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Arnstein
Die Erwerbstätigkeit von Juden in der Frühen Neuzeit
Gabi Rudolf stellte in der ehemaligen Synagoge von Arnstein ihre Dissertation über die Arbeit jüdischer Familien nach dem Dreißigjährigen Krieg im hochstiftlichen Arnstein und im reichsritterlichen Markt Thüngen vor.
Foto: Günter Roth | Gabi Rudolf stellte in der ehemaligen Synagoge von Arnstein ihre Dissertation über die Arbeit jüdischer Familien nach dem Dreißigjährigen Krieg im hochstiftlichen Arnstein und im reichsritterlichen Markt Thüngen ...
Günter Roth
 |  aktualisiert: 22.03.2025 02:32 Uhr

Welchen Erwerbstätigkeiten durften Juden im 17. und 18. Jahrhundert in fränkischen Territorien nachgehen und von welchen ökonomischen oder territorialen Faktoren hing ihr Wirtschaftsleben ab? Welche Unterschiede gab es für Schutzjuden eines ritterschaftlichen oder hochstiftischen Territorialherren? Kam Jüdinnen im Wirtschaftsleben dieser Zeit eine Rolle zu? Die Geschichtswissenschaftlerin Gabi Rudolf hat im Rahmen ihrer Dissertation zu diesem Thema in Arnstein und Thüngen geforscht. Ihre Arbeit stellte sie nun gemeinsam mit der Gesellschaft für fränkische Geschichte in der ehemaligen Arnsteiner Synagoge vor. Für Rudolf ist die jüdische Geschichte des Werntals kein Neuland. Schließlich hatte sie in den Jahren 2010 bis 2012 die Federführung für das Museumskonzept in der neu gestalteten Synagoge von Arnstein.

"Meine wissenschaftliche Reise hat hier begonnen und sie hat mein Leben verändert", sagte die Autorin bei der Vorstellung. Mit ihrer aktuellen Forschung wollte sie einerseits nicht so sehr die "große Geschichte" des Judentums in Deutschland beleuchten, sondern den Fokus auf die Mikroperspektive der Menschen lenken. Zum andern aber stand bislang das jüdische Leben in den Städten im Zentrum der Forschung, sie aber wollte explizit das Landjudentum nach dem Dreißigjährigen Krieg in den Mittelpunkt setzen. Dafür eigneten sich ganz besonders die beiden nahe beieinanderliegenden Brennpunkte: das hochstiftisch geprägte Arnstein und das ritterschaftliche Thüngen, in das aber auch der Einfluss des Juliusspitals einwirkte.

Durch die Pogrome im 14. und 16. Jahrhundert setzte in unserer Region zunehmend die Ansiedlung jüdischer Familien auf dem Land ein – es entstand das sogenannte Landjudentum. Daneben gab es im 18. Jahrhundert eine zunehmende Anzahl von herumziehenden "Betteljuden" ohne festen Wohnsitz.

Wie waren nun die Lebensbedingungen der jüdischen Bevölkerung im hochstiftlichen Bereich Arnsteins im reichsritterschaftlichen Thüngen? Gemeinsam galt der Grundsatz, dass sie sich nicht dort ansiedeln konnten, wo sie wollten, vielmehr musste das unter dem Schutz der jeweiligen Obrigkeit geschehen. Und diesen Schutz ließ sich die Herrschaft bezahlen. Im besten Fall war das für beide eine "Win-win-Situation", denn die Schutzjuden konnten relativ sicher leben und ihren Tätigkeiten nachgehen. Für die Herrschaft aber war das finanziell durchaus einträglich, denn der "Judenpfennig" brachte Geld in die Kassen.

Für das Hochstift Würzburg gab es zudem eine gewinnbringende Besonderheit: die Leibzollzeichen. Wenn ein jüdischer Händler aus einem anderen Herrschaftsbereich im Würzburgischen aktiv werden wollte, musste er einen besonderen Schutzbrief erwerben und diesen immer wieder erneuern. Für das Thüngensche Gebiet galt das nicht. Beschränkt war auch die Kontinuität des Wohnorts im bischöflichen Arnstein. Die Schutzstelle konnte man nur einmal an einen Sohn übergeben, später mussten sich die Nachfolger bewerben und natürlich erneut bezahlen. So beschränkte sich die Aufenthaltsdauer oft auf zwei Generationen.

Wie aber verdienten die jüdischen Bürger ihren Lebensunterhalt? Gabi Rudolf erinnerte daran, dass diese nach geltendem Recht von zunftgebundenen Handwerksberufen ausgeschlossen und deshalb weitgehend auf den Handel mit Krämerwaren, auf das Hausieren, den Viehhandel und den Geldverleih angewiesen waren. In Thüngen hat es allerdings zeitweise einen jüdischen Glaser gegeben. Diese Berufe erforderten von den Menschen natürlich erhöhte Mobilität und die Fähigkeit zur Vernetzung. Die Autorin ging auch auf die "unsichtbare Erwerbstätigkeit" jüdischer Menschen ein – auf die Arbeit von Frauen. Diese wirkten weitgehend in der Familie ihrer Männer, als Witwen oder Mägde für jüdische Haushalte.

Bei der Buchvorstellung in der alten Synagoge von Arnstein waren viele prominente Gäste aus dem Bereich der fränkischen Geschichte anwesend. Altbürgermeister Roland Metz sprach das Grußwort und Baron Hanskarl von Thüngen berichtete von Gabi Rudolfs Forschungen im Archiv der Familie von Thüngen. Ludwig Spaenle, der ehemalige bayerische Kultusminister und jetzige Antisemitismusbeauftragte, lobte sowohl die Arbeit der Autorin als auch die Präsenz der Alten Synagoge in Arnstein als Lernort für die Geschichte. "Hier wird ganz große Geschichte gemacht", betonte er. Heinrich Freiherr von Pölnitz, Vorsitzender der Gesellschaft für fränkische Geschichte, betonte, dass durch die Doktorarbeit ein besonderer geschichtlicher Schatz gehoben und Grundlagenforschung in seiner gesamten Breite geleistet wurde. 

Gabi Rudolf stellte in der ehemaligen Synagoge von Arnstein ihre Dissertation über die Arbeit jüdischer Familien nach dem 30-jährigen Krieg im hochstiftlichen Arnstein und im reichsritterlichen Markt Thüngen vor.
Foto: Günter Roth | Gabi Rudolf stellte in der ehemaligen Synagoge von Arnstein ihre Dissertation über die Arbeit jüdischer Familien nach dem 30-jährigen Krieg im hochstiftlichen Arnstein und im reichsritterlichen Markt Thüngen vor.
 
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