebstahl und Drogendelikten.

In seinem Plädoyer hatte der Staatsanwalt am Mittwoch den Tatvorwurf vom ursprünglich angeklagten versuchten Totschlag in gefährliche Körperverletzung abgemildert. Es habe trotz der schwere der Verletzungen des Opfers wohl keine Tötungsabsicht vorgelegen, so seine Einschätzung, die auch das Gericht letztendlich teilte. Der Messerstecher habe freiwillig und gerade noch rechtzeitig von seinem Opfer abgelassen. Gleichwohl handle es sich um eine „ganz außerordentliche Tat“, bei der alle Angeklagten froh sein könnten, dass das Opfer mit viel Glück überlebt habe, betonte der Staatsanwalt.

Für den 19-jährigen Messerstecher forderte er eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, für den damals 17-Jährigen eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Lediglich dem im geringsten Umfang am Gewaltexzess beteiligten 15-Jährigen wollte er bei seiner Forderung nach einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren noch eine Bewährungschance zubilligen.

Kurios, dass sowohl der Staatsanwalt als auch das Gericht von dem am Ende am glimpflichsten davonkommenden 15-Jährigen in der Verhandlung den schlechtesten Eindruck gewonnen hatten. Anders als die beiden Älteren hatte er sich beim Einräumen seiner Tatbeteiligung allzu sehr gewunden. Dem Messerstecher bescheinigten sie indes, den „vernünftigsten Eindruck gemacht zu haben“. Es sei offenbar der Alkohol, der bei ihm zu einer unerklärlichen Enthemmung führe.

Dass das Trio durch das Einräumen der Tat mangels Zeugen überhaupt erst deren Ahndung ermöglicht hatte, werteten Staatsanwalt und Gericht zu Gunsten der Angeklagten, ebenso ihr gutes Führen in der Untersuchungshaft.

Dennoch sah das Gericht keinen Grund, den Verteidigern zu folgen. Diese hatten unter anderem mit Verweis auf das aggressive Auftreten des Opfers und eine daraus angebliche resultierende Notwehr deutlich mildere Strafen gefordert, die nach ihrer Vorstellung allesamt zur Bewährung hätten ausgesetzt werden sollen.

„Denkt man sich das Verhalten des Opfers weg, wäre die Tat nie passiert“, sagte einer der Verteidiger. Die Täter seien schlicht „zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen. Der Verteidiger des jüngsten Angeklagten verblüffte mit folgender Feststellung: „Man muss einem Jugendlichen zugestehen, dass er mal eine Schlägerei begeht.“

Die Verurteilten zeigten sich einsichtiger. „Ich bereue den Tag sehr. Alles nur wegen dem blöden Bordellbesuch“, lautete das Schlusswort des mittlerweile 18-Jährigen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

 
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