Es ist nur eine kleine Zelle im Betrieb des Bezirkskrankenhauses: Das Haus Nummer 7 am Sommerberg. Mindestens seit 1988 konnten sich Alkoholiker, die ihre 14-tägige Entgiftung hinter sich hatten, eine Rehabilitationsphase in diesem Haus verbringen. Von den 14 Betten dort sind nur noch vier belegt, erläutert Krankenhausdirektor Bernd Ruß auf Anfrage der Redaktion und bestätigt: „Wir beenden unsere Reha-Einrichtung bis 31. Mai.“
Einvernehmliche Einigung
Darauf hätten sich die Krankenhausleitung und der Träger der Einrichtung, die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Nordbayern einvernehmlich geeinigt, so der Krankenhausdirektor. Zwar widerspricht die DRV Nordbayern: Tatsächlich habe die Klinikleitung des Bezirkskrankenhauses Lohr „kurzfristig darüber informiert, dass die Trägerverwaltung des Bezirkskrankenhauses sowie die Krankenhausleitung sich entschieden haben, das Betreiben der Rehabilitationseinrichtung vorerst ab 1. Juni 2018 zu beenden.“ Doch macht das in der Konsequenz wohl keinen großen Unterschied.
Einziger, aber entscheidender Grund ist laut Ruß: die Fallzahlen gehen zurück. Woran das liegt, vermag er nicht zu sagen. Die Kosten für die Entgiftung eines Alkoholikers zahlen ja noch die Krankenkassen. Die anschließende Reha hingegen sei eine freiwillige Entscheidung. „Wir können niemanden zwingen.“ Sie muss beantragt werden und wird von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern bezahlt.
Der rückläufige Trend ist offenbar ein bundesweites Phänomen, wie die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Anfrage bestätigte. Es scheint ein genereller Trend zu sein: Wurden 2014 noch rund 861 000 Anträge auf eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation gestellt, waren es in den Folgejahren nur noch 826 000 beziehungsweise 821 000 Anträge. Bei den Entwöhnungsbehandlungen war dieser Trend sogar noch etwas stärker: Hier ging die Zahl der Anträge von rund 66 000 (2014) über 56 000 (2015) auf 54 000 Anträge zurück. Für 2017 liegen noch keine Zahlen vor.
Warum dies so ist, ist selbst in Berlin nicht bekannt. Da bislang keine eindeutig identifizierbaren Ursachen auszumachen sind, wurde sogar ein eigenes Forschungsprojekt zu diesem Thema installiert.
Die akut-stationären Patienten profitieren
In Haus 7 in Lohr hatten bislang insgesamt sieben Vollzeitkräfte zu tun – die Pflegekräfte in hohem Maße, Therapeuten stundenweise mit einem Teil ihrer Arbeitsleistung im Bezirkskrankenhaus. Was künftig dort wegfalle, komme demnach den akut-stationären Patienten zugute, erläutert Ruf.
Dass die Einrichtung durchaus geschätzt wurde, zeigt das Engagement der aktuell noch vier verbliebenen Patienten, deren Langzeittherapie üblicherweise 15 Wochen dauert und bis Mai ausgelaufen sein wird. Die Nachricht von der bevorstehenden Schließung habe bei ihnen „Kopfschütteln, Unverständnis und Trauer“ ausgelöst, schreiben sie in einem Brief, den sie an Krankenkassen, Vertreter des Bezirks und Landtagsabgeordnete Barbara Stamm verschickt haben.
Lob von Patienten: Nahezu familiär geführt
„Diese Einrichtung hebt sich bewusst von anderen großen Rehazentren ab“, führen sie aus. „Man gibt einem das Gefühl, wieder etwas wert zu sein.“ Nahezu familiär geführt, habe dies „großen Einfluss auf die Genesung und Stabilisierung für jeden Einzelnen“.
Dem gut geschulten Personal sei es zu verdanken, dass man nach etlichen Tiefs auch wieder habe Mut schöpfen können. Es habe vielen Menschen in ein neues, abstinentes und aktives Leben geholfen – eine Behandlung, die man anderen Suchterkrankten nicht vorenthalten solle. „Wir sind der Meinung: An der Gesundheit sollte niemals gespart werde“, appellieren die vier trockenen Alkoholiker.
In Main-Spessart gibt es ohnedies keine vergleichbare Einrichtung, die von der Rentenversicherung beschickt wird. Die am nächsten gelegenen sind in Weibersbrunn und im 100 Kilometer entfernten Hofheim (Landkreis Haßberge). Weitere in Unterfranken gibt es nicht. Über 150 Kilometer entfernt nur noch in Thurnau bei Kronach (Oberfranken) sowie im mittelfränkischen Ansbach und Großhabersdorf.
Klinik ist derzeit überbelegt
Wie das Haus 7, eine laut Ruf „voll funktionierende Station“, ab Juni genutzt wird, ist noch offen. „Wir sind noch in Überlegungen“, so der Krankenhausdirektor. Dass es genutzt wird, steht außer Frage. „Wir haben ja eine Überbelegung von 105 Prozent“, verdeutlicht Ruf. Wobei er betont, dass dies überhaupt nicht ursächlich mit der Schließung zusammenhänge. Freilich habe die Klinik insgesamt durch den Verzicht auf die Reha-Einrichtung dann „ein bisschen Luft nach oben“.