Sie tragen Gummistiefel, manchmal Kettenhemd und eine lange, wasserundurchlässige Schürze. Das Wichtigste eines Metzgers aber hängt im Köcher am Hüftgürtel: Schlachtmesser, Stechmesser, Häutemesser und Wetzstahl. Daniela Traub trägt an diesem Montagvormittag nichts von alledem. Und doch dreht sich in dem Gespräch alles um ihr Handwerk und die daraus resultierende Chance: Im September 2020 wird die 26-Jährige mit einem zwölfköpfigen Team aus Deutschland auf der World Butchers' Challenge, der Mannschaftsweltmeisterschaft der Fleischer, im kalifornischen Sacramento antreten.
Worum es hier geht? Über einen Zeitraum von drei Stunden und 15 Minuten müssen die teilnehmenden Mannschaften ein halbes Rind, ein halbes Schwein, ein ganzes Lamm und fünf Hähnchen ausbeinen, zuschneiden, veredeln und in einer Auslage präsentieren.
Dabei dürfen die Mannschaften ihre eigenen Gewürze, Marinaden und Zutaten mitbringen. Die Herausforderung liegt darin, Neues zu erfinden, was aber auch im Alltag hergestellt, verkauft und zubereitet werden kann, erklärt die Internetseite der Veranstaltung. "Zudem zählt Schnelligkeit, Kreativität, Sauberkeit und Gesamteindruck", sagt Dirk Freyberger, Teamkapitän aus Nürnberg. Bewertet wird das Team von unabhängigen Richtern, die aus den Ländern der teilnehmenden Nationen kommen.
Daniela Traub startet in der Kategorie "Young Butcher" für Metzger unter 30 Jahren. In einem Vorentscheid hat sie sich den Team-Zuschlag erkämpft. "In 25 Minuten musste ich etwas aus einem Kotelett, einer Lende oder einem Hähnchen machen", erzählt sie. Sie entschied sich für Letzteres – und wählte drei verschiedene Zubereitungsvarianten: Die Hähnchenbrust umwickelte sie mit Speck. Die Keulen löste sie aus und marinierte sie mit Kräutersalz. Den Rest verarbeitete sie zu einer Art Farce, einer Füllung, verfeinert mit Gewürzen, Sahne, Wein. Diese strich sie auf herzförmig ausgestochenen Pizzateig, verpasste ihm ein Frischkäse-Topping und eine Dekoration. Fertig. Damit hatte sie das deutsche Team von sich überzeugt. "Daniela war sehr kreativ, gut vorbereitet, hat sehr akkurat gearbeitet und ihr Ding in der Zeit umgesetzt", begründet Teamkapitän Freyberger.
Wie Daniela Traub zu ihrem Beruf kam? "Mich hat das Arbeiten mit Fleisch schon immer gereizt", erzählt sie. "Wir hatten früher selbst Landwirtschaft und Schweine", so Traub. Die Tiere zu schlachten, gehörte dazu. So machte Daniela Traub nach der Schule eine Lehre zur Fleischereifachverkäuferin, setzte daraufhin mit 18 Jahren eine Lehre zur Köchin in Lengfurt (Lkr. Main-Spessart) drauf, bevor sie mit 20 Jahren den Beruf der Fleischerin/Metzgerin erlernte. Sie wurde Innungsbeste. Und musste sich die Anerkennung als Frau im Fleischerhandwerk dennoch erkämpfen.
Metzger ist ein Knochenjob
"Man darf nicht zimperlich sein. Der Job ist auch ein Knochenjob", findet Traub. Zunächst mal brauche es Kraft, schließlich kann ein Tier schon mal über 100 Kilo wiegen. Zudem müsse man starke Temperaturschwankungen gut vertragen. So zum Beispiel, wenn es von minus 18 Grad im Kühlhaus in die feuchte Hitze der Wurstküche gehe. Womit sie Schwierigkeiten hat: Fleisch wegzuschmeißen. Ein Tier "from nose to tail" also "vom Kopf bis zum Schwanz" zu verarbeiten hat für die Metzgermeisterin auch mit Respekt vor dem Tier zu tun. "Bis auf Zähne und Augen kann ich alles verarbeiten", sagt sie. In Deutschland sei diese traditionelle Fertigkeit in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen. Deutsche Hahnenkämme und Krallen würden mittlerweile nach Asien verschifft. "Die meisten Menschen denken beim Fleischkauf nicht mehr darüber nach, dass das mal ein Tier war. Greifen einfach nur noch in die Tiefkühltruhe", sagt sie.
Auch beim Wettbewerb wird die Verarbeitung des ganzen Tieres eine Herausforderung – von der Schwarte bis zum Hühnerflügel. Ist sie selbst ein Fleischfan? Aber ja! Am besten schmeckt es ihr natürlich, wenn es von einem Handwerksmetzger kommt. Woher das Fleisch stamme oder wie es verarbeitet wurde, merke man am Geschmack und der Konsistenz. "Das Wienerle zum Beispiel muss knackig sein", so Traub. Das wiederum hängt oft davon ab, ob ein Tierdarm oder das Ersatzprodukt, ein Kunstdarm, verwendet wurde. Daniela Traub findet, dass Fleisch in Deutschland oft zu billig sei: "Für Käse und Fisch geben die Leute viel Geld aus. Aber für Fleisch?" Es sei schon erstaunlich, wenn die Tatsache, dass Schweinefleisch wegen der Schweinepest 20 Cent pro Kilo teurer wird, gleich zum Aufreger wird.
Denken für die Fleischindustrie: Wie kann ich eine Wurst ohne Darm herstellen?
In Gummistiefeln und mit Fleischermesser ist die 26-Jährige allerdings derzeit selten unterwegs. Nach ihrer Ausbildung zur Fleischerin und der Meisterprüfung setzte sie auch noch den Techniker oben drauf. Was sie dort lernte? "Wir denken sozusagen für die Fleischindustrie", erklärt sie. Zum Beispiel: Wie kann ich eine Wurst ohne Darm herstellen? Oder eine Leberwurst, die unbedenklich lange ungekühlt liegen bleiben kann. Mittlerweile arbeitet sie bei Edeka C+C Foodservice als Fachberaterin und betreut 30 Edeka-Märkte in Thüringen, Sachsen und Nordbayern im Außendienst.
Um handwerklich zu bleiben, will sie sich daheim in Wüstenzell (Lkr. Würzburg) eine eigene Küche einrichten. Und natürlich, um für die WM zu üben. Wie hier die Chancen stehen? "Die Vorbereitungen auf den Wettkampf bedeuten einen extremen Kraftaufwand", so Teamkapitän Dirk Freyberger. Schließlich haben viele Teammitglieder eigene Betriebe, dazu müssen Sponsoren gewonnen, Teammanager gefunden werden. Und trotzdem nehme man den Wettkampf sehr, sehr ernst, erklärt er. Der Anreiz: Die globale Gemeinschaft, lebenslange Freundschaften, neue Geschäftsmöglichkeiten und – ganz wichtig – der Imagegewinn im eigenen Land.