Ganz entspannt liegen Tüzes, Csipke und Fortély auf einer Decke, recken ihre Schnauzen in die Sonne, während Jazz aufgeweckt die Terrasse unsicher macht, alles um sich herum genau beäugt und versucht, die Hollywoodschaukel zu erobern. „Meine Mädels …“ sagt Katerina Rais und blickt liebevoll auf das Quartett. Die „Mädels“ sind Rais' ganzer Stolz: Vier ungarische Windhündinnen, noch dazu äußerst erfolgreiche. Nicht nur, dass sie auf Ausstellungen stets vordere Plätze belegen – auch bei Hunderennen in ganz Europa lassen sie ein ums andere Mal die Konkurrenz hinter sich. Bei den Weltmeisterschaften im finnischen Tampere Anfang September flitzte die vierjährige Csipke sogar aufs Podest.
„Ich hatte in meinem Leben schon immer Hunde“, sagt Katerina Rais, die aus Tschechien stammt und seit 1984 in Deutschland lebt. Ihre Liebe zum ungarischen Windhund, dem Magyar Agár, entdeckte sie im Jahr 1996. „Ich war damals sehr sportlich, bin Wasserski gefahren, viel geklettert und vor allem über lange Strecken gejoggt“, erinnert sie sich. „Daher sollte mein nächster Hund ein Sporthund sein.“
In Nürnberg, wo sie damals lebte, machte sie ein Züchter auf ungarische Windhunde aufmerksam. Rais erinnert sich, wie der ihr vorgeführte Hund „mit voller Pulle über die Wiese geflitzt“ ist. „Da hab ich mir gedacht 'so einen will ich haben‘“. Rais‘ Herz eroberte schließlich die sechs Monate alte Hündin Vagta – eine außergewöhnliche Hundedame.
Windhunde, so hört man immer wieder, sind die „Ferraris“ unter den Hunden. Sie sind blitzschnell und wendig, zählen nach den Geparden zu den schnellsten Landtieren der Erde und können je nach Rasse Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern erreichen. Ursprünglich für die Jagd gezüchtet, werden sie heute oft bei Amateur-Sportveranstaltungen wie Hunderennen eingesetzt.
Mit Vagta wollte Katerina Rais eben dies ausprobieren. „Wenn's ihr gefällt, dann kann sie's machen“, dachte Rais. Und es hat Vagta gefallen. Sie entwickelte sich zu einem Champion, wurde Weltmeisterin, zweimal Europameisterin, zweimal Deutsche Meisterin. Rais erinnert sich mit Stolz und Wehmut an die 2007 verstorbene Hündin.
Seit 2009 lebt Rais in Steinbach – mit mittlerweile vier Windhündinnen. Das funktioniere wunderbar, erzählt sie. „Ein Windhund ist etwas zwischen Pferd und Katze“, lacht sie. Windhunde seien schreckhaft, aber auch sehr personenbezogen und folgsam. „Zu Hause sehr ruhig aber draußen rennen sie sehr schnell und gerne.“ Während die siebenjährige Tüzes bereits in „Renn-Rente“ gegangen ist und die einjährige Jazz, die erst vor wenigen Tagen zum Rudel gestoßen ist, noch zu jung für diesen Sport ist, nimmt Rais mit der vierjährigen Csipke und der ein Jahr jüngeren Fortély an Windhunderennen in Deutschland und ganz Europa teil – mit Erfolg.
Ein kostspieliges und zeitintensives Hobby, wie Rais, die ihre Hunde allesamt von der Züchterin Judit Szanka aus Ungarn (Zwingername Dévaj) bekommen hat, verrät.
Mehrfach die Woche wird für die Rennen trainiert. Während Rais entlang des Mains auf dem Rad unterwegs ist, laufen die Hunde sechs Kilometer weit an ihrer Seite, auch Sprints auf der Geraden werden trainiert, ebenso an Anstiegen im Wald. Ab und an geht es mit den Hunden auf die Rennbahn nach Hünstetten. Und das Training zahlt sich aus. Csipke und Fortély durften Anfang September bei der Weltmeisterschaft im finnischen Tampere an den Start gehen.
Bei den Läufen starten die Hunde aus Boxen auf einer Rennbahn mit Sandoberfläche und laufen einem künstlichen Hasen hinterher, einem von einer technischen Vorrichtung geschleppten Dummy, der auch nur aus einem Bündel Flatterband bestehen kann. 480 Meter sausen die Windhunde über die Rennbahn. Und für Katerina Rais beginnen bange Sekunden. „Man hat immer Angst, dass etwas passiert. Man ist hauptsächlich froh, wenn der Hund gesund im Ziel ankommt. Aber die Freude ist groß, wenn sie vorne mit dabei sind“, sagt sie.
Bei der Weltmeisterschaft schied Fortély knapp in den Vorläufen aus, während Csipke im Hauptlauf mit einer Zeit von 32:17 Sekunden den dritten Platz erreichte. „Das macht mich schon stolz, wenn man dann auf dem Treppchen steht“, sagt Rais.
Doch nicht nur bei Hunderennen haben ihre Lieblinge die Nase vorn. Auch bei diversen Hundeausstellungen heimsen die Steinbacher Windhunde Auszeichnungen ein. Im August sicherte sich „Renn-Oma“ Tüzes bei der Jahresausstellung in Trautskirchen den Titel „schönster Kopf“.
Doch was fasziniert Rais an Windhunden, an Hunderennen? „Andere haben Pferde oder basteln an Rennautos, sammeln Briefmarken. Die Hunde sind mein Hobby und ich finde, das ist ein sehr schönes Hobby“, so Rais. „Man ist den ganzen Tag draußen und lernt viele Leute in ganz Europa kennen.“
Die nächste Gelegenheit dazu lässt nicht lange auf sich warten. Grade eben waren die Hunde in Sachsenheim am Start, am kommenden Wochenende sind sie es in Oberhausen.