Kohlefaser, dieser superleichte und extrem stabile Stoff, hat es Jarek Kolcz aus Zellingen angetan. Jetzt nennt er ein Rennrad sein eigen, an dem das meiste aus diesem Material besteht. „Lebendgewicht“ 4,3 Kilogramm, Preis 11 500 Euro – das sind die nackten Daten.
Es wäre möglich gewesen, hier noch 10 und da noch 20 Gramm herauszukitzeln, aber dann wären die Kosten ins Astronomische gestiegen. „Man könnte das Rad noch 400 Gramm abspecken. Aber dann würde es 4000 Euro mehr kosten. So habe ich versucht, für den Preis das Optimum herauszuholen“, schildert Kolcz seine Intention. Er hat die Gewichte und Preise aller Einzelteile im Kopf. Sein Carbonsattel beispielsweise wiegt 51 Gramm. Vier Gramm weniger – und er wäre 200 Euro teurer gewesen.
Gute Rennräder wiegen normaleweise um die sieben Kilo. Der Radrennsport-Weltverband UCI hat sich darauf verständigt, ein Mindestgewicht von 6,8 Kilo festzulegen, um nicht Sportler zu benachteiligen, die sich die neuesten Hightech-Räder nicht leisten können. Das Rad des Zellingers ist damit also nicht renntauglich, da zu leicht.
Dünnwandig
Vor einigen Jahren hat er einen Carbonrahmen komplett selbst gebaut, indem er auf eine Stange Kohlefaserschichten auflaminierte und am Ende im Backofen backte. Diesmal jedoch überließ er anderen die Rahmenfertigung. Er hat ihn nach seinen Angaben in China herstellen lassen. Übers Internet hatte er den Kontakt zu einem bekannten Rahmenhersteller geknüpft. Den Namen könne er nicht nennen. „Das wollen die nicht.“ Möglich war all das auch nur, weil er selbst seit zwei Jahren mit seinem Laden „Bike & Style“ Radhändler ist. Gekostet hat ihn der Rahmen letztlich 4000 Euro. Er wiegt 750 Gramm bei einer Rahmenhöhe von 54. Ein „normaler“ Carbonrahmen dieser Größe habe 1000 Gramm. Bei seinem seien die Rohre dünnwandiger, erklärt Kolcz.
Bei einigen Komponenten hat er zum billigeren und schwereren Aluminium gegriffen, so etwa bei Bremsen, Vorbau und Kettenblättern. Bei diesen Kettenblättern wusste er sich aber anderweitig zu helfen: „Die Stege waren überflüssig, die habe ich rausgeschnitten.“ So waren es wieder ein paar Gramm weniger. Bei der Stahlkette ist aus jedem Glied einen Schlitz ausgefräst – zur Gewichtsersparnis.
Der Umwerfer ist aus Titan. Das Schaltwerk hinten besteht aus Alu mit einem Carbonkäfig. Ungefähr einen Tag Arbeit hat Jarek Kolcz in den Zusammenbau der Maschine investiert.
Wie sinnvoll ist ein leichtes Rad überhaupt? Diese Frage bietet Stoff für endlose Diskussionen. So berichtete die „Zeit“ von einer mathematischen Berechnung zweier Sportwissenschaftler, die zu folgendem Ergebnis kamen: Auf einer 40 Kilometer langen, weitgehend ebenen Strecke spart ein drei Kilogramm leichteres Rad je nach Trainingszustand des Fahrers zwischen 5 und 13 Sekunden ein. Drei Kilo weniger Fahrergewicht jedoch bringen – vor allem aufgrund des geringeren Luftwiderstands – 19 bis 25 Sekunden Ersparnis. Bei drei Prozent Steigung auf einer Distanz von 20 Kilometern brachten drei Kilo weniger – egal, wo diese eingespart wurden – immerhin zwischen 29 und 94 Sekunden Zeitgewinn.
Extreme Beschleunigung
Keine Aussage ist dort zu finden über eine Strecke, auf der häufig beschleunigt werden muss. Denn das ist es, was Jarek Kolcz an seinem Rad am meisten begeistert: „Toll ist die extreme Beschleunigung.“
Eine Rolle spielt sicher auch der Spaß am Tüfteln. Immer wieder denkt er sich Neuigkeiten aus, die er besonders gerne aus Fahrradteilen erstellt: Gürtel, bei denen als Schließe eine Fahrradkette um einen kleinen Zahnkranz gelegt, wird, einen Bilderbaum aus Fahrradketten, an dem Bildchen mit Magneten befestigt werden können und – passend zur Jahreszeit – eine Oktoberfest-Ecke in seinem Fahrradladen. Aus Felgen hat er hier zwei Sessel konstruiert. Man sitzt auf den Speichen, und das gar nicht mal unbequem.
Seine Kunden bestaunen sein Ultraleicht-Rad zwar gerne, eine konkrete Absicht, auch so eines zu ordern, hat aber noch keiner geäußert. Es müssten wohl 100 Bestellungen zusammenkommen, damit der Preis für den Rahmen deutlich erträglicher wird. So wird das Rad voraussichtlich ein Unikat bleiben – und ein weiteres Zeugnis von Kolcz‘ Tüftel- und Bastelleidenschaft.