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LOHR
„Die größte Bürgerbewegung für die kleinen Leute“
Lohr: Um soziale Gerechtigkeit drehte sich am Samstag in der Lohrer Stadthalle eine Podiumsdiskussion mit (von links) Alexander Hoffmann (CSU), Simone Barrientos (Linke), Verena Bentele (VdK), Moderator Dominik Schott, Bernd Rützel (SPD) und Manuela Rottmann (Grüne).
Foto: Wolfgang Dehm | Lohr: Um soziale Gerechtigkeit drehte sich am Samstag in der Lohrer Stadthalle eine Podiumsdiskussion mit (von links) Alexander Hoffmann (CSU), Simone Barrientos (Linke), Verena Bentele (VdK), Moderator Dominik ...
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 06.07.2017 03:45 Uhr

„Soziale Spaltung stoppen!“ lautete das Motto einer dreieinhalbstündigen Veranstaltung des Sozialverbands Vdk am Samstag in Lohr. In die Stadthalle gekommen waren rund 650 Besucher – in der Mehrzahl VdK-Mitglieder aus neun Kreisverbänden.

Es handelte sich dabei um eine Aktion anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl im September. Im Mittelpunkt standen die Themen Rente, Steuern, Arbeitslose, Gesundheit und Pflege sowie Teilhabe durch Barrierefreiheit.

In Zeiten zunehmender Falschmeldungen im Internet seien Veranstaltungen mit Infos aus erster Hand wichtig, sagte Lohrs Bürgermeister Mario Paul; der VdK sei ein verlässlicher Partner in sozialen Fragen.

Laut Michael Pausder, Geschäftsführer des Landesverbands Bayern, ist der VdK mit 86 000 Mitgliedern in Unterfranken „die größte Bürgerbewegung für die kleinen Leute“. Dass man damit etwas erreichen könne, hätten die letzten Jahre gezeigt.

Der VdK habe mehr Gerechtigkeit bei der Mütterrente durchgesetzt, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente erreicht, die große Pflegereform durchgesetzt und zusammen mit den Gewerkschaften die Rente mit 63 und den gesetzlichen Mindestlohn erkämpft.

Wachsende Kluft ist gefährlich

Aber auch in Zukunft werde man nicht lockerlassen und noch mehr Druck auf die Politik ausüben. Wenn alte Menschen in Abfalleimern nach Pfandflaschen wühlen oder putzen gehen müssten, weil die Rente nicht reiche, sei das entwürdigend und beschämend; wenn immer mehr Menschen Lebensmitteltafeln in Anspruch nehmen müssten sei dies ein Armutszeugnis für ein reiches Land wie Deutschland. Eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sei auch gefährlich für die Demokratie, so Pausder.

Es sei nicht länger hinzunehmen, dass Pflegeberufe deutlich schlechter bezahlt würden als jemand, der Autos zusammenbauen könne, sagte er. Pausder forderte, dass Rentenbeiträge, wie in der Schweiz, vom gesamten Einkommen bezahlt werden sollten – und nicht nur bis zu einer Grenze von 6350 Euro monatlich. „Allergisch“ reagiere der VdK auf Forderungen nach der Rente mit 70 oder gar 75.

Außerdem solle derjenige, der mehr Einkommen oder Vermögen habe, auch mehr Steuern zahlen. Die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel müsse, wie in 24 EU-Staaten, auf sieben Prozent gesenkt werden.

Beim Wehretat sparen

An der Finanzierbarkeit der VdK-Forderungen zweifelte Pausder nicht angesichts von Rekordhaushaltsüberschüssen in zweistelliger Milliardenhöhe. Zudem möchte er auf eine Verdoppelung des Wehretats verzichten und dadurch weitere 35 Milliarden für soziale Zwecke zur Verfügung haben.

„Die Menschen in Deutschland haben viele Möglichkeiten – wenn sie sie sich leisten können“, sagte Verena Bentele, Vorstandsmitglied des VdK-Landesverbandes Bayern und Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung.

Bentele beklagt Ungerechtigkeit

Es sei eine große Ungerechtigkeit, dass sich der Reichtum in Deutschland auf wenige Menschen konzentriere und dass Steuerflüchtlinge den Staat um 100 Milliarden Euro jährlich betrögen. Armut müsse in allen Altersgruppen nachhaltig bekämpft werden. Zwar habe man in Deutschland eine hochwertige Gesundheitsversorgung – dennoch stürben Arme früher; der Zusammenhang zwischen Einkommen und Gesundheit müsse beseitigt werden.

Ein besonderes Anliegen waren ihr barrierefreie Gesundheitsangebote. „Was hilft die beste Arztpraxis, wenn sie im zweiten Stock liegt und man als Rollstuhlfahrer gar nicht hinkommt?“ Barrierefreiheit sei wichtig in allen Bereichen des öffentlichen Lebens.

Rente, Steuern, Gesundheit, Pflege, Barrierefreiheit und Inklusion waren anschließend auch Themen bei einer von Dominik Schott moderierten Podiumsdiskussion mit den Bundestagsabgeordneten Alexander Hoffmann (CSU, Retzbach) und Bernd Rützel (SPD, Gemünden) sowie den Bundestagskandidatinnen Manuela Rottmann (Grüne, Wahlkreis Bad Kissingen) und Simone Barrientos (Linke, Ochsenfurt) sowie Bentele.

Rente mit 67 abgelehnt

Sie fühle sich hier ein bisschen wie auf einem linken Parteitag, meinte Barrientos – die VdK-Forderungen deckten sich mit denen ihrer Partei. Aber auch zwischen den Vertretern der verschiedenen politischen Parteien schien es fast mehr Übereinstimmungen als Differenzen zu geben. So wurde beispielsweise parteiübergreifend die Rente mit 67 abgelehnt und ein dritter Arbeitsmarkt für nur eingeschränkt einsetzbare Menschen befürwortet.

Unterschiedliche Meinungen gab es zuweilen dazu, wie bestimmte Ziele erreicht werden könnten. Ein Meinungsaustausch mit Besuchern rundete die Podiumsdiskussion ab.

Breakdance mit „Hot Potatoes“

Im Rahmenprogramm traten die Breakdancer „Hot Potatoes“ (Dominik Blenk und Markus Heldt) und die Musikgruppe „Swinging Lohr“ auf.

Elmar Rüb, Vorsitzender des VdK-Kreisverbands Main-Spessart, wies darauf hin, dass das Bayerische Fernsehen in der Sendung „quer“ einen Beitrag über die VdK-Veranstaltung in Lohr bringen werde: Gezeigt wird er am Donnerstag, 6. Juli um 20.15 Uhr.

 
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