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KARLSTADT
Die Spießer werden immer jünger
Rainer Hain
 |  aktualisiert: 19.11.2014 17:58 Uhr

Kabarettist Michael Altinger betritt aus dem Halbdunkel die Bühne. Dazu ertönen die Klänge seines musikalischen Mitstreiters Martin Julius Faber, Keyboard und Gitarre. Mit einem dramatischen theatralischen Engagement und hohem Sprechtempo beginnt Altinger seine zweistündige Bühnenshow nach dem „Geneigtmachen des Publikums“ („Die Karlstadter, die heute Abend hier sind, sind die besten Karlstadter, die es gibt.“).

Die Zuschauer im voll besetzten Theater in der Gerbergasse brauchen nicht viel Zeit, um Altinger zu beschnuppern. Sie kennen ihn und seine Art, Witze zu machen vom Bayerischen Rundfunk und sind von der ersten Sekunde an auf ihn eingestellt: „Instant Comedy“ sozusagen.

Altinger entführt seine Fans in ein imaginäres bayerisches Dorf namens Strunzenöd. Der Name ist Programm. Traditionelle Werte werden dort hochgehalten und vor allem der Familienvater im Kabarettisten hat mit den modernen Zeiten, respektive dem Lebensstil der Jugend, so seine Schwierigkeiten. Frei nach Dieter Hildebrandt: „Die Spießer werden immer jünger.“

Aber nicht nur die zwölfjährigen kommunikationsgestörten Facebook-Abhängigen hat er dabei im Visier, sondern auch deren Eltern, die die 600 Euro teuren Smartphones kaufen („Falls mal was los ist“), als hinge das Entführungsrisiko vom Alter des Handys ab. Auch mit E-Books kann sich Altinger nicht anfreunden. Für ihn ist das klassische Lesen nicht nur geistiger Gewinn, sondern eine haptische und sinnliche Erfahrung. Er möchte das Buch riechen, wenn es ihm gefällt und es in die Ecke pfeffern, wenn es nichts taugt.

Kein Respekt vor Älteren

Seine Modernismus-Kritik ist scharf und gründlich. Eine Jugend, die schon mit 20 Jahren Karrierepläne aufstellt und mit 22 Doktorarbeiten schreibt und dabei unfähig ist, Menschen über 40 den geringsten Respekt entgegenzubringen, ist ihm nicht geheuer. Altinger bleibt, obwohl die Themen ernst sind, immer witzig, wird bisweilen sogar grotesk.

Auch surreale Figuren erfindet der Kabarettist, die im Laufe des Abends zu Symbolen geraten: einen Indianer, dessen Seele bei einer Reise nicht hinterherkommt, Hans-Peter mit der Frisur von Hannelore Kohl und seine Frau, die imaginäre Augenia, das Vollweib. Auch die beiden pubertierenden Söhne Altingers müssen immer wieder als „Running gag“ herhalten: Ihnen kauft er extra einen neuen Computer, damit sie nicht immer nachts den Kühlschrank leer essen.

Zwischendurch singt Altinger und mutiert vom lyrischen Barden zum Hard-Rock-Shouter – wobei bei ihm über die Liedtexte die wirklich kritischen Fragen kommen, auch existenzielle.

Dem Ziel gerecht geworden

Am Ende brennt Altinger noch einmal als „Finale grande“ das große Feuerwerk seiner leitmotivisch verknüpften Gags ab. „Ich sag's lieber direkt“ heißt sein neues Programm. Seinem selbst gesteckten Ziel ist er durchaus gerecht geworden. Aber es ist auch intelligent und umwerfend komisch.

 
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