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Gemünden
Die Frage bleibt offen: Wer griff in die Ladenkasse?
Selbst der Staatsanwalt plädierte am Ende der Verhandlung vor dem Amtsgericht in Gemünden dafür, die angeklagte Verkäuferin freizusprechen. Ihr war nichts nachzuweisen.
Die Vorwürfe gegen die Angeklagte, sich aus der Ladenkasse bedient zu haben, erwiesen sich als nicht haltbar. (Symboldbild)
Foto: Jens Büttner | Die Vorwürfe gegen die Angeklagte, sich aus der Ladenkasse bedient zu haben, erwiesen sich als nicht haltbar. (Symboldbild)
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 09.02.2024 23:28 Uhr

Freigesprochen wurde am Dienstag eine 35-jährige Frau, die sich vor dem Amtsgericht Gemünden verantworten musste. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, sie sei am 17. Juli 2020 gegen 8 Uhr in ein Ladengeschäft in Gemünden eingedrungen und habe dort rund 540 Euro aus der Kasse gestohlen, erwies sich als nicht haltbar. Selbst der Staatsanwalt plädierte am Ende auf Freispruch.

In der Verhandlung, in der sieben Zeugen gehört wurden, ergab sich folgendes Bild: Der Laden hatte vom 16. bis 18. Juli geschlossen. Am 17. Juli wurde dem Vermieter des Ladens von einer Verwandten telefonisch mitgeteilt, dass die Ladentüre offenstehe. Der Vermieter gab seinem Mieter Bescheid, fuhr aber auch selbst zum Geschäft. Dort stellte er fest, dass nicht nur die Ladentüre offenstand und der Schlüssel innen steckte, sondern auch die hintere Eingangstüre des Wohn- und Geschäftshauses und die hintere Türe zum Laden geöffnet waren. Zudem stellte er fest, dass die Kasse leer war.

Kassenbon registrierte Kassenöffnung um 8.02 Uhr 

Der kurz darauf eintreffende Ladenbetreiber rief die Polizei. Einbruchspuren konnten am Tatort nicht festgestellt werden, lediglich ein Kassenbon, der die Zeit der Kassenöffnung mit 8.02 Uhr angab. Der Geschäftsmann äußerte gegenüber dem ermittelnden Beamten, dass er eine bestimmte seiner Verkäuferinnen verdächtige. Die Frau hatte zwar wenige Tage zuvor gekündigt, besaß aber noch einen Schlüssel zur hinteren Eingangstüre. Von dort gelangte man mit einem weiteren Schlüssel über eine Türe in den Laden; dass der Schlüssel dazu in einem wenige Schritte entfernten Sicherungskasten versteckt war, war den Mitarbeiterinnen bekannt.

Schlüssel zur hinteren Eingangstüre hatten neben dem Ladenmieter und seiner Frau auch die Angeklagte sowie weitere Beschäftigte. Diese Türe war allerdings oft nicht abgeschlossen, so dass sich theoretisch auch Fremde Zugang verschaffen konnten. Die vordere Ladentüre war normalerweise außerhalb der Ladenzeiten verschlossen und der Schlüssel steckte innen.

Angeklagte hatte Termine am Morgen

"Ich war's wirklich nicht", sagte die Angeklagte. Sie sei am Tattag "garantiert nicht" in dem Laden gewesen. Zunächst habe sie sich in der Werkstatt in Wernfeld, wo ihr Auto zur Reparatur gewesen sei, einen Leihwagen geholt, anschließend habe sie noch in Aschfeld eingekauft und um 9 Uhr habe sie dann in Gössenheim ein Vorstellungsgespräch gehabt.

Laut dem Mann aus der Wernfelder Werkstatt, der ihr am Tattag das Leihauto übergeben hat, ist sie dort ungefähr zehn Minuten vor 8 Uhr weggefahren. Nach Aussage der Aschfelder Verkäuferin war die Angeklagte am 17. Juli ungefähr zwischen 8.25 und 8.35 Uhr bei ihr im Laden.

Für den ermittelnden Polizisten war schnell klar, dass nur die vom Ladenmieter verdächtigte Verkäuferin die Täterin sein konnte. Die Zeit vom Verlassen der Autowerkstatt bis zur Tatzeit stimme mit der Fahrzeit von Wernfeld bis zum Tatort in Gemünden überein, auch die weiteren Zeiten passten genau. Als der Polizist betonte, dass für ihn die Indizienkette nahezu vollständig sei und es keine anderen Tatverdächtigen gebe, platzte dem Verteidiger der Angeklagten der Kragen. Der Zeuge solle sich bei seiner Aussage auf seine Wahrnehmungen beschränken und kein Urteil sprechen.

Für den Polizisten sprach vieles gegen die Angeklagte

Auch Richterin Meike Richter war etwas verblüfft über die Worte des Polizisten, die "sehr unschlüssig" seien. Die hintere Eingangstüre sei meist offen gewesen und der Schlüssel zur hinteren Ladentüre nur unzureichend versteckt. Auch die Kasse habe jeder öffnen können, der sich nicht ganz ungeschickt anstellte. Auf die Angeklagte als Täterin sei er gekommen, weil sie "vorbelastet" und auf der Polizeistation "bekannt" sei, gab der Polizist schließlich Einblick in seine Gedankengänge. "Wir wussten, dass sie permanent Geldnot hat." Und für den Tatzeitraum habe die Angeklagte kein Alibi.

Die Erkenntnisse aus der Verhandlung ließen für ihn "nur ein Ergebnis zu", sagte der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag: die Angeklagte sei freizusprechen. Zwar gebe es einige Umstände, die sie als Täterin infrage kommen ließen, doch die Tat wäre seiner Einschätzung nach auch anderen Personen möglich gewesen. Zudem erschien ihm das Zeitfenster der Angeklagten von der Abfahrt in Wernfeld bis zur Tatausführung in Gemünden zu knapp.

Staatsanwalt und Verteidiger fordern Freispruch

Dass die Angeklagte vorbestraft sei, dürfe nicht dazu führen, ihr die Tat zu unterstellen. Der Staatsanwalt ging davon aus, dass sie den Bon mit der aufgedruckten Kassenöffnungszeit mitgenommen hätte, wenn sie die Tat begangen hätte.

Es sei "erschreckend", dass seine Mandantin für die Tat verantwortlich gemacht worden sei, sagte deren Verteidiger. Die Ausführungen des Staatsanwaltes bezeichnete er als "sachgerecht" und forderte wie dieser Freispruch.

"Die Angeklagte wird freigesprochen", lautete dann auch das Urteil von Richterin Meike Richter. Die Indizien reichten nicht aus, um zu sagen, dass die Angeklagte die Tat begangen habe. Niemand habe die Frau am Tatort gesehen. Mit Blick auf den seitens der Polizei dargelegten "Belastungseifer" sagte sie: "Ich weiß es nicht, wie es war."

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch wenn der Staatsanwalt auf Freispruch plädiert hat, ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass übergeordnete Stellen der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.

 
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