Am 31. Januar 1865, also vor 150 Jahren, beschloss der US-Kongress mit dem 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten das Verbot der Sklaverei in den USA. Es war Schlusspunkt und Ende der offiziellen Sklaverei in den damaligen Industrienationen.
Nicht per Gesetz verbieten ließ sich jedoch das rassistische Gedankengut, das nach wie vor auch seinen Weg in die Kinderbücher fand und schon bei den Kindern das Bild vom faulen und unzivilisierten „Neger“ in seiner stereotypen, klischeehaften Erscheinungsform verfestigte.
So vermittelte der Bilderbogen Knecht Ruprecht in Kamerun, das damals eine deutsche Kolonie war, 1890 den Kindern in karikaturhafter Art die Vorstellung von den „wilden Schwarzen“, die natürlich auch mit den üblichen Weihnachtsgeschenken für die Kinder innerhalb des europäischen Kulturbereichs nicht in der gewünschten Weise umgingen.
Das von Knecht Ruprecht mitgebrachte Schaukelpferd wurde „mit Haut und Haar verzehrt“, ebenso das Bilderbuch. Die Puppen wurden über dem offenen Feuer am Spieß gebraten und der Hampelmann endete am Marterpfahl. Schließlich musste Knecht Ruprecht selbst schleunigst die Flucht ergreifen, weil ihn „die jungen Herrn am Ende selbst zum Fressen gern“ hatten.
Bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts gehörte das „Lied von den zehn kleinen Negerlein“ zu den am häufigsten gesungenen Liedern in Kindergärten und Grundschulen. Dabei zeichnete es doch ein Zerrbild vom ungebildeten und tölpelhaften Afrikaner. Dieses Zerrbild als Folge deutscher Kolonialpropaganda fand seinen Eingang auch in die anderen Schulbücher und untermauerte dadurch auch „offiziell“ die Vorstellung von der Überlegenheit der „weißen Herrenrasse“, die sich dazu berufen glaubte, den „wilden“ Afrikanern die europäische Kultur aufzuzwängen, sie gewissermaßen zu schwarzen Europäern zu erziehen, ohne Rücksicht auf die traditionsreichen Kulturen eines anderen Erdteils.
Grete Ziemann schrieb in diesem Sinne nach einem Kamerunaufenthalt in dem 1908 von ihr verfassten Buch „Mola Koko! Grüße aus Kamerun“: „Der Neger ist kein Kind, der Neger ist eben Neger. (…) Laßt uns den Neger an die Hand nehmen und ihm zeigen, daß wir für ihn sorgen, und nicht bloß ausbeuten wollen, dann werden eine Anzahl bildungsfähiger Keime auch eher zur Entwicklung kommen. Möge in dieser Beziehung das Titelbild des Buches eine Art Symbol darstellen. Man kann nur immer wiederholen, Erziehung zur Arbeit durch Europäer, die selber erzogen sind, tut not.“
Doch selbst wenn der Afrikaner, insbesondere der Afro-Amerikaner, versuchte, sich der weißen Lebensart und Kultur anzupassen, wurde dies nicht gewürdigt, sondern ins Lächerliche gezogen. So oder so konnte der Afrikaner/Afro-Amerikaner sich den jahrhundertelang aufgebauten Vorurteilen nicht entziehen. Ihm erging es damit ähnlich wie den auf Assimilation bedachten deutschen Bürgern jüdischer Konfession in Deutschland.
Der damals sehr bekannte Kinderbuchautor und Gestalter von Ziehbilderbüchern, Lothar Meggendorfer, brachte schon auf den ersten Seiten eines seiner bekanntesten Werke „Lustiges Automaten-Theater“, Verlag Schreiber in Eßlingen, 1890, die Ziehbildgeschichte vom „Negergigerl“ und dichtete dazu:
„Das Negergigerl.
Der Neger, ei, wie elegant!
Das reinste Modeschnigerl;
Wer so sich trägt, heißt, wie bekannt,
Ein Modefex – ein ,Gigerl‘.
Seht nur, wie er die Zeitung hält
Sich dicht vor sein Gesichte;
Und eifrig liest er, es gefällt
Gewiß ihm die Geschichte.
Ihr zieht – ha!
Schaut nur, wie er lacht,
Wie Aug und Arm sich rühren!
Ja, selbst die Pfeife wird er sacht
Zu seinem Munde führen!“
Schon früh hat der Arzt Heinrich Hoffmann die rassistischen Vorurteile seiner Zeit bekämpft. In seinem im Herbst 1845 auf dem Büchermarkt erschienenen Kinderbuch „Struwwelpeter“ ließ er die drei Buben, die einen Mohren verspottet hatten, im Tintenfass schwärzen. „Doch Hoffmann blieb allein auf weiter Flur. Denn die damals schon wissenschaftlich unhaltbare Ideologie einer genetischen Verschiedenheit der Menschenrassen aus dem 18. Jahrhundert ließ sich nicht mehr bremsen und artete unverzüglich zur Rassendiskriminierung aus. Die unsägliche 'Lehre von den menschlichen Varietäten' hatte sich zu einem virulenten Virus geistiger Beschränktheit gewandelt, den nicht einmal das Grauen des Holocausts stoppte“ (Michael Westerholz, Journalist und Buchautor).
Trotz aller gesellschaftlicher Entwicklungen und geschichtlicher Erfahrungen haben sich die derart tief eingeprägten rassistischen Klischees in mancherlei Beziehung bis in die Gegenwart erhalten.
Es ist offensichtlich, dass die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen, welche in Artikel 1 konstatiert: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“ (UNO-Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948) bis heute nicht in den Köpfen vieler Menschen angekommen ist.
Diesem Themenkreis widmet das Lohrer Schulmuseum eine Sonderausstellung mit dem Titel „Der Afrikaner im Kinderbuch“, welche in sechs Vitrinen im Eingangsbereich des Museums noch bis zum 17. Mai 2015 zu sehen ist.
Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Sendelbach ist Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger telefonischer Absprache unter Tel. (0 93 52) 49 60 oder Tel. (0 93 59) 3 17 außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.