Ja - es gibt ihn, den musikalisch magischen Moment. Am Samstagabend durften ihn rund 50 Musikfreunde in Marktheidenfeld erleben: ein stimmungsvolles Ambiente im historischen Weinkeller des Franck-Hauses, ein virtuoser Könner wie der Berliner Gitarrist und Ensemble-Musiker an der Deutschen Oper, Peter Kuhz, und die einfühlsame, großartige Stimme der Sängerin Esther Lorenz aus Hanau.
Das Duo war mit Liedern des Bossa Nova und des Bolero Cubano aus Südamerika zu Gast bei einem Konzert der gemeinsamen Reihe "Wortkunst" von Volkshochschule, städtischer Kulturabteilung und Stadtbibliothek. Einen wirklichen Gänsehautmoment bereitete Esther Lorenz beispielsweise mit ihrer bewegenden Interpretation der leisen und doch so wirkungsvolle Klage gegen den Rassismus "Canción de Cuna del Niño Negro" - "Wiegenlied für ein schwarzes Kind" des Kubaners Amadeo Roldán.
Auf seine ganz eigene Weise wurde der Abend auch zu einer Feier des Karnevals, denn mit den Werken der beiden brasilianischen Väter des Bossa Nova Antônio Carlos Jobim (1927-1994) und Luiz Bonfá (1922-2001) kamen deren unvergessene, sanfte Melodien für den Film "Orfeu Negro" (1959) in Erinnerung. In diesem wurde der antike Liebesmythos von Orpheus und Eurydike im Karneval von Rio zu neuem Leben erweckt.
Davon erzählte Esther Lorenz mit dem großen Umfang ihrer klaren Stimme und einem bisweilen auch leicht rauchigem Timbre in den Balladen über das Glück "A Felicidade" oder den Sonnenaufgang "Manhã de Carnaval". Seine brillante Spieltechnik und seine ganze melodische Emotion brachte Peter Kuhz solistisch auf der Gitarre mit dem tiefst melancholischen "Samba de Orfeu" wie auch später mit dem Stück "Mais Um" des deutsche Jazz-Gitarristen Frank Kuruc zur Wirkung.
Die Jobim-Hits "Dindi" und "Garota de Ipanema" - letzteren formte Esther Lorenz wie einst die legendäre Ella Fitzgerald in einen "Boy from Ipanema" um - waren natürlich Herzensangelegenheiten. Eine Ode an die brasilianische Metropole ist "Rio" von Roberto Menescal, und Jobims "Corcovado" ließ die Zuhörer gedanklich zum "buckligen" Hügel mit der Christus-Statue hoch über Rio de Janeiro reisen.
Früher als der Bossa Nova der 1950iger Jahre entwickelte sich, wie Esther Lorenz ihrem Publikum kurz erläuterte, bereits der Bolero Cubano in der Karibik. Ihn verbindet mit eher sanften Rumba-Rhythmen nichts mit dem ursprünglichen, schnellen Volkstanz aus dem spanischen Kastilien. Die beiden lateinamerikanischen Stilrichtungen fanden sehr schnell ihren Weg zum Jazz und zur populären Schlagermusik. Welches Lied würde das wohl besser verdeutlichen als das als Schnulze oftmals zu Tode gedudelte "Besame Mucho" von Consuelo Velázquez. Lorenz und Kuhz gaben dem Werk seine Würde und seine romantische Wirkung zurück.
Die Mexikanerin María Grever schuf mit "Cuando vuelva a tu lado" einen Song, der später als "What a Diff’rence a Day Made" zum Welthit wurde. Die Liebe wurde zu einem bestimmenden Moment an diesem Abend nach dem Valentinstag mit "Más Amor" (Mehr Liebe) von Eydie Gormé oder "Historia de un Amor" von Carlos Eleta Almarán aus Panama.
Und dass es mit der Liebe, bei Tag und Nacht betrachtet, nicht immer so ganz einfach ist, lehrte früher schon die israelische Sängerin Esther Ofarim als Erkenntnis. Das kleine, sephardische Ständchen "Yo m’enamori d’un Aire" berichtete mit typisch jüdischem Humor, dass sich der Liebste im Hellen oder Dunklen als durchaus recht unterschiedlich gut aussehend erweisen könnte.
Großer Applaus dankte am Ende für einen großartigen musikalischen Abend voll mit Melodien, Poesie und Gefühlen.