Er verflucht Mumiendampfer, steht auf Kriegsfuß mit Kormoranen: Werner Harth, einer der letzten seiner Zunft am Main. Fast schon kurios seine Erklärung, dass der Fluss zu sauber ist – zumindest für die Meefischli.
Werner Hart ist einer der wenigen noch aktiven Fischer am Main, der noch regelmäßig mit Netz und Reuse auf Fang geht. Aber auch er übt diese Tätigkeit mittlerweile nur noch als Hobby aus. Nebenbei bietet er auch Führungen am Streckenabschnitt Himmelstadt an.
Die Netze einholen
Morgens um sechs Uhr blinzelt die Sonne soeben über Hänge des Lerchenberges und beginnt ganz langsam, die Nebelschleier über dem Fluss zu lichten. Trotz der frühen Stunde sitzen schon einige Angler am Wasser. Da knattert ein Motor und von der Schleuse her nähert sich ein eiserner Schelch. Werner Hart ist mit seiner langen Fischerschürze unterwegs, um seine Netze einzuholen. Ausgelegt hat er sie am Abend davor.
Auf der Wasseroberfläche treibt ein Plastikgefäß – geradeso als ob jemand achtlos einen Becher mit „Coffee to Go“ in den Fluss geworfen hätte. Doch für den Fischer Hart ist das eine Boje, die Markierung, dass er hier sein Netz ausgelegt hat.
Masche für Masche
Sorgfältig beginnt er das Geflecht Masche für Masche hochzuziehen und auf ein Gestell aufzulegen, damit es sich nicht verheddert. Nach etwa fünf Minuten ist die Enttäuschung groß: „Das ist heute eine Null-Nummer“, ruft er seinen Besuchern am Ufer zu. Unterhalb der Schleuse aber hat er dann Erfolg: Ein fast anderthalb Meter großer Waller ist in den Maschen hängen geblieben.
Das leere Netz im Oberwasser kommt leider in letzter Zeit oft vor. Schon zehn Tage zuvor, als er an einem Sonntagnachmittag ein gutes Dutzend Interessierter zur Schleuse geführt und über die Besonderheiten der Fischerei heute erzählt hatte, war das Gespräch auf diese Problematik gekommen. „Der Fischbestand heute ist schlecht“, ließ er seine Gäste wissen. Und das hat mehrere Ursachen.
Wasser ist deutlich sauberer
Zwar hat sich die Wasserqualität des Mains in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, doch da sind zum einen die 35 Schleusen zwischen Frankfurt und Bamberg mit ihren Kraftwerken. Sie hindern zum Beispiel die Aale nicht nur an ihrer Wanderschaft, vielmehr werden die Kraftwerksturbinen regelmäßig zur Todesfalle, der bis zu zwei Drittel der Aale zum Opfer fallen.
Früher gab es jede Menge Störe, Lachse, Zander und Hechte. Auch die „Meefischli“ – Weißfisch und Rotauge – seien selten geworden, so Hart. Letztere leiden kurioserweise unter dem konsequenten Ausbau der Kläranlagen. Diese nämlich sorgen dafür, dass weniger Nitrate, also Nährstoffe, in den Main gelangen.
Auf Kriegsfuß mit Reihern und Kormoranen
Auf Kriegsfuß steht der Fischer auch mit den Reihern und Kormoranen. Diese holen Tag für Tag rund 1000 Tonnen Fisch aus deutschen Gewässern.
Noch einen Schädling für den Fischbestand nennt er: die Mainschiffe. 35 sind es täglich, 7000 im Jahr, besonders schlimm findet er die großen Schubverbände und die „Mumiendampfer“ – die Hotelschiffe. Durch ihren starken Wellenschlag und ihre Wasserverdrängung schädigen sie den Fischlaich und weil durch die Flussvertiefungen die Bauten, die Altwasser immer seichter geraten, spült der Sog der Schiffe den Laich aus seinen Ruhezonen. Statt der ursprünglichen Fischarten vermehren sich jetzt der Waller-Wels, die Schwarzmeergrundel und der Barsch.
Verbrieftes Recht seit 1887
Hart spricht bei seinen Führungen auch über die Grundzüge des Fischereirechts. So wird zum Beispiel das gesetzlich verbriefte Recht zwischen Retzbach und Wernfeld seit 1887 auf 35 Fischereiberechtigte aufgeteilt und weitervererbt oder verkauft; neue Rechte werden nicht mehr vergeben. Hart hat sein Recht 2006 von seiner Ehefrau übernommen. Reine Berufsfischer gibt es auf der Strecke nicht mehr, die übrigen sieben bis acht Fischer üben ihr Recht nur noch hobbymäßig aus.
Eine Aufgabe der Fischerzunft ist die Betreuung der Angler mit der Rute, die als „Gast am Gewässer“ gegen ein Kartenentgelt die notwendige Berechtigung erhalten. Aus den etwa 500 jährlich ausgestellten Angelkarten fließen rund 60 000 Euro zu, die vollständig in den Erhalt des Fischbesatzes investiert werden.
Die schwarzen Schafe unter den Anglern
Mit einigen der Hobby-Angler ist Fischer Hart überhaupt nicht zufrieden, weil viele nur auf das „Jagderlebnis“ aus sind und ihren Fang nicht verwerten, sondern oft wieder verbotenerweise verletzt ins Wasser zurückwerfen.
Im Anschluss seiner Fischereiführungen zeigt Hart seinen Gästen an der Fischerhütte in der Mainstraße gegenüber dem Biergarten seine Arbeitsgeräte wie das dreiwandige Stellnetz und verschiedene Reusen.
Ausklang mit Fischplatte
Zu guter Letzt gibt es vor Ort noch eine wohlschmeckende Fischplatte zur Verkostung, denn der Himmelstadter Fischer verwertet seinen Fang auf leckere Art – vorausgesetzt, dass es beim letzten Netzeinholen nicht wieder eine Nullrunde gegeben hat.