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Bischbrunn
"Die Not im Spessart" – Vortrag über die Lebensbedingungen im 19. Jahrhundert
Bearbeitet von Richard Krebs
 |  aktualisiert: 26.04.2021 02:15 Uhr

Corona bedingt musste die Volkshochschule Marktheidenfeld (VHS) ihre Vortragsveranstaltung: "Die Not im Spessart? – Virchow und die Waldbewohner" mit Gerrit Himmelsbach vom Archäologischen Spessartprojekt (ASP) als Online-Veranstaltung anbieten, an der 52 Personen aus allen Spessartregionen teilnahmen. In seiner Begrüßung stellte Alt-Bürgermeister und VHS-Vorsitzender Leonhard Scherg Himmelsbach als einen erfahrenen und berufenen Referenten vor, der sich durch die mittlerweile über 100 von ihm initiierte Kulturwanderwege und seinen beruflichen Werdegang ein exzellenter Kenner des Spessarts sei.

Wie war es um die Gesundheit der Spessarter bestellt, als Rudolf Virchow 1852 im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung die "Not im Spessart" untersuchte, zu dem damals auch das bayerische Orb gehörte. Handelte es sich tatsächlich um eine Ansammlung verarmter ehemaliger Glasmacher, die sich durch übergroße Kinderscharen die eigene Überlebensbasis entzogen? Virchow war acht Tage unterwegs, nahm sich die Waldbewohner vor und porträtierte sie auf seiner Reise. Er schilderte die schlechte Ernährungs- und Wohnsituation. Jahrzehnte später wurde die Bevölkerung des Spessarts in den sogenannten Physikatsberichten unter die Lupe genommen.

Ein Bild des Jammers in Orb

Katastrophal waren die Lebensbedingungen im Jahr 1836 in Orb. Orb ging 1814 nach den napoleonischen Kriegen vom Frankfurter Departement Aschaffenburg an das Königreich Bayern. Damit versiegten die geldbringenden Salzlieferungen und die Armut der Bevölkerung zog ein. Die Not in Orb und im Spessart war so groß, dass man auch im fernen München aufmerksam wurde und neben Hungersnöten auch Seuchen (Typhus) befürchtete. Orb war die einzige Stadt im Spessart und zählte 4400 Einwohner in 820 Familien. Etwa drei Viertel der Einwohner waren erwerbslos. Die von Virchow angetroffenen Lebensverhältnisse boten ein Bild des Jammers, besonders bezüglich der Wohn- und Ernährungssituation. Spenden wurden gesammelt, die bayerische Staatsregierung versuchte, durch zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen Arbeitsplätze zu schaffen und die größte Not zu lindern, die nach der Schließung der Bergwerke und Glashütten entstanden waren. Auch die Kirchen initiierten Kollekten um der armen Spessartbevölkerung zu helfen. Virchow bereiste in den acht Tagen seines Spessartaufenthaltes die Landgerichte in Rothenbuch, Alzenau, Orb und Lohr. Überall traf er sehr unhygienische Wohnverhältnisse mit verschimmelten Wänden mit tausenden Flöhen an.

Auf seinem 56-seitigen Bericht über die "Noth im Spessart" verfasste Virchow "eine medizinisch-geographisch-historische Skizze" des Spessarts, vorgetragen März 1852 vor der Physikalisch-medizinischen Gesellschaft der Uni Würzburg. Not im Spessart entstand demnach wegen Mangel an Nahrungsmitteln, Wohnungsnot, Mangel an Arbeit, Hungersnot und Armut, was zu einem schlechten allgemeinen Gesundheitszustand führte. Als Lösung sah er "Bildung, Wohlstand und Freiheit sind die einzigen Garantien für die dauerhafte Gesundheit eines Volkes."

Wohlstand in Billingshausen

Peter Apfelbacher, Bezirksschulrat, Lehrer und Gemeindeschreiber in Karbach verfasste einen Bericht, "Wie es ums Jahr 1835 im Bezirksamtssprengel Marktheidenfeld aussah". Dabei wurden die Spessartgemeinden wenig berücksichtigt. Altenbuch nichts, in Altfeld gab es viele Reifschneider, in Esselbach die Poststation. Die Glashütte Einsiedel beschäftigte 13 Glasmacher und 42 Arbeiter. Durch Zollverträge war ein bedeutender Absatz im Ausland zu erwarten. Positiver sah er die Situation auf der Marktheidenfelder Platte: Billingshausen wurde mit "wohlhabenden Einwohnern beschrieben, die auf eine wohlbestellte Flurmarkung sehr bedacht sind". Böttigheim hatte damals relativ "viel Wohlstand".

Die Not im Spessart hielt bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts an. Damals versuchten die Nazis, mit verschiedenen Maßnahmen Arbeitslosigkeit und Not zu lindern. Richtig wirtschaftlich aufwärts ging es erst mit dem Autobahnbau in den 1960er Jahren.

 
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