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GRÄFENDORF
Die Retter der Mühlen
Von unserem Mitarbeiter Ferdinand Heilgenthal
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:08 Uhr

Stephan Schulze und seine Frau Ulrike Schupp haben ehrgeizige und interessante Pläne für die Seemühle am Ortsrand von Gräfendorf. Die neuen Besitzer wollen das über 300 Jahre alte, heruntergekommene Anwesen in ein „Naturresort Seemühle im Spessart“ verwandeln.

In drei bis vier Jahren will das Ehepaar in den beinahe verfallenen Gebäuden und auf dem 15 Hektar großen Umland mit Wald, Wiesen und Bachlauf ein Projekt verwirklichen, das auf sanften Tourismus abzielt und das Angebot in der Region ergänzen soll. Zum weit gediehenen Konzept gehören Hotel, Gastronomie, Ferienwohnungen, Tagungshaus, Hofladen, Backhaus, Baumhäuser, Naturbadeteich, Walderlebnispfad und Erdsauna. Der Elektroingenieur Stephan Schulze und die Psychologin Ulrike Schupp stellten das Vorhaben bereits dem Gemeinderat vor (wir berichteten).

Zur Energiegewinnung plant der aus der Gegend von Hannover stammende 47-jährige Geschäftsführer einer Firma im Bereich erneuerbare Energien ein Blockheizkraftwerk zu errichten und das Mühlrad zur Stromgewinnung zu aktivieren. Einschlägige Erfahrungen mit Haussanierungen hat das Paar bei den Arbeiten an seiner stilvoll renovierten „Klappermühle“ am Ortsrand von Weickersgrüben gesammelt.

Acht Jahre lang gesucht

„Acht Jahre lang haben wir in Deutschland und im angrenzenden Ausland eine Mühle gesucht, die zu uns passt“, berichtet Schulze. Das sei gar nicht so einfach gewesen, sagt er und zählt einige Problembeispiele auf: Stark befahrene Straße in der Nähe, eingetragene Erbrechte Dritter, wasserrechtliche Probleme oder einfach ein nicht mehr reparabler Bauzustand. In Weickersgrüben habe man schließlich die Klappermühle entdeckt und sie nach einem Jahr kaufen können.

2000 zogen Stephan Schulze und Ulrike Schupp in die Mühle ein und renovierten sie mit viel Energie. Zuerst schafften sie sich einen Generator an und aktivierten die Wasserkraft, im Inneren der Gebäude war ebenfalls viel zu tun. Die Decken und Türen mussten erhöht werden, Fußböden wurden begradigt und neu verlegt, außerdem war die Haustechnik veraltet. Dazu kamen die Gestaltung der verwilderten Außenanlage, der Einbau neuer Dachfenster und noch vieles mehr.

Schulze kann die Liste beliebig fortsetzen: „Vier Jahre lang haben wir jeden Jahresurlaub investiert und die Wochenenden sowieso. Danach ging es noch weiter, aber nicht mehr so intensiv“. Seit etwa vier Jahren können wir sagen: „Wir sind fertig.“

Da der 47-Jährige aber einen Ausgleich zur Büroarbeit braucht, beriet er sich mit seiner Frau über weitere Lebensziele. Sie kamen überein, sich einem Fremdenverkehrsprojekt zu widmen, das sich am sanften Tourismus orientiert und nicht in den üblichen Hotel- oder Wellnessrahmen passt. Dazu haben die Eheleute auf ihren Reisen Erfahrungen, auch negativer Art, gesammelt und sich bei renommierten Gastwirten und Hoteliers nach deren Erfolgsrezept erkundigt.

Dabei gewannen sie interessante Erkenntnisse, sagt Schulze. So vermitteln nicht unbedingt fünf Sterne dem Gast Wohlgefühl, vielmehr kommt es auf die Fähigkeit des Wirtes an, auf seine Gäste einzugehen, und auf sein Einfühlungsvermögen an. Wichtig ist nach Schulzes Meinung außerdem ein aufmerksamer, doch dezenter Service.

Mit dem neuen Ziel, einem Naturresorts, begann die erneute Suche nach einem geeigneten Objekt und wieder war es nicht einfach, auf Anhieb das Richtige zu finden, erläutert Schulze. Schließlich konnte das Paar die Seemühle erwerben, die es schon von früher kannte. Seit zwei Jahren beschäftigen sich die Eheleute mit der Planung, die immer konkretere Züge annimmt. Dem Gemeinderat, vielen Behördenvertretern aber auch Landwirten und Forstleuten habe man das Konzept bereits vorgestellt und breite Zustimmung erhalten, sagt Schulze.

Baubeginn im Frühjahr

Mit dem derzeitigen Stand der Dinge sind die Mühlenbesitzer sehr zufrieden. Die Finanzierung der Investitionen von veranschlagten ein bis eineinhalb Millionen Euro ist gesichert, ohne einen Fremdinvestor in Anspruch nehmen zu müssen, bemerkt Schulze. Fördermittel aus verschiedenen Töpfen sind in Aussicht gestellt, die Verhandlungen darüber laufen aber noch. Den Winter will der 47-Jährige für weitere Behördengespräche und die Einleitung des baurechtlichen Verfahrens nutzen, sodass im Frühjahr dem Beginn der Bauarbeiten nichts mehr im Wege steht.

Nach drei bis vier Jahren Bauzeit soll die Anlage in Betrieb genommen werden und auch wertvolle Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region bieten. Nicht nur „die Realisierung der Vision“ ist für ihn reizvoll, sagt Schulze im Gespräch abschließend. Für ihn ist auch wichtig, Kulturgut zu erhalten: „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich verfallende Gebäude sehe.“

ONLINE-TIPP

Lesen Sie unseren früheren Bericht über das Projekt Seemühle unter www.mainpost.de/regional/main-spessart/gemuenden

Mühle Nummer eins: Stephan Schulze und Ulrike Schupp haben die Klappermühle in Weickersgrüben in jahrelanger Sanierung zu einem Kleinod werden lassen. Die dabei gesammelten Erfahrungen sollen in ihr neues Projekt „Seemühle“ einfließen.
Foto: Ulrike Schupp | Mühle Nummer eins: Stephan Schulze und Ulrike Schupp haben die Klappermühle in Weickersgrüben in jahrelanger Sanierung zu einem Kleinod werden lassen.
Mühle Nummer zwei: In drei bis vier Jahren sollen sich in dem 300 Jahre alten Anwesen Seemühle in Gräfendorf Touristen erholen.
Foto: U. Schupp | Mühle Nummer zwei: In drei bis vier Jahren sollen sich in dem 300 Jahre alten Anwesen Seemühle in Gräfendorf Touristen erholen.
 
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