
Wenn Drechslermeister Michael Nätscher in seiner Werkstatt steht, hat er einen Arbeitskittel an, ein Käppi auf dem Kopf und einen Großteil seines Gesichts durch eine Maske geschützt vor Holzstaub. In dieser Woche hat er seine Werkstattkluft getauscht mit einem feinen Zwirn, denn in Mailand ist ein Designerstück aus seiner Werkstatt ausgestellt.
In der Villa Mozart stand der Handwerksmeister aus dem Spessart im Mittelpunkt. Der 61-Jährige und die 27-jährige luxemburgische Designerin Roxanne Flick präsentierten ihren außergewöhnlichen Tisch - entworfen in Luxemburg, ausgeführt in Eichenholz bei Nätscher in Neuhütten.
In der Ausstellung - eingebunden in die internationale Möbelmesse - werden nur 19 sehr erlesene Exponate aus verschiedenen Materialien präsentiert. Allesamt zeichnen sie sich durch besonderes Design, umgesetzt mit exzellentem handwerklichen Können aus.
Exklusive Stücke reizen
Doch der Reihe nach: Drechslermeister Nätscher fertigt in seiner Werkstatt immer wieder ausgefallene Stücke, oftmals von ungewöhnlicher Größe - etwa ein drei Meter langes Nudelholz, das als Sitzbank-Markenzeichen vor einer oberbayerischen Bäckerei steht. Doch er kann auch filigraner. Vor allem reizen ihn die ungewöhnlichen Aufträge. So kam 2016 der Kontakt zur Studentin Roxanne Flick zustande. Für ihre Masterarbeit hatte sie den Tisch in Form einer Schale entworfen. Fast ein Jahr dachte sie darüber nach, wie dieses ungewöhnliche Möbel auszusehen hat. Sie wandte sich an Michael Nätscher, dem aus einem Wombacher Familienbetrieb stammenden Handwerksmeister. Nätscher fertigte der jungen Frau den gewünschten Tisch. Die Designerin war glücklich und verkaufte das gute Stück im Herbst in Luxemburg.
Dann kam die Einladung, sie möge diesen Tisch im Mai im Grand Palais in Paris ausstellen. Deshalb meldete sie sich erneut bei Nätscher, ob er noch einmal das gleiche Stück drechseln und sich etwas sputen könne, weil sie auch noch eine Einladung für Mailand im April bekommen habe. Der 61-Jährige ließ sich nicht zweimal bitten, denn er brennt für die Herausforderung, Ideen umzusetzen. »Das Formgefühl ist ganz wichtig. Ich habe viele Augen«, sagt er und meint damit seine Fingerspitzen, mit denen er immer wieder über sein Produkt streicht und ertastet, ob die Form passt.
So war es auch für diese Auftragsarbeit der luxemburgischen Designerin. Sie wollte den 75 Zentimeter hohen Tisch in Form einer Schale aus Eiche, mit einer Glasplatte und einer in der Mitte eingelegten Granitplatte. Über 20 Stunden arbeitete Nätscher am Zwilling des guten Stücks. Im Februar war es fertig und wurde noch in der Werkstatt mit der Designerin für ein Buch fotografiert, bevor es für die internationale Schau abgeholt wurde.
Als die Einladung nach Mailand eintraf, war für Nätscher klar: Den langen Weg nimmt er mit seiner Frau auf sich. »Die Vernissage war für mich ein Erlebnis. Es waren viele Fachbesucher erschienen und ständig zückten sie die Handys, um Fotos zu machen«, berichtet der Drechslermeister aus Mailand am Telefon.
Nächstes Nudelholz wartet
Bis 14. April wird sein Tisch in Mailand präsentiert und danach geht er nach Paris. Der nächste Auftrag wartet auf Nätscher zuhause: Eine Bäckerei in der Nähe von Gelsenkirchen hat von seinem überdimensionalen Nudelholz erfahren und nun auch eines in Auftrag gegeben, ebenfalls wieder aus Spessarteiche.
Drechslermeister Nätscher hat eine Antwort auf solch ungewöhnliche Anfragen: »Wenn Sie ein rundes Problem in Holz haben, dann löse ich es«.
