Die Zweige der Fichten biegen sich unter der Last der Zapfen, der Boden ist übersät mit Eicheln und Bucheckern – was den Spaziergänger im Wald vielleicht nur wundert, registriert der Forstmann mehr mit Sorge als mit Freude. Dazu verkümmerte Baumkronen, vertrocknete Jungpflanzen. Alles Zeichen dafür, dass auch der Wald am Ende dieses viel zu trockenen Jahres 2018 erhebliche Not leidet. Darauf macht Gemündens Stadtförster Meinolf Arndt aufmerksam. „Ein zweites Trockenjahr wie das heurige wird die Fichte, schätze ich, in ihrer Existenz massiv gefährden“, sagt er.
Dreiviertel weniger Regen
Diesmal sind es nicht die Stürme, die den Fichten, aber auch den Lärchen und Kiefern schaden, sondern der ausgebliebene Regen. Besonders die Flachwurzler leiden darunter, aber auch die Eichen mit ihren Pfahlwurzeln haben Stress, weist Arndt auf die sichtbaren Schäden hin. In der Vegetationszeit von Anfang April bis Ende September betrug der Jahresniederschlag heuer beispielsweise in Adelsberg nur 65 Liter je Quadratmeter, normal wären um die 250 gewesen.
Welche Bäume dauerhaft geschädigt sind und welche sich vielleicht nach einem normal feuchten 2019 und weiteren Jahren wieder erholen, weiß der Stadtförster nicht sicher einzuschätzen. Die massiven Probleme für die Forstwirtschaft sowie die nachgelagerte Holzindustrie in Deutschland und den angrenzenden Ländern sind schon jetzt Begleiterscheinungen der Trockenheit: Nadelbäume können sich wegen mangelnden Harzflusses nicht ausreichend gegen Schädlinge wehren, etwa den Borkenkäfer, der sich blitzschnell massenhaft vermehrt (100 000 Nachkommen je Pärchen über sogenannte Geschwisterbruten in einem Jahr).
Auswirkungen aufs Laubholz
Außerdem: Das von Borkenkäfern, Buchdruckern, Kupferstechern und Lärchenborkenkäfern befallene Holz muss im Sinn einer „sauberen Forstwirtschaft“ schleunigst aus dem Wald geschafft und verarbeitet werden. Denn im Frühjahr schwärmt die nächste Käfergeneration aus mit der großen Gefahr einer weiteren Massenvermehrung und Waldvernichtung. Durch das Überangebot am Nadelholzmarkt hat ein Preisverfall von (je nach nach Sortiment) 25 bis 65 Prozent eingesetzt. Aufgrund einer Einschlagsverlagerung in den Forstbetrieben hin zum Laubholz könnten auch die Laubholzpreise unter Druck geraten, wie Arndt erläutert.
Zwar haben diverse Stürme und der Borkenkäferbefall in den vergangenen drei Jahrzehnten im etwa 1800 Hektar großen Stadtwald den Nadelholzanteil von einst 45 Prozent um mehr als die Hälfte reduziert. Trotzdem hat das Nadelholz nach wie vor einen wichtigen Anteil am Holzverkauf. Arndt rechnet beim Verkauf 2019 mit Mindereinnahmen von 60 000 bis 70 000 Euro allein beim Nadelholz.
Erst zu viel, dann zu wenig
In Tschechien werde in einigen großen Waldgebieten das Käferholz schon nicht mehr aufgearbeitet, weiß Arndt, weil die Einschlagskapazitäten für den großen Holzanfall nicht ausreichen und die dortigen Sägewerke die Mengen nicht mehr verarbeiten können. Vom nördlichen Deutschland, wo sich die Trockenheit noch schlimmer ausgewirkt habe als in Süddeutschland, werde beispielsweise in großem Umfang Nadelholz vom Harz in bayerische Sägewerke geschafft. Käferholz wird sogar nach Asien exportiert.
Dem Überangebot, das den Waldbesitzern aktuell die Preise verderbe, folge in wenigen Jahren dann der Mangel, weil erheblich weniger erntereifes Nadelholz verfügbar sein werde, so der Stadtförster. Die Forstwirtschaft sei inklusive der Holzindustrie betroffen – derzeit mit 121 Milliarden Euro Jahresumsatz und 1,1 Millionen Arbeitsplätzen der drittgrößte Arbeitssektor in Deutschland.
Die deutsche Sägeindustrie fragt zu 85 Prozent Nadelholz nach und nur zu 15 Prozent Laubholz, informiert Arndt. Die Marktbedingungen könnten trotz der ökologischen Zielsetzungen nicht ignoriert werden. Deswegen brauche auch der Stadtwald in gewissem Umfang Nadelholz. Doch Fichte, Lärche und Kiefer bekommen im Klimawandel immer mehr Existenzprobleme. Den Wechsel zu klimatoleranten Baumarten schaffe die Natur allein nicht in der absehbar kurzen Zeit, ist der Stadtförster überzeugt.
Weißtanne als ein Favorit
Bei der Suche nach geeigneten Nadelbaumarten hofft er unter anderem auf die Weißtanne, die mit ihrer Pfahlwurzel Stürmen besser widersteht und im Sommer wasserführende Schichten in der Tiefe erreichen kann. Trocken- und wärmeresistente Tannenherkünfte wie von der Schwäbischen und Fränkischen Alb, aus dem Südkaukasus und aus Kalabrien werden auf Versuchsflächen bei ähnlichen Standortbedingungen erfolgreich staatlich getestet.
Erfreut beobachtet Arndt die etwa 150 starken Weißtannen und insbesondere ihre Naturverjüngung im Stadtwald. Sie wurden vor etwa 80 bis 120 Jahren gepflanzt– „und die sind im Gegensatz zur Fichte nach wie vor pumperlgesund“. Das gilt auch für die Kulturflächen (Pflanzungen) und Naturverjüngungsflächen (Eigenvermehrung der Bäume). Allerdings müssen sie meistens gezäunt werden, weil speziell Tannentriebe auf der Speisekarte des Wildes ganz oben stehen; der permanente Wildverbiss würde die Tannen nicht aufkommen lassen.
So summieren sich die durch den Klimawandel bedingten Kosten erheblich: Baumartenwechsel, Schutzmaßnahmen, aufwändige, permanente Schädlingsbeobachtung und oft einzelne Entnahme befallener Bäume. Auf der anderen Seite steht der Preisverfall für die Waldbesitzer – zu 95 Prozent stammen ihre Einnahmen aus dem Holzverkauf.
Ausgleichszahlungen?
Angesichts einer in weiten Teilen schwieriger werdenden Waldwirtschaft und angesichts der vielen Aufgaben und Rahmenbedingungen des Waldes – als Erholungsstätte der Menschen, als Speicher- und Filteranlage für Luft und Wasser, die Naturschutzleistungen, der Klimaschutz und nicht zuletzt als Holzlieferant und anderes mehr – sagt Arndt, es sei dringend notwendig eine Frage zu stellen: „Was ist die Gesellschaft bereit, für einen multifunktionellen Wald mit all seinen vermeintlich kostenlosen Wohlfahrtsfunktionen auszugeben?“ Im Gegensatz zur Landwirtschaft hat seines Wissens die Forstwirtschaft bisher keine staatlichen Finanzhilfen für Dürreschäden bekommen.