Immer wieder gibt es Bäume, die für Menschen eine besondere Bedeutung haben. Mal sind es Methusalems, die wegen ihres hohen Alters und ihrer Stärke faszinieren, mal ziehen Bäume mit außergewöhnlichen Wuchsformen Menschen in ihren Bann. In der Woche des Waldes informiert das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt über Wälder im Klimawandel. Denn Dürre und Hitze machen auch vor besonderen Bäumen nicht halt. Diese und folgende Informationen sind einer Pressemitteilung des AELF entnommen.
Im Zellinger Gemeindewald begeistert eine auf den ersten Blick unspektakuläre 100 Jahre alte Rotbuche den zuständigen Revierleiter. Jetzt stirbt der Baum, der vor Jahrzehnten sein besonderes Erkennungsmerkmal von einem Waldbesucher erhalten hat.
Seit dem Jahr 1992 betreut Peter Kretzinger den Wald der Marktgemeinde Zellingen und ist zuständig für 1260 Hektar Waldfläche zwischen Retzbach und Duttenbrunn. Fast täglich führt ihn sein Arbeits-weg an einer Rotbuche vorbei, deren Rinde eine Inschrift ziert. Wenige Jahre bevor er das Revier übernahm, hatte ein Unbekannter die vierte Strophe des Gedichts "Im Nebel" von Hermann Hesse säuberlich in den Stamm geritzt: "Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamkeit. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein."
Erste Trockenschäden am Stamm
Die Zeilen stimmen melancholisch. Was mag dem Waldbesucher durch den Kopf gegangen sein, als er die Worte in die Buchenrinde kratzte? Darüber kann Kretzinger nur spekulieren. Nach über 30 Jahren im Forstrevier denkt er inzwischen nur noch selten über die Beweggründe des Inschriftenerstellers nach. Die Buche hingegen ist dem Förster über die Jahre wichtig geworden. Wegen ihres besonderen Erkennungsmerkmals hat er sie im Blick, wenn er auf dem Weg in den Duttenbrunner Revierteil daran vorbeikommt.
Im vergangenen Jahr hat er erste Trockenschäden am Stamm bemerkt: "Vor einigen Monaten war die Rinde unter der Schrift noch intakt. Jetzt platzt sie großflächig ab und die Krone ist geschädigt. In wenigen Jahren wird nicht mehr viel von ihr übrig sein." Wieso ihn gerade dieser Baum beeindruckt? Das kann Kretzinger selbst nur mutmaßen: "Vielleicht ist es wie beim Kleinen Prinz. Er hat den Fuchs zu seinem Freund gemacht. Für ihn wurde er dadurch etwas Besonderes. Ich habe mir die Buche vertraut gemacht."
Kreisläufe im Wald
Nirgendwo sonst kann man den Prozess des Werdens und Vergehens besser beobachten als im Wald. Wenn Bäume absterben, stehen andere Bäume schon in den Startlöchern. Durch die Lücken im Kro-nendach fällt Licht auf den Waldboden. In den Lichtschächten wachsen Gräser und Kräuter und junge Bäume schieben sich nach oben. Dass Waldbäume sterben, gehört auch für Kretzinger zum Alltag, denn im Gemeindewald ist er unter anderem für die Holzernte und den Holzverkauf zuständig. „Durch den Borkenkäfer sind fast alle Fichten verschwunden. Jetzt wachsen dort Laubbäume.“
Insgesamt sei der Wald in den vergangenen Jahren bunter und baumartenreicher geworden. Fast flächig verjünge sich die Buche und auch Eichen, Speierlinge, Elsbeeren, Feldahorne, Douglasien und Tannen seien im Gemeindewald vertreten. Obwohl in den vergangenen Jahren in seinem Revier viele Bäume gefällt, vom Wind entwurzelt oder von Schädlingen heimgesucht wurden, stimmt den Forstmann die absterbende Buche traurig. Für ihn ist sie Sinnbild des Klimawandels: "Manchen Bäumen kann man ihre Geschichte ansehen und sie erleben einen Teil unserer Lebensgeschichte mit. Sie werden uns wichtig. Dann kommen Hitze und Dürre und setzen ihnen zu, sodass selbst robuste Bäume schwach werden. Der Klimawandel ist vor unserer Haustür angekommen!"